SPIEGEL-Umfrage Mehrheit hält Corona-Lockdown für angemessen

Polizeipatrouille auf dem Tempelhofer Feld: Auch in Berlin gelten strenge Ausgangsbeschränkungen
Foto: Adam Berry/ Getty ImagesWann ist es endlich vorbei? Diese Frage stellen sich wohl die meisten Menschen mit Blick auf die Corona-Pandemie. Die Gegenmaßnahmen vieler Regierungen im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus werden zunehmend zur Belastung.
In Deutschland ist das öffentliche Leben weitgehend zum Erliegen gekommen, bundesweit gelten umfangreiche Kontaktbeschränkungen - bis nach Ostern. Längst hat die Exit-Debatte begonnen: Wann können die strengen Ausgangsregeln wieder gelockert werden, wann können Unternehmen aufatmen?
Dennoch: Eine Mehrheit der Deutschen findet die Maßnahmen auch nach zehn Tagen völlig angemessen. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage hervor, die das Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag des SPIEGEL durchgeführt hat.
Auf die Frage "Wie beurteilen Sie die Maßnahmen der Politik zur Bekämpfung der Corona-Pandemie?" antworteten gut 56 Prozent der Befragten, dass sie die Regeln für angemessen hielten. 29 Prozent bezeichneten die Maßnahmen sogar als "eher nicht ausreichend" oder "eindeutig nicht ausreichend". Nur knapp 15 Prozent waren der Meinung, dass die Reaktion der deutschen Politik auf die Corona-Epidemie "eher übertrieben" oder "eindeutig übertrieben" sei.
Für die Ergebnisse wurden die Antworten von 10.010 Befragten im Zeitraum vom 26. März 2020 bis zum 2. April berücksichtigt. Der statistische Fehler lag bei 2,5 Prozentpunkten.
Ein Blick auf die Antworten im Zeitverlauf zeigt, dass viele Menschen ihre Meinung in den zurückliegenden Tagen geändert haben. Gab es vor zwei Wochen mit rund 48 Prozent noch mehr Kritiker, die die Maßnahmen der Regierung als unzureichend empfanden, hat sich deren Anteil inzwischen auf 29 Prozent gesenkt. Dafür stieg die Zahl derjenigen, die mit der aktuellen Strategie von Bund und Ländern zufrieden sind, von 42 Prozent auf gut 56 Prozent. Ihre Hoffnung dürfte sein, dass sich dank der Maßnahmen die Kurve der Neuinfektionen nachhaltig abflachen lässt.
Gleichzeitig gibt es mehr Bürger, denen die Corona-Maßnahmen zu umfangreich sind: Der Anteil stieg von elf Prozent auf knapp 15 Prozent. Die Aussicht auf wochen- oder gar monatelange Einschränkungen von Wirtschaft und Sozialleben wird also in der Tendenz zunehmend kritisch wahrgenommen, vor allem aber geht die Bereitschaft zurück, noch strengere Regeln in Kauf zu nehmen.
Für die Auswertung im Zeitverlauf wurden die Antwortkategorien "eher übertrieben" und "eindeutig übertrieben" sowie "eher nicht ausreichend" und "eindeutig nicht ausreichend" zusammengefasst. Bei jeder Stichprobe aus der fortlaufenden Umfrage wurden die Antworten von mindestens 10.000 Befragten aus jeweils sieben Tagen berücksichtigt.
Dabei fällt besonders der Unterschied vor und nach dem 22. März auf: Das war der Sonntag, an dem sich Bund und Länder auf die umfangreichen Kontaktbeschränkungen in ganz Deutschland einigten. Die Maßnahmen wurden erst am Mittwoch verlängert und sollen nun mindestens bis zum 19. April gelten.
Die viel diskutierte Mundschutzpflicht gehört bislang aber nicht dazu, die Stadt Jena war damit am Dienstag vorgeprescht (der SPIEGEL hat sich in 16 Kommunen umgehört, ob sie folgen wollen - das Ergebnis lesen Sie hier).
Das Meinungsforschungsinstitut Civey arbeitet mit einem mehrstufigen vollautomatisierten Verfahren. Alle repräsentativen Echtzeitumfragen werden in einem deutschlandweiten Netzwerk aus mehr als 20.000 Websites ausgespielt ("Riversampling"), es werden also nicht nur Nutzer des SPIEGEL befragt. Jeder kann online an den Befragungen teilnehmen und wird mit seinen Antworten im repräsentativen Ergebnis berücksichtigt, sofern er sich registriert hat. Aus diesen Nutzern zieht Civey eine quotierte Stichprobe, die sicherstellt, dass sie beispielsweise in den Merkmalen Alter, Geschlecht und Bevölkerungsdichte der Grundgesamtheit entspricht. In einem dritten Schritt werden die Ergebnisse schließlich nach weiteren soziodemografischen Faktoren und Wertehaltungen der Abstimmenden gewichtet, um Verzerrungen zu korrigieren und Manipulationen zu verhindern. Weitere Informationen hierzu finden Sie auch in den Civey FAQ.
Warum ist eine Registrierung nötig?
Die Registrierung hilft dabei, die Antworten zu gewichten, und ermöglicht so ein Ergebnis für die Umfragen, das für die Wahlbevölkerung in Deutschland repräsentativ ist. Jeder Teilnehmer wird dabei nach seinem Geschlecht, Geburtsjahr und Wohnort gefragt. Danach kann jeder seine Meinung auch in weiteren Umfragen zu unterschiedlichen Themen abgeben.
Wie werden die Ergebnisse repräsentativ?
Die Antwort jedes Teilnehmers wird so gewichtet, dass das Resultat einer Umfrage für die Grundgesamtheit repräsentativ ist. Bei der Sonntagsfrage und beim Regierungsmonitor umfasst diese Grundgesamtheit die wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland. Die Gewichtung geschieht vollautomatisiert auf Basis der persönlichen Angaben bei der Registrierung sowie der Historie früherer Antworten eines Nutzers. Weitere Details zur Methodik stehen im Civey-Whitepaper.
Erreicht man online überhaupt genügend Teilnehmer?
Meinungsumfragen werden in der Regel telefonisch oder online durchgeführt. Für die Aussagekraft der Ergebnisse ist entscheidend, wie viele Menschen erreicht werden können und wie viele sich tatsächlich an einer Umfrage beteiligen, wenn sie angesprochen werden. Internetanschlüsse und Festnetzanschlüsse sind in Deutschland derzeit etwa gleich weit verbreitet - bei jeweils rund 90 Prozent der Haushalte, Mobiltelefone bei sogar 95 Prozent. Die Teilnahmebereitschaft liegt bei allen Methoden im einstelligen Prozentbereich, besonders niedrig schätzen Experten sie für Telefonumfragen ein.
Es gibt also bei beiden Methoden eine Gruppe von Personen, die nicht erreicht werden kann, weil sie entweder keinen Anschluss an das jeweilige Netz hat oder sich nicht an der Umfrage beteiligen möchte. Deshalb müssen für ein aussagekräftiges Ergebnis immer sehr viele Menschen angesprochen werden. Civey-Umfragen sind derzeit neben dem SPIEGEL in mehr als 20.000 andere Webseiten eingebunden, darunter auch unterschiedliche Medien. So wird gewährleistet, dass möglichst alle Bevölkerungsgruppen gut erreicht werden können.
Woran erkenne ich die Güte eines Ergebnisses?
Bis das Ergebnis einer Umfrage repräsentativ wird, müssen ausreichend viele unterschiedliche Menschen daran teilnehmen. Ob das bereits gelungen ist, macht Civey transparent, indem zu jedem Umfrageergebnis eine statistische Fehlerwahrscheinlichkeit angegeben wird. Auch die Zahl der Teilnehmer und die Befragungszeit werden für jede Umfrage veröffentlicht.
Was bedeutet es, wenn sich die farbigen Bereiche in den Grafiken überschneiden?
In unseren Grafiken ist der statistische Fehler als farbiges Intervall dargestellt. Dieses Intervall zeigt jeweils, mit welcher Unsicherheit ein Umfragewert verbunden ist. Zum Beispiel kann man bei der Sonntagsfrage nicht exakt sagen, wie viel Prozent eine Partei bei einer Wahl bekommen würde, jedoch aber ein Intervall angeben, in dem das Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit liegen wird. Überschneiden sich die Intervalle von zwei Umfragewerten, dann können streng genommen keine Aussagen über die Differenz getroffen werden. Bei der Sonntagsfrage heißt das: Liegen die Umfragewerte zweier Parteien so nah beieinander, dass sich ihre Fehlerintervalle überlappen, lässt sich daraus nicht ableiten, welche von beiden aktuell bei der Wahl besser abschneiden würde.
Was passiert mit meinen Daten?
Die persönlichen Daten der Nutzer werden verschlüsselt auf deutschen Servern gespeichert und bleiben geheim. Mitarbeiter von Civey arbeiten für die Auswertungen lediglich mit User-IDs und können die Nutzer nicht mit ihrer Abstimmung in Verbindung bringen. Die persönlichen Angaben der Nutzer dienen vor allem dazu, die Antworten zu gewichten und sicherzustellen, dass die Umfragen nicht manipuliert werden. Um dies zu verhindern, nutzt Civey statistische wie auch technische Methoden. Darüber hinaus arbeitet Civey mit externen Partnern zusammen, die Zielgruppen für Werbetreibende erstellen. Nur wenn Nutzer die Datenschutzerklärung sowohl von Civey als auch von einem externen Partner akzeptiert haben, dürfen Ihre Antworten vom Partner zur Modellierung dieser Zielgruppen genutzt werden. Ein Partner erhält aber keine Informationen zu Ihren politischen und religiösen Einstellungen sowie solche, mit denen Sie identifiziert werden können. Civey-Nutzer werden auch nicht auf Basis ihrer Antworten mit Werbung bespielt. Der Weitergabe an Partner können Sie als eingeloggter Nutzer jederzeit hier widersprechen. Mehr Informationen zum Datenschutz bei Civey finden Sie hier.
Wer steckt hinter Civey-Umfragen?
An dieser Stelle haben Leser in der App und auf der mobilen/stationären Website die Möglichkeit, an einer repräsentativen Civey-Umfrage teilzunehmen. Civey ist ein Online-Meinungsforschungsinstitut mit Sitz in Berlin. Zur Erhebung seiner repräsentativen Umfragen schaltet die Software des 2015 gegründeten Unternehmens Websites zu einem deutschlandweiten Umfragenetzwerk zusammen. Neben dem SPIEGEL gehören unter anderem auch der "Tagesspiegel", "Welt", "Wirtschaftswoche" und "Rheinische Post" dazu. Civey wurde durch das Förderprogramm ProFit der Investitionsbank Berlin und durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung finanziert.
In der Sonntagsfrage kann die Union ihren starken Aufwärtstrend fortsetzen. Nachdem CDU und CSU bereits in der Vorwoche als einzige Parteien in der Coronakrise zulegen konnten, haben sie sich nun erneut um mehrere Prozentpunkte verbessert und liegen nun zusammen bei gut 37 Prozent. Das ist der höchste Wert, den Civey bei der Sonntagsfrage seit August 2017, also mitten im Wahlkampfsommer, für die Union gemessen hat.
Für die aktuelle Umfrage wurden Antworten von 12.344 Befragten aus dem Zeitraum 26. März 2020 bis 2. April berücksichtigt.
Ein zweiter Trend, der sich zuletzt angedeutet hatte: Die Grünen lassen Federn und sacken ab auf knapp 18 Prozent. Für die Ökopartei ist es der schwächste Wert in der Civey-Messung seit Mai 2019, nach der Europawahl hielt sie sich stets über 20 Prozent. Die übrigen Parteien im Bundestag bleiben auf dem Niveau der Vorwoche.
Das stützt die These, dass während der Corona-Epidemie in Deutschland vor allem die Krisenmanager der Union gefragt sind - also Kanzlerin Angela Merkel und Gesundheitsminister Jens Spahn oder die Ministerpräsidenten von NRW und Bayern, Armin Laschet und Markus Söder.
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) konnte seiner Partei hingegen bislang keine Gewinne in der Wählergunst einbringen - trotz zentraler Rolle bei der Finanzierung der Corona-Nothilfen und großer öffentlicher Präsenz. Die SPD liegt weiter bei etwa 16 Prozent.