SPIEGEL-Spitzengespräch »Die Deutsche Umwelthilfe hat nichts verstanden«
Markus Feldenkirchen, DER SPIEGEL:
»Wir haben mal einen anderen Experten gefragt, Helmut Bramann, den Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Sanitär, Heizung und Klima – ein Verband, der rund 49.000 Handwerksbetriebe vertritt – was das Bekanntwerden der Pläne von Robert Habeck, wonach es ab dem nächsten Jahr keine Öl- und Gasheizungen mehr geben soll, denn konkret ausgelöst hat.«
Helmut Bramann, Zentralverband Sanitär, Heizung und Klima:
»Nach dem Bekanntwerden eines ersten GEG-Entwurfs, der noch nicht abgestimmt war, kann ich sagen, ist die Bevölkerung ist nahezu in Panik verfallen. Unsere Betriebe wurden bestürmt. Aktuell hat sich die Nachfrage nach ölbetriebenen Heizungen verdoppelt auch Neueinbauten. Und insgesamt sind 9 von 10 Anfragen derzeit fossiler Natur.«
Markus Feldenkirchen:
»Panik, Betriebe bestürmt. Wollten Sie das, Frau Dröge?«
Katharina Dröge, Die Grünen:
»Also es ist ja sehr offensichtlich gewesen. Dadurch, dass erst der Gesetzentwurf zur Reform der Wärme an die Öffentlichkeit gekommen ist und der soziale Ausgleich in der Koalition noch nicht vereinbart war, dass das viele Menschen verunsichert hat.«
Kevin Kühnert, SPD:
»Das ist ja menschlich nachvollziehbar, wenn sich in der Nachbarschaft über den Zaun zugerufen wird: »Hast du schon gehört? Nächstes Jahr kommt der Habeck und reißt dir im Januar den funktionierenden Gas-Brennwertkessel aus dem Keller raus.« Ich will mich gar nicht lustig machen. Das ist ja das, was zum Teil ernsthaft angekommen ist. Und da müssen wir uns auch alle an die Nase fassen. Das darf möglichst selten passieren, dass so ein Eindruck entsteht und dass dann die Leute auf die Idee kommen zu sagen: »Okay, Torschlusspanik, was muss ich noch bis Ende des Jahres machen in diesem Irrsinn?«
Markus Feldenkirchen:
»Es gab ja nicht nur die Sorge, dass der Habeck kommt und die Heizung, die bestehende intakte, rausreißt, sondern die Leute haben schon auch verstanden: ›Oh, was ist, wenn ich das Pech habe, dass mir im Frühjahr nächsten Jahres die Heizung kaputtgeht und dann muss ich auf einmal 20.000 oder mehr für diese neuen Wärmepumpen zahlen, statt wie bisher die Gasheizung zu ersetzen, die deutlich günstiger ist.‹ Das schafft ja auch schon Sorge.«
Kevin Kühnert:
»Genau. Aber da wird es eben lebenspraktische Regelungen geben. Die kann man in so einem, selbst wenn 16 Seiten sind, Papier im Koalitionsausschuss nicht. Also, das Leben ist bunt und vielfältig und wenn ich jede Fallkonstellation, die privat entstehen kann, dort aufliste, dann sind wir in drei Jahren noch nicht mit dem Koalitionsausschuss fertig.«
Markus Feldenkirchen:
»Aber Sie hätten jetzt auch keine konkrete Antwort aktuell?«
Kevin Kühnert:
»Na ja, dann guckt man sich erst mal die Realbedingungen vor Ort an. Hängt jemand an dem Netz dran? Ja oder nein? Es gibt ja zum Beispiel auch die Konstellation: Eine Kommune baut ein kommunales Wärmenetz, wird damit aber erst 2028 fertig sein. Werde ich dann demjenigen sagen: »Nein, du darfst bis dahin nicht mehr fossil basiert heizen und muss dir jetzt eine Wärmepumpe einbauen.« Das wäre übrigens auch eine Verschwendung von öffentlichen Fördermitteln, die da stattfinden würde an der Stelle.«
Markus Feldenkirchen:
(Liest Tweet der Deutschen Umwelthilfe vor:) »Unfassbar! Koalitionsausschuss beschließt Attacke auf Klimaschutz. Ampel will jährlich verpflichtende Sektorziele und damit wirksame Pflichten abschaffen und versündigt sich an künftigen Generationen. Scholz zeigt sein wahres Gesicht als Klimakatastrophenkanzler.
Sie dürfen gleich Olaf Scholz in Schutz nehmen, Herr Kühnert. Aber was hat die Deutsche Umwelthilfe hier falsch verstanden?«
Katharina Dröge:
»Also der erste Eindruck, der entstanden ist, war, glaube ich, dass die Sektorziele grundsätzlich nicht mehr gelten. Das haben wir beide miteinander gerade noch mal erklärt, dass das nicht so ist. Jeder Sektor hat ein Ziel, was er erfüllen muss, aber die Sektoren können sich miteinander helfen. Dass die Umweltverbände da nicht happy sind, das ist sehr offensichtlich so, und das haben sie auch vorher schon gesagt. Und wir Grünen hätten uns da auch andere Regelungen vorstellen können. Wir mussten uns hier an der Stelle als Koalitionspartner aufeinander zubewegen.«
Christian Dürr, FDP:
»Ich mische mich nicht in die Diskussionen innerhalb der Grünen ein. Aber an einer Stelle mische ich mich ein, und zwar was die Deutsche Umwelthilfe betrifft und springe ausdrücklich Katharina Dröge bei und auch den Grünen an der Stelle. Ich habe das Gefühl, die Deutsche Umwelthilfe hat gar nichts verstanden. Ich habe das Gefühl, die haben keine Ahnung vom Klimaschutz. Herr Feldenkirchen, ich sage das in aller Deutlichkeit. Katharina Dröge sagte, dass sie in der Vergangenheit Wirtschaftspolitikerin war. Ich war in der Vergangenheit Klima- und Umweltpolitiker in der FDP, viele Jahre im niedersächsischen Landtag. Und eines habe ich gelernt: Wenn wir wirklich die Ziele erreichen, dann müssen wir uns an ökonomischen Grundsätzen ausrichten. Das heißt, ich mache Klimaschutz als Erstes dort, wo es günstiger ist und nicht, wo es am besten der Deutschen Umwelthilfe in den Kram passt. Also, ich bin wirklich entsetzt und erstaunt über das, was die Umweltverbände in den letzten 24 Stunden zum Besten gegeben haben und kann nur sagen, ich spreche den in Teilen die Kompetenz an der Stelle ab.«
Katharina Dröge:
»Sorry, aber das geht nicht!«
Christian Dürr:
»Das ist jetzt auch meine Auffassung. Da bin ich sehr, sehr hart...«
Katharina Dröge:
»Das möchte ich nur nicht für mich stehen lassen.«
Christian Dürr:
»...weil das, was dort teilweise erzählt worden ist, ist nicht wahr. Wir kümmern uns in dieser Koalition darum, dass die Ziele erreicht werden. Der Umwelthilfe scheint es zu reichen, dass sie auf dem Papier stehen. Das ist schönes Lametta. Wir wollen real Klimaschutzziele erreichen, und dafür steht auch die FDP. Das ist nicht allein die Verantwortung der Grünen.«
Markus Feldenkirchen:
»Jetzt wollte Herr Dürr ihnen eigentlich helfen, oder?«
Katharina Dröge:
»Ja, mit so einer Pauschalbeschimpfung der Umweltverbände hilfst du mir nicht wirklich an der Stelle.«
Christian Dürr:
»Es geht mir vor allem um die Deutsche Umwelthilfe an der Stelle. Ich fand diesen Tweet absurd.«
Katharina Dröge:
»Die Umweltverbände sind sehr daran interessiert, dass wir mehr Klimaschutz erreichen. Und der Punkt, da haben wir auch noch Hausaufgaben.«
Markus Feldenkirchen:
»Jens Spahn hat gestern eine Jamaika-Flagge getwittert, offenbar in der Hoffnung, dass es einen Wechsel geben könnte.«
Katharina Dröge:
»Falls es ein Angebot war, müssen wir das leider ausschlagen.«
Christian Dürr:
»Also nach den Äußerungen der Union jetzt der letzten zwölf Stunden bin ich überrascht. Die sagen jetzt ja sinngemäß, beim Klimaschutz sei irgendwas aufgegeben worden. Also ich bin wirklich überrascht über die Neupositionierung der Union offensichtlich weit links der Ampel, was interessant ist.«
Markus Feldenkirchen:
»Jamaika Hoffnung der Union denen können sie hier eine Absage erteilen?«
Christian Dürr:
»Wir sind gewählt, um das Land zu regieren. Und ehrlicherweise ja, wir sind drei unterschiedliche Parteien. Aber wissen Sie was? Ich habe auch Regierungserfahrung mit der Union sammeln dürfen zwischen 2009 und 2013. Und ich glaube, die Union muss noch wirklich ankommen in einer Zeit, wo ganz viele Reformen anstehen. Die sind unfassbar hart. Und ich habe das Gefühl, die machen es sich noch ein bisschen leicht, schreiben ein paar Programme auf, aber echtes Reform-Regierungshandeln. Da ist die Union zurzeit noch nicht so weit, sage ich vorsichtig.«
Markus Feldenkirchen:
»Herr Kühnert muss da einfach nur lachen.«
Katharina Dröge:
»Der hat ja auch kein Angebot gekriegt.«
Kevin Kühnert:
»Das stimmt. Wir haben kein Angebot gekriegt. Die Angebotsseite kann da auch nichts ausrichten, weil es gibt keine Nachfrage von uns.«