Nach Tod eines 35-Jährigen Rechte marschieren in Chemnitz auf

Aktivisten melden Übergriffe auf Migranten, örtliche Medien berichten von Rangeleien: In Chemnitz sind radikale Rechte durch die Straßen gezogen. Hintergrund ist der gewaltsame Tod eines Mannes bei einem Stadtfest.
Polizeifahrzeuge in der Chemnitzer Innenstadt

Polizeifahrzeuge in der Chemnitzer Innenstadt

Foto: Sebastian Willnow/ dpa

Nach einem tödlichen Streit in Chemnitz sind am Sonntagabend nach Angaben der Polizei rund 800 Menschen durch die Innenstadt gezogen.

Hintergrund der Ausschreitungen ist laut Polizei der Tod eines 35-jährigen Deutschen nach einem verhängnisvollen Streit zwischen maximal zehn Menschen mehrerer Nationalitäten in der Nacht zum Sonntag nach einem Stadtfest.

Besucher verlassen das Stadtfest in Chemnitz

Besucher verlassen das Stadtfest in Chemnitz

Foto: Alexander Prautzsch/ dpa

Laut "Bild"-Zeitung befanden sich unter den Demonstranten "gewaltbereite Rechte", die gegen "Ausländerkriminalität" protestierten und Sprüche wie "Wir sind das Volk" skandierten. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) berichtet von Rangeleien. Antifaschistische Aktivisten berichten in sozialen Medien von Übergriffen auf Migranten.

Am frühen Nachmittag hatte die AfD zu einer Kundgebung aufgerufen. Dem Aufruf waren etwa 100 Menschen gefolgt. Diese Veranstaltung blieb laut Polizei störungsfrei.

Gegen 16.30 Uhr folgte eine zweite Kundgebung, der rund 800 Menschen folgten. Laut Polizei hatten sie sich über mehrere rechte Internetseiten am Karl-Marx-Monument verabredet. Mittlerweile gelöschte Internetseiten deuten darauf hin, dass der Aufruf zu dem Protest unter anderem von Fußballfans kam, die sich als Anhänger des Chemnitzer FC bezeichnen. Auch die Polizei bestätigt, dass der Aufruf von einer Gruppe namens "Kaotic Chemnitz" stammte.

Anzeigen wegen Körperverletzung

Die Polizei gibt an, die versammelten Menschen hätten sich unvermittelt in Bewegung gesetzt, während Vertreter der Stadt und der Polizei noch versucht hätten, mit den vermeintlich Verantwortlichen des Protestzugs ein Gespräch zu führen. "Die Personengruppe zeigte keine Kooperationsbereitschaft", teilt die Polizei mit.

Später sei es zu Flaschenwürfen in Richtung der Polizeibeamten gekommen. Nach Angaben einer Polizeisprecherin wurde ein Beamter verletzt.

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Berichte, wonach es zur Jagd auf Migranten gekommen sei, wollte die Polizeisprecherin im Gespräch mit dem SPIEGEL weder dementieren noch bestätigen. Es habe aber "sicherlich Kontakt" zwischen den Aufmarschierenden und Unbeteiligten gegeben. Zwei Personen - eine deutscher Nationalität, eine syrischer Nationalität - hätten Anzeige wegen Körperverletzung erstattet.

Eine weitere Person bulgarischer Nationalität habe Anzeige erstattet, weil sie bedroht worden sei. Eine weitere Anzeige werde wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte bearbeitet.

Nach Angaben der Polizei waren zunächst nicht genug Polizisten im Einsatz gewesen, um die Demonstranten zu stoppen. Einsatzkräfte aus Dresden und Leipzig seien zu diesem Zeitpunkt erst noch nach Chemnitz verlegt worden.

"Wenn ich sehe, was sich in den Stunden am Sonntag hier entwickelt hat, dann bin ich entsetzt", sagte Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) dem MDR.

Zwei Personen vorläufig festgenommen

Die Hintergründe des Todesfalls nach dem Stadtfest sind noch unklar. Fest steht, dass nach einem Streit am frühen Sonntagmorgen gegen 3.15 Uhr ein 35 Jahre alter Mann getötet wurde. Zwei weitere Männer im Alter von 33 und 38 Jahren wurden verletzt, zum Teil schwer, wie die Polizei Chemnitz mitteilte. Alle drei sind laut Polizei Deutsche. Bei dem Streit sollen Messer zum Einsatz gekommen sein.

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Der tätlichen Auseinandersetzung war laut Polizei eine verbale vorausgegangen. Mehrere Personen waren danach vom Tatort geflüchtet.

Die Polizei hat zwei 22 und 23 Jahre alte Männer vorläufig festgenommen. Zu deren Nationalität wollte sie zunächst keine Aussage machen, da noch geprüft werde, ob und wie diese in die Auseinandersetzung involviert waren. Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln wegen Totschlags.

Polizei wendet sich gegen Spekulationen

Kursierende Gerüchte, wonach dem Streit eine Belästigung von Frauen vorausgegangen sein soll, bestätigten sich nach ersten Ermittlungen der Polizei nicht. Die Polizei rief auf Twitter dazu auf, sich nicht an Spekulationen zu beteiligen.

Aus Sicherheitsgründen entschieden sich die Veranstalter des Stadtfests am Sonntag in Chemnitz für eine vorzeitige Beendigung. Statt um 20 Uhr endete das Fest bereits um 16 Uhr.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, der Fußballverein Chemnitzer FC habe zu dem Protest aufgerufen. Das ist falsch. Tatsächlich deuten mittlerweile gelöschte Internetseiten darauf hin, dass Fußballfans, die sich als Anhänger des Chemnitzer FC bezeichnen, zu der Versammlung in der Stadt aufgerufen haben.

wal/slü/ssu/dpa
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