AfD-Politiker über Pariser Anschläge "Leider viel früher passiert, als ich gehofft habe"
Hamburg - Die Alternative für Deutschland (AfD) in Hamburg betreibt Wahlkampf, Mitte Februar steht die Bürgerschaftswahl an. Doch schon beim Auftakt am Wochenende gab es einen Eklat: Er könne nicht über Busbeschleunigung, Elbvertiefung oder Schulleistungszentren reden, sagte AfD-Spitzenkandidat Jörn Kruse - zu sehr hätten ihn die Anschläge in Frankreich bewegt. Er habe solche Attentate immer befürchtet, sagte er bei dem Auftritt - und ergänzte: "Und leider ist es viel früher passiert, als ich gehofft habe." Das Publikum applaudiert.
Das erste kurze Video von dieser Äußerung im Hamburger "Emporio Tower" verbreitet sich schnell im Netz. "Widerlich" seien solche Äußerungen, twitterte einer, sie fühle sich durch das "f" in AfD immer "an einen kurzen Oberlippenbart" erinnert, schrieb eine andere .
In einer späteren, längeren Version des Ausschnitts wurde dann deutlich, dass es sich bei der Äußerung des AfD-Kandidaten um einen Versprecher handelte. In dem Video, eine Minute lang, korrigiert Kruse die Äußerung, die Attentate seien "viel früher passiert, als ich gehofft habe", durch: "Oder als ich… als ich erwartet hatte. Ja?" Währenddessen gibt es von den AfD-Anhängern jedoch bereits Applaus, die Menge johlt. "Ich habe gehofft, es würde an uns vorübergehen", ergänzt Kruse dann, als sich sein Publikum beruhigt hat. "Und ich hoffe es auch für den Rest des Jahres, dass nichts weiter passiert. Weder hier noch anderswo."
Nach seinem Versprecher grinst Kruse in die Kamera - aus Belustigung über seine Wortwahl oder aus Freude über die begeisterten Reaktionen? "Ich war entsetzt, als ich dann endlich gemerkt habe, was ich gesagt hatte, weil ich ahnte, was Böswillige daraus machen könnten", sagt Kruse auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE. Man benötige einige Augenblicke, "um zu kapieren, was man gesagt hat". Das Video zeige diese "verdutzte und entsetzte Reaktion".
Deswegen beschwert sich der Hamburger Spitzenkandidat über das zuerst veröffentlichte kurze Video, "das meinen Versprecher zeigt und dann abbricht", die Richtigstellung also nicht zeige. "Das ist aus meiner Sicht eine bewusste Manipulation zum Nachteil des Redners und der AfD und damit geradezu eine Verleumdung", antwortet Kruse. Den Applaus schreibt er dem Dutzend Jungsozialisten und Linksradikalen zu, die sich nach Auskunft von Besuchern im Raum befunden hätten. "Daher der Applaus", schreibt Kruse.
"Ist natürlich nur ein Versprecher, wenn ein AfD-Agitator die Anschläge in Paris feiert", schreibt ein Twitterer ironisch . Der Pressesprecher der FDP, Nils Droste, fordert auf Twitter : "Wenn das ein Versprecher war, muss Kruse das umgehend klarstellen."
Direkt nach den Attentaten in der vergangenen Woche arbeitete die AfD daran, sich zu den Ereignissen zu positionieren. So sagte Parteivize Alexander Gauland, er sehe in dem Attentat auf das Satireblatt "Charlie Hebdo" einen Beleg für die Anliegen der Pegida-Bewegung, die seit Wochen jeden Montag in Dresden demonstriert. Die Pegida-Forderungen erhielten nach dem Massaker von Paris besonderes Gewicht, sagte er. "All diejenigen, die bisher die Sorgen vieler Menschen vor einer drohenden Gefahr durch den Islamismus ignoriert oder verlacht haben, werden durch diese Bluttat Lügen gestraft."
Der AfD-Vorstandssprecher Bernd Lucke erklärte hingegen, man dürfe die Gewalttat zweier Extremisten nicht einer ganzen Religionsgemeinschaft anlasten. Unterstützung erhält Lucke in seinem eher moderaten Kurs von seinem Vize Hans-Olaf Henkel.