Christina Hebel

Lindner und die Krim Hätte er doch geschwiegen

FDP-Chef Lindner will den Status quo auf der Krim akzeptieren - und stellt Angebote an Russlands Präsident Putin in Aussicht. Ein fahrlässiges Signal.
Christian Lindner

Christian Lindner

Foto: picture alliance / Monika Skolim

In wenigen Wochen ist Bundestagswahl - da wird jedes Wort auf die Goldwaage gelegt. Das weiß auch FDP-Chef Christian Lindner, der dafür bekannt ist, seine Worte und deren Wirkung genau abzuwägen.

Deshalb ist davon auszugehen, dass Lindner das Wort "Tabu" bewusst in den Mund nahm, als er für einen russlandfreundlicheren Kurs warb - sorgt es doch für noch mehr Wirbel. "Sicherheit und Wohlstand in Europa hängen auch von den Beziehungen zu Moskau ab", erklärte der Liberale in einem Interview .

Und weiter: "Um ein Tabu auszusprechen: Ich befürchte, dass man die Krim zunächst als dauerhaftes Provisorium ansehen muss." Der Konflikt um die von Russland annektierte ukrainische Halbinsel müsse "eingekapselt" werden, um mit dem Kreml an anderer Stelle Fortschritte zu erzielen.

Natürlich griffen russische Staatsmedien diese Äußerungen gerne auf. "FDP-Vorsitzender Linder fordert Annäherung an Moskau", schreibt der Staatssender Russia Today und platziert gleich zu Beginn des Berichts ein noch befremdlicheres Zitat aus Lindners Interview: "Es muss Angebote geben, damit Putin ohne Gesichtsverlust seine Politik korrigieren kann."

Man kann das alles leichtfertig als Profilierungsversuch im Wahlkampf abtun, als gezielte Provokation eines Parteichefs, der die FDP unbedingt in den Bundestag zurückbringen will. Doch um welchen Preis?

Angebote an Putin, damit der sein Gesicht wahren kann? An den Kreml-Chef, der die Krim annektierte, was einen schweren Völkerrechtsbruch darstellt? Der bis heute die prorussischen Separatisten in der Ostukraine mit Waffen und Geld unterstützen lässt?

Der Kreml muss für Fortschritte sorgen

Im Donbass wird Tag für Tag geschossen, Menschen sterben. Gerade haben prorussische Separatisten in Donezk einen neuen Staat "Kleinrussland" ausgerufen. Ein Schritt, der vom Kreml zwar offiziell abgelehnt wurde. Eine Provokation aber, so lässt sich vermuten, die nicht ohne Absprache mit Moskau erfolgt sein dürfte.

Es ist am Kreml, für Fortschritte bei der Umsetzung des Minsker Abkommens zu sorgen - und damit für eine mögliche Abmilderung der Sanktionen wegen Russlands Unterstützung für die Separatisten im Donbass. Doch davon ist nichts zu erkennen.

Im Gegenteil: Russland scheint sich auch um Strafmaßnahmen wegen der völkerrechtswidrigen Krim-Annexion herzlich wenig zu scheren. Das zeigt die jüngste Affäre um die Siemens-Turbinen: Zwei davon sind trotz der Strafmaßnahmen auf der Schwarzmeerhalbinsel gelandet. Dort werden Elektrizitätswerke gebaut, die für mehr Energieunabhängigkeit von der Ukraine sorgen sollen. Dabei spielte dem Kreml in die Hände, dass die russische Realität in der deutschen Wirtschaft großzügig ausgeblendet wurde.

Falsches Zeichen zum falschen Zeitpunkt

Allein dieser Fall sollte Lindner vor Augen geführt haben, dass Putins Wort, sich an Verträge zu halten, nichts zählt. Ihm nun Entgegenkommen bei den Sanktionen zu signalisieren, ist nicht nur das falsche Zeichen zum völlig falschen Zeitpunkt, es ist auch fahrlässig und schadet der westlichen Verhandlungsposition. Es verkennt vor allem, wer für die Verletzung der Grenzen und den Krieg in der Ostukraine maßgeblich verantwortlich ist: Putin.

Der russische Präsident kann sich inzwischen begründete Hoffnung machen, dass die Einigkeit des Westens in der Sanktionspolitik langfristig bröckeln könnte. Lindners Vorstoß wird ihn darin nur bekräftigen.

Der FDP-Chef rechtfertigt seine Äußerungen damit, dass nun immerhin über die Krim gesprochen werde, über die angeblich so lange geschwiegen wurde. Hätte lieber er geschwiegen.

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