Comeback-Gerüchte Voigts Machtspiele erschüttern die NPD

NPD-Politiker Voigt (r.), Apfel (Archivbild): Der Ex-Chef mischt wieder kräftig mit
Foto: Ralf Hirschberger/ picture-alliance/ dpaHamburg - Udo Voigt sitzt im Auto und ist bestens gelaunt, als ihn der Anruf von SPIEGEL ONLINE erreicht. Er hat guten Grund dazu: Der 60-Jährige ist derzeit ein gefragter Mann in der NPD. Lange Jahre war er Parteichef, bis zum Sturz im November 2011. Voigt formuliert das anders. Seine Partei habe ihn in den "Zwangsurlaub" geschickt. Nach anderthalb Jahren seien seine Akkus nun wieder aufgeladen, sagt er. "Jetzt habe ich Zeit, mich zu kümmern." Er ist genau der starke Mann, nach dem sich manche in der NPD sehnen.
Es klingt wie eine Kampfansage an Holger Apfel, seinen Nachfolger an der Spitze der Rechtsextremen. Im ganzen Land formieren sich derzeit "Freundeskreise" zur Unterstützung des früheren Parteichefs. 15 solcher Gruppen gibt es nach eigenen Angaben bisher, bis zu 50 sollen es laut Voigt werden.
Die Forderungen sind deutlich, wie ein Auszug der Kommentare auf der Internetseite eines solchen Freundeskreises belegt: "Es wird Zeit, dass UNSER UDO wieder das Steuer in die Hand nimmt", jubelt ein Nutzer; "Weiter so! Er ist der Sympathieträger der nationalpatriotischen Kräfte in Deutschland", führt ein anderer aus; Den ganz großen Wurf vermutet ein dritter Unterstützer: "Er will alle Nationalen vereinigen." Sie alle setzen ihre Hoffnung in: Udo Voigt. Diese Aussagen - wie auch die Existenz der Gruppen selbst - sind ein Indiz für den Machtkampf bei den Ultrarechten.
Mit offenem Visier tritt Voigt jedoch nicht an. "Ich will die NPD nicht spalten, nach 45 Jahren Parteiarbeit, Nachteilen im Beruf, Verzicht auf manch eine Liebe, manch eine Initiative", beteuert er. Von einem Machtkampf könne keine Rede sein. Stattdessen wolle er "Vorfeldarbeit für die Partei leisten", aber auch "Druck auf die Führung machen, damit sie endlich handelt".
"Wie Kaninchen vor der Schlange"
Doch dann schwenkt er wieder um, attackiert den aktuellen Parteichef Apfel und dessen Funktionäre scharf: "Der derzeitige Zustand der NPD ist eine Katastrophe, und es gibt keinerlei Initiative, das zu ändern. Stattdessen starrt die Parteiführung auf das Verbotsverfahren - wie ein Kaninchen auf die Schlange." Wie ein treuer Parteisoldat klingt das nicht. Und weiter: "Viele junge Mitglieder sehen keine Perspektive mehr. Apfel hat nun anderthalb Jahre Zeit gehabt zu zeigen, was er der Begriff seriöse Radikalität ist, doch es ist nichts gekommen."
Da ist er, der Reizbegriff, der bei vielen Rechten für Frust sorgt. Mit "seriöser Radikalität" war Apfel 2011 in Neuruppin angetreten, um die NPD aus der Nische zu führen. Radikale Ideen sollten sympathisch in die Bevölkerung getragen werden, so Apfels Plan. Das neue, nette Image sollte sich möglichst rasch in Wahlerfolgen niederschlagen. Man wolle die "Herzen der Landsleute erobern", schrieb Apfel in der "Deutschen Stimme", dem Zentralorgan der NPD.
Danach sieht es aktuell nicht aus. 0,8 Prozent holte die NPD jüngst in Niedersachsen. Das Ergebnis ist nicht nur eine Blamage, sondern für die Partei auch empfindlich teuer. Weil sie unter einem Prozent blieb, hat sie keinen Anspruch mehr auf Unterstützung aus der Staatskasse. Dabei steckt die Partei in schwersten Finanznöten und kann jeden Euro brauchen.
Spätestens seitdem ist die Stimmung gegen Apfel zumindest am rechten Rand der Ultrarechten öffentlich feindselig. Voigt lästerte auf seiner Facebook-Seite, die "vielgepriesene 'seriöse Radikalität' habe wieder Federn lassen müssen".
NPD ignoriert angestrengt alle Gerüchte
Das sieht auch der Verfassungsschutz in Sachsen so: "Mit dem Freundeskreis sollen die Kräfte in und außerhalb der NPD gebündelt werden, die sich gegen den derzeitigen Bundesvorsitzenden Holger Apfel und den Kurs der 'seriösen Radikalität' positioniert haben", heißt es in einer Erklärung. Es bahne sich ein neuer Machtkampf in der NPD an. Dieser Meinung ist auch Neonazi Christian Worch, der zurzeit die rechtsextreme Partei Die Rechte, auch mit Unterstützung ehemaliger NPDler, aufbaut: Es gehe darum, wer künftig das Sagen in der NPD habe - die Machtfrage.
Die Partei gibt sich trotz der brisanten Entwicklung demonstrativ unaufgeregt. Sprecher Frank Franz tut die Mobilmachung der Voigt-Sympathisanten als "parteiunabhängige Initiative" ab. Von Konkurrenz könne keine Rede sein. Apfel selbst gibt sich wortkarg, per E-Mail lässt er erklären: "Das Parteipräsidium hat sich mit der Gründung der 'Freundeskreise Udo Voigt' beschäftigt. Wir hätten es begrüßt, wenn Udo Voigt sich vor Gründung der Freundeskreise mit uns besprochen hätte." Dann schickt Parteivize Udo Pastörs noch eine deutliche Warnung mit: "Herr Voigt muss aufpassen, dass er durch die Aktion nicht benutzt wird, die Dinge außer Kontrolle geraten, er nicht mehr Herr der Lage ist." Voigt sagt, er habe seine Initiative einen Tag vor Start per Mail angekündigt, bis heute habe Apfel nicht geantwortet.
Verfassungsschützer sind alarmiert
Für den Verfassungsschutz ist die Entwicklung in der NPD durchaus problematisch. Unter Voigt hatte sich die rechtsextreme Partei zunehmend für radikale Kräfte geöffnet. Das könnte sich nun wiederholen. Anzeichen gibt es bereits. Einer der ersten Freundeskreise für Voigt formierte sich im sächsischen Reichenbach - und unterhält Verbindungen zur Nazi-Kameradschaft Revolutionäre Nationale Jugend (RNJ) Vogtland.
Die Verfassungswächter in Sachsen warnen: "Ehemalige Weggefährten sehen in Voigt ein einigendes Symbol, da unter seiner Führung auch jene 'ewiggestrigen' Hardliner toleriert wurden, welche jetzt aus der Partei herausgetrieben werden".
Dem will Voigt selbst kaum widersprechen. "Wir müssen etwas tun für diejenigen, die in der NPD keine Heimat mehr finden, die jungen Kameraden sammeln, die scharenweise die Partei verlassen. Die NPD hört einfach nicht mehr zu."