"Compact"- Treffen in Leipzig Skinheads und biedere Ehepaare

Pegidisten, Burschenschaftler, Rechtsextreme - auf einer "Compact"-Veranstaltung treffen sich Radikale in bürgerlichen Anzügen. Viele treibt eine Sorge um: Die AfD könnte sich an das Establishment anpassen.
Björn Höcke in Leipzig

Björn Höcke in Leipzig

Foto: Madeleine Janssen

Die Ur-Pegidisten sehen ihre Stunde gekommen, als Björn Höcke in Leipzig die Bühne betritt. Auf einem Treffen des rechtskonservativen "Compact"-Magazins schlägt ihm Jubel entgegen. Seine Vision für die Alternative für Deutschland im Bundestag? "Die AfD muss eine Bewegungspartei sein und bleiben", ruft er, "sonst hat sie keine Zukunft."

Der rechte Flügel der Partei rückt sichtbar mit Gruppen wie Pegida, rechten Gewerkschaften und den Rechtsextremen der "Identitären Bewegung" zusammen. Sich zu vernetzen, das sieht man auf den Fluren und in kleinen Grüppchen, ist Zweck der Veranstaltung des Magazins, das Stimmung macht gegen Fremde, Kanzlerin Angela Merkel dämonisiert und den Kreml feiert.

Das kommt auch bei islamfeindlichen Pegidisten gut an. Zwei, die von Beginn an bei den Protestzügen in Dresden dabei sind, sitzen nun im Publikum. In diesem Text sollen sie Sabine und Günter heißen. "Da kommen immer noch 4000, 5000 Leute", behaupten sie. Nach offiziellen Angaben sind es eher 1200 bis 2500. Dresden hat sich mit ihnen arrangiert - und ihre Wirkung ist bescheiden. In der Stadt würden sie als die "Obernazis" gelten, sagt Sabine. Mit der AfD im Bundestag erhoffen sie sich mehr Anerkennung.

Das "Compact"-Treffen greift die Euphorie der rechten Szene über den Erfolg der AfD bei der Bundestagswahl auf. Rund 500 Teilnehmer sind gekommen, darunter Burschenschafter mit Schmiss, rechtskonservative Gewerkschafter, Skinheads und bieder wirkende Ehepaare wie Sabine und Günter. Sie haben 40 Euro Eintritt gezahlt, um im "Eventpalast" an der Alten Messe dabei zu sein, den die Veranstalter zum Ärger der Verpächterin unter einem Vorwand gemietet hatten. Nicht weit entfernt davon demonstrieren einige hundert Menschen gegen die "Compact"-Veranstaltung. Die Demonstranten zogen im strömenden Regen vom Hauptbahnhof zur Alten Messe.

AfD als "Anwalt der kleinen Leute"

Im "Eventpalast" treibt viele Höcke-Anhänger die Sorge um den künftigen Kurs der AfD um. Am Rande der Veranstaltung hört man Menschen, die befürchten, dass die AfD sich dem verhassten Establishment anpasst oder an der Fraktionsarbeit scheitert.

Anlass für Höcke, vor "taktieren" und Streit über "Detailfragen" zu warnen. Die AfD müsse gegen die "Herrschenden" vorgehen, statt sich über den Kampf "links gegen rechts" zu definieren. Er spottet über die geplatzten Jamaika-Sondierungen und verspricht ein noch besseres AfD-Ergebnis, falls es zu Neuwahlen kommt. Die Partei wolle sich als Anwalt der "kleinen Leute" herausputzen. Die Linke, ruft Höcke, habe diese Menschen verraten. "Derer nehmen wir uns an und verteidigen sie gegen den Raubtierkapitalismus."

Dafür bekommt er Standing Ovations, die Zuhörer rufen "Höcke, Höcke". Zuspruch, den er längst nicht überall bekommt. Gerade erst hatte eine Aktion des Zentrums für Politische Schönheit für Aufsehen gesorgt. Die Aktivisten hatten Höcke monatelang heimlich beobachtet und vor fünf Tagen eine kleine Version des Berliner Holocaust-Mahnmals in Sichtweite vor seinem Haus im thüringischen Bornhagen platziert - ein Denkzettel für Höcke, der das Original in Berlin als "Denkmal der Schande" bezeichnet hatte. Inzwischen wurde die Aktion vorläufig unterbrochen.

Eine Steilvorlage für Höcke, um das empörte Opfer zu spielen. Bei seiner Rede in Leipzig verweist er auf seine Ehefrau und die vier Kinder und bezeichnet die Urheber der Aktion als "Terroristen".

"Bürgerliche Politik" mit einer Prise Radikalität

Pegida-Gründer Lutz Bachmann und der Österreicher Martin Sellner trommeln später noch für eine "außerparlamentarische Bewegung". Bachmann will Pegida stärken, wieder mehr Menschen auf die Straßen ziehen. Sellner ist ein führender Kopf bei der "Identitären Bewegung", die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Er charterte im Sommer zusammen mit anderen Aktivisten ein Schiff im Mittelmeer, um Migranten von der Reise nach Europa abzuhalten.

Sellner verspricht den AfD-Anhängern "österreichische Verhältnisse". Die Koalitionsbildung unter ÖVP-Chef Sebastian Kurz steht noch aus, aber demnächst dürfte ein rechtes Bündnis in Wien regieren. "Bürgerliche Politik" mit einer Prise Radikalität, das ist Sellners Tipp für die AfD. "Kurz hat nicht gegen die FPÖ gewonnen, sondern mit ihr", sagt Sellner, dessen "Identitäre" mit der FPÖ verbandelt sind. "Kurz ist der Küchenchef, aber er kocht nach unseren Rezepten." Er prophezeit: "Das könnt ihr hier auch haben."

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