Rückhalt verloren Christine Lambrecht tritt als Verteidigungsministerin zurück

Christine Lambrecht: Rückzug als Ministerin
Foto:John Macdougall / AFP
Im Bundeskabinett ist ein Posten neu zu besetzen. Christine Lambrecht hat in einer schriftlichen Erklärung ihren Rückzug vom Amt der Verteidigungsministerin bekannt gegeben. Sie habe Bundeskanzler Olaf Scholz um die Entlassung gebeten, heißt es in der Mitteilung. Der Schritt hatte sich in den vergangenen Tagen angekündigt.
»Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu«, heißt es in der Erklärung. Die wertvolle Arbeit der Soldatinnen und Soldaten und der vielen motivierten Menschen im Geschäftsbereich müsse im Vordergrund stehen. »Ich habe mich deshalb entschieden, mein Amt zur Verfügung zu stellen.«
Die SPD-Politikerin galt als Verteidigungsministerin als nicht mehr tragbar, nachdem sie sich in ihrer Amtszeit eine Reihe von Pannen geleistet und mit ihrem Amt gefremdelt hatte. Zuletzt hatte ein Silvestervideo Befremden ausgelöst. Danach waren Rücktrittsforderungen laut geworden. Auch im Ministerium hatte Lambrecht den Rückhalt verloren.
Scholz respektiere die Entscheidung und die gute Arbeit, die Lambrecht in dieser herausfordernden Zeit geleistet habe, sagte eine Regierungssprecherin bei einer Pressekonferenz in Berlin. Scholz werde Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeitnah einen Vorschlag für die Nachfolge machen.
Nach SPIEGEL-Informationen wird aber am Montag voraussichtlich noch nicht verkündet, wer Lambrecht nachfolgt. Demnach wird sich Scholz bei einem Besuch beim Rüstungselektronik-Hersteller Hensoldt in Ulm zwar über Lambrecht äußern, die Nachbesetzung im Verteidigungsministerium aber offen lassen.
Es kursieren mehrere Namen: Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt, die Wehrbeauftragte Eva Högl, Sozialminister Hubertus Heil, Lambrechts Parlamentarische Staatssekretärin Siemtje Möller und SPD-Chef Lars Klingbeil.
Je nach Auswahl einer Nachfolgerin oder eines Nachfolgers würde eventuell eine weitere Kabinettsumbildung notwendig. Scholz hatte zu Beginn seiner Kanzlerschaft ein paritätisch aufgestelltes Kabinett angekündigt. Da nun mit Lambrecht eine Frau ausscheidet, müsste demnach eine Frau nachrücken.
Grünen-Parteichef Omid Nouripour hat bereits angemahnt, dass auch nach Lambrechts Rücktritt die Parität im Bundeskabinett gewahrt werden muss. »Es gibt ein Gesamtversprechen der Parität im Kabinett«, sagte Nouripour den Sendern RTL und n-tv. »Und wir als Grüne sind der Meinung, dass Parität immer wichtig ist.«
Auf Lambrechts Nachfolgerin oder Nachfolger warten gewaltige Aufgaben. Der Zustand der Truppe ist miserabel, zudem drängt angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine der Umbau der Truppe (mehr dazu lesen Sie hier im aktuellen SPIEGEL-Titel ). Das Verteidigungsministerium gilt zudem als sehr veränderungsresistent.
Eine rasche Lösung ist auch deshalb wichtig, weil sich am Freitag die westlichen Verbündeten im sogenannten Ramstein-Format treffen, um über weitere Waffenlieferungen für die Ukraine zu beraten. Bei dem Treffen auf der US-Militärbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz wird es auch um die mögliche Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine gehen. Großbritannien hat diesen Schritt bereits angekündigt.
Scholz hat bislang aber offen gelassen, ob Deutschland Leopard-2-Panzer an die Ukraine liefern wird oder die Zustimmung dafür gibt, dass andere EU- oder Nato-Staaten ihrerseits Leopard-Panzer in die Ukraine senden könnten.
Lambrecht ist nach Anne Spiegel (Grüne) das zweite Kabinettsmitglied, das in der Regierung Scholz seinen Rücktritt erklärt. Spiegel war im vergangenen April aus dem Amt der Familienministerin ausgeschieden.