Roland Nelles

Kommentar zu Wulffs Buch Die Welt des Christian W.

Schuld? Die Anderen! Die Attacken von Expräsident Wulff gegen Medien und Justiz sind aus seiner Sicht verständlich. Das ändert aber nichts daran: Der Rücktritt war notwendig.
Kommentar zu Wulffs Buch: Die Welt des Christian W.

Kommentar zu Wulffs Buch: Die Welt des Christian W.

Foto: JOHN MACDOUGALL/ AFP

Meine Güte, möchte man denken, wie viele Bücher und sonstige Erzählungen werden der Causa Wulff denn in diesem Leben noch gewidmet? Erst hielt es Expräsidentengattin Bettina für dringend erforderlich, sich in einem eigenen Büchlein ans Lesevolk zu wenden. Dann gab es Abhandlungen über die Medien, die sich in der Angelegenheit angeblich völlig daneben benommen hätten. Nun folgt er höchstselbst.

Es ist verständlich, dass Christian Wulff nach seinem Freispruch vor Gericht das Bedürfnis hat, noch einmal seine Sicht der Affäre in einem Buch (hier sind die wichtigsten Passagen zusammengefasst) darzustellen. Das ist menschlich. Er und seine Familie mussten viel aushalten. Auch über ein weiteres Thema, das er in seinem Buch anreißt, muss geredet werden: Wie gehen Medien, wie geht die Gesellschaft mit ihren Politikern um? Wo hört kritische Berichterstattung und Recherche auf, wo beginnen Häme und Verfolgung?

Doch im Kern zeigt Wulffs Werk vor allem: Er hat immer noch nicht verstanden, dass sein Rücktritt letztlich notwendig war. Alle Bücher und neuen "Abrechnungen" ändern nichts daran - Wulff hat ein politisches Spiel gespielt - und verloren. Deshalb musste er gehen. Christian Wulff hat an andere - nicht zuletzt an den früheren Bundespräsidenten Johannes Rau - höchste moralische Maßstäbe angelegt - und diesen letztlich selbst nicht genügt.

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Buchveröffentlichung: Wulff zurück im Rampenlicht

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Ein Mann, der sich in öffentlichen Ämtern derart häufig von reichen Freunden einladen lässt, der die ganze Wahrheit über den Hauskredit eines Unternehmers nur scheibchenweise preisgibt und dann einem Chefredakteur droht, höhlt mit diesem Verhalten die moralische Autorität aus, die das ausschließlich repräsentative Amt des Bundespräsidenten so dringend benötigt. Er kann nicht mehr mit der notwendigen Glaubwürdigkeit über Werte wie Ehrlichkeit und Unabhängigkeit sprechen.

Ein Zufall, aber ausgerechnet am Dienstag, als Wulff sein Buch präsentierte, hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die besondere Rolle des Präsidenten nochmals betont: "Autorität und Würde seines Amtes" kämen "gerade auch dadurch zum Ausdruck, dass es auf vor allem geistig-moralische Wirkung angelegt ist", urteilten die Richter.

Das bedeutet aber eben auch: Der Bundespräsident muss Maßstab sein für das, was für Amtsträger in einer Demokratie richtig und was falsch ist, auch jenseits der Buchstaben des Gesetzes. Sein Handeln sollte eindeutig am Interesse der Allgemeinheit orientiert sein - und an nichts anderem.

Das gilt im Fall Wulff. Und das wird auch für seine Nachfolger gelten.

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