Waffenlieferungen an die Ukraine Merkels Ex-Außenpolitik-Berater Heusgen kritisiert deutsche Zurückhaltung

Christoph Heusgen wirft der Bundesregierung vor, bei der Frage von Waffenlieferungen in Krisengebiete mit zweierlei Maß zu messen. Immerhin schicke man auch U-Boote nach Israel.
Christoph Heusgen: »Wenn russische Truppen in die Ukraine einmarschieren, kann man Nord Stream 2 nicht einfach so weiterlaufen lassen«

Christoph Heusgen: »Wenn russische Truppen in die Ukraine einmarschieren, kann man Nord Stream 2 nicht einfach so weiterlaufen lassen«

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Ralf Hirschberger / dpa

Der künftige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, hat die Bundesregierung für ihre Haltung zu Waffenlieferungen an die Ukraine kritisiert. Heusgen sagte der »Rheinischen Post« und dem Bonner »General-Anzeiger«, die Bundesregierung mache es sich mit ihrem Nein unter Verweis auf die deutschen Rüstungskontrollregeln zu einfach.

Einerseits sei Deutschland aufgrund der eigenen Geschichte bei Waffenlieferungen in Spannungsgebiete sehr zurückhaltend. »Gleichzeitig exportieren wir ebenfalls mit dem Verweis auf unsere Geschichte modernste U-Boote nach Israel.« Die Frage werde jetzt »zu Recht« gestellt, ob nicht Deutschland aus dem gleichen Grund auch Waffen in die Ukraine liefern sollte. Heusgen erinnerte dabei an die »bestialische« Ermordung von über 30.000 jüdischen Ukrainern 1941 in Babyn Jar durch die Wehrmacht und andere deutsche Sicherheitskräfte.

Bei russischem Einmarsch »kann man Nord Stream 2 nicht einfach so weiterlaufen lassen«

Der frühere außenpolitische Berater der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel plädierte zudem dafür, die umstrittene deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 im Falle eines russischen Angriffs auf die Ukraine auf Eis zu legen. »Wenn russische Truppen in die Ukraine einmarschieren, kann man Nord Stream 2 nicht einfach so weiterlaufen lassen und in Betrieb nehmen, als wäre nichts passiert.«

Nach wochenlangen diplomatischen Verhandlungen sieht der ehemalige deutsche Botschafter bei der Uno mittlerweile erste Anzeichen einer Entspannung. »Aus Russland kommen etwas weniger aggressive Töne«, sagte er den Zeitungen. Die Gefahr sei aber noch nicht gebannt, da Russland seine Truppen noch nicht von der ukrainischen Grenze abgezogen habe.

Es sei deshalb weiterhin wichtig, dass Nato und EU Geschlossenheit zeigen. »Geschlossenheit ist ein starkes Mittel, um Russland zu beeindrucken.« Die »Methode« des russischen Präsidenten Wladimir Putin »war und ist es ja immer wieder, zu versuchen zu spalten: zwischen Europa und den USA und innerhalb der Europäischen Union«.

Am Wochenende hatte auch der aktuelle Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, das zurückhaltende Agieren der Bundesregierung im Ukrainekonflikt kritisiert. Er sorge sich um Deutschlands Ansehen. »Ungeschicklichkeiten« hätten dafür gesorgt, dass Berlin »in einem miesen, schlechten Licht« dastehe, sagte Wolfgang Ischinger.

SPD trifft sich am Montag zu Beratungen

SPD-Chef Lars Klingbeil hat die Haltung seiner Partei und von Bundeskanzler Olaf Scholz im Ukrainekonflikt wiederholt verteidigt. »Die Eskalation geht von Russland aus. Wir sind völlig klar, dass alle Optionen auf dem Tisch liegen. Aber wir sind eben auch klar darin, dass es jetzt darum geht, Frieden zu organisieren«, sagte Klingbeil am Montag im ARD-Morgenmagazin.

Auf Einladung von Klingbeil kommen am Montag führende Politiker der Partei zu vertraulichen Beratungen über die Ukraine-Krise zusammen. Eine anschließende Information der Öffentlichkeit über Verlauf oder Ergebnisse der Beratungen ist nicht geplant.

Angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarschs in der Nähe der Ukraine wird im Westen befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch in das Nachbarland plant – was Moskau dementiert. Für möglich wird auch gehalten, dass nur Ängste geschürt werden sollen, um die Nato-Staaten zu Zugeständnissen bei Forderungen nach neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen. Russlands will, dass die Nato auf eine weitere Osterweiterung verzichtet und ihre Streitkräfte aus östlichen Bündnisstaaten abzieht. Die Nato lehnt dies ab.

svs/AFP/dpa
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