Datenbank PX CIA und deutsche Dienste betrieben jahrelang Geheimprojekt

Deutsche Nachrichtendienste und die CIA haben nach SPIEGEL-Informationen jahrelang eine geheime Anti-Terror-Einheit mit dem Namen "Projekt 6" in Neuss betrieben. Herzstück war die gemeinsame Datenbank PX. Im Jahr 2010 geriet ein deutscher Journalist in den Fokus.
Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln: "Projekt 6" ohne Kontrolle?

Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln: "Projekt 6" ohne Kontrolle?

Foto: Marius Becker/ dpa

Berlin - Der Bundesnachrichtendienst und das Bundesamt für Verfassungsschutz haben über Jahre ein gemeinsames Projekt mit dem US-Geheimdienst CIA betrieben. Herzstück der Operation mit dem Namen "Projekt 6" oder kurz "P6" war nach SPIEGEL-Informationen eine Datenbank, in die Dienste Daten von mutmaßlichen Dschihadisten und Terrorunterstützern eingaben. Zweck der geheimen Kooperation war es, das Umfeld dieser Islamisten aufzuklären. Zudem sollten so Informationen über Menschen aus dem islamistischen Milieu gesammelt werden, um sie als Informanten werben zu können.

Allerdings geriet so auch ein deutscher Journalist in den Fokus der Geheimdienste. Eine als geheim eingestufte amerikanische Anfrage an das "Projekt 6" nennt Passnummer, Geburtsdatum und Namen des NDR-Journalisten Stefan Buchen. Dieser habe sich auf "investigativen Journalismus" spezialisiert und möglicherweise einen islamistischen Prediger im Jemen angerufen. Außerdem habe Buchen mehrfach Afghanistan besucht, schrieb der US-Geheimdienst CIA.

Für die Einheit "Projekt 6" mieteten die drei Geheimdienste ab 2005 Räumlichkeiten in der Innenstadt von Neuss an. Später zog die Gruppe in die Zentrale des Bundesamts für Verfassungsschutz in Köln um. Der BND bestätigte die Existenz der Einheit "Projekt 6" sowie der Datenbank mit dem Namen "PX", die Kooperation sei jedoch 2010 beendet worden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz lehnte ein Stellungnahme zu Einzelfällen der internationalen Zusammenarbeit ab, versicherte aber, "ausschließlich auf Grundlage der deutschen Rechtsbestimmungen" tätig geworden zu sein.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar, den der SPIEGEL mit den Grundzügen des Projekts konfrontierte, kritisierte die offenkundig mangelnde Transparenz: "Mir ist eine solche Datenbank nicht bekannt und auch nicht im Rahmen einer Dateianordnung gemeldet worden", sagte Deutschlands oberster Datenschützer. Ein Konstrukt wie P6 ist nach Schaars Ansicht "mindestens vergleichbar mit der Anti-Terror-Datei" - einer Datensammlung über verdächtige Terrorstrukturen, auf die Dutzende deutsche Behörden seit 2007 Zugriff haben. "Wer ein solches Projekt betreibt, müsste auf jeden Fall gewährleisten, dass sämtliche Aktivitäten vollständig protokolliert werden und einer datenschutzrechtlichen Kontrolle unterworfen sind", sagte Schaar.

Auch die Grünen reagieren empört auf die neuen SPIEGEL-Enthüllungen. Der innenpolitische Sprecher der der Grünen-Bundestagsfraktion, Konstantin von Notz, sagte: "Die Bundesregierung hat stets vernebelt und so getan, als sei sie in keinster Weise involviert. Die nötige Aufklärung hat sie boykottiert. Nun wird zunehmend klarer warum: Deutsche und amerikanischen Geheimdiensten kooperieren offenbar eng."

Das bekanntgewordene "Projekt 6" sei dafür nur ein Beleg. Geheimdaten über Bürgerinnen und Bürger dieses Lande zu führen und mit Geheimdiensten anderer Länder auszutauschen, sei zudem ein offener Verstoß gegen "zahlreiche nach dem Grundgesetz gesicherte Prinzipien unseres Rechtsstaates", so von Notz.

Die "gezielt betriebene Ausschaltung" des Bundesdatenschutzbeauftragten hält von Notz für skandalös. "Ein Innen- und Verfassungsminister, der so etwas duldet ist überflüssig."

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