Corona-Beratungen von Bund und Ländern Geplante Impfpflicht – »Die Richtung stimmt«

Markus Söder sieht den Bund auf einem guten Weg
Foto: Peter Kneffel / dpaAmbitionierte Ziele für die Impfkampagne, Einführung einer allgemeinen Impfpflicht: In einer gemeinsamen Besprechung haben Noch-Bundeskanzlerin Angela Merkel, ihr designierter Nachfolger Olaf Scholz und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten sich über weitreichende Maßnahmen gegen die Coronakrise ausgetauscht. Und auch wenn noch nichts offiziell beschlossen wurde, ist nun klar, wie die vierte Welle gebrochen werden soll. Die formellen Beschlüsse sollen auf einer kurzfristig angesetzten Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) am Donnerstag fallen – zudem soll der Bundestag aktiv werden.
Das ist ein ziemlich beachtliches Ergebnis einer Runde, die eigentlich nur dem Informationsaustausch dienen sollte. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sprach im Anschluss an die mehrstündige Schalte am Dienstagnachmittag von einem guten und produktiven Gespräch. »Die Richtung stimmt«, sagte der CSU-Chef. Man sei beim Thema allgemeine Impfpflicht vorangekommen. Scholz habe zudem die Zusage gegeben, dass die alten Regelungen im Infektionsschutzgesetz über den 15. Dezember hinaus angewendet werden könnten.
Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz SPD kündigte nach dem Treffen eine gesetzliche Regelung für eine allgemeine Impfpflicht an. Diese könnte demnach noch in diesem Jahr eingeleitet werden. Darüber sollten die Abgeordneten frei nach ihrem Gewissen abstimmen können, sagte Scholz im Sender Bild TV. Er begründete das Vorhaben mit dem notwendigen Schutz der Bevölkerung. So hatte er das Vorhaben auch in der internen Runde angekündigt.
Eine Frage ist allerdings weiterhin offen: Wer die Bemühungen als Fachministerin oder Fachminister koordinieren soll. Die SPD und Scholz halten weiterhin am Plan fest, erst Anfang kommender Woche die von ihr gestellten Bundesministerinnen und -minister bekannt zu geben – also auch die Person zu benennen, die das Gesundheitsministerium führen soll. »Wir machen eine Gesamtvorstellung«, sagte Scholz.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst kündigte nach den Beratungen eine Beschränkung der Zuschauerzahlen in Fußballstadien an. »Entscheidend ist: So Bilder wie vom Wochenende in Köln darf es und wird es nicht wieder geben.« Beim Spiel zwischen dem 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach waren am vergangenen Wochenende 50.000 Zuschauer im Stadion gewesen. Das hatte angesichts überlasteter Intensivstationen viel Kritik ausgelöst. Auf eine konkrete Zahl an möglichen Zuschauern legte sich Wüst am Montag nicht fest. Man werde die Beschlüsse der Bund-Länder-Runde am Donnerstag abwarten, die man dann auch in Nordrhein-Westfalen umsetzen werde.
Woidke lobt »großes Miteinander«
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) lobte die Zusammenarbeit mit der amtierenden und der angehenden Bundesregierung in der Coronapandemie. Nach dem Spitzengespräch zwischen Bund und Ländern sagte Woidke, es gebe »ein großes Miteinander, eine große Unterstützung, sodass wir in der Pandemiebekämpfung keinen Bruch bekommen werden«.
Alle seien sich ihrer Verantwortung bewusst, sagte Woidke weiter. Alle verhielten sich auch entsprechend ihrer Verantwortung, sodass der Regierungswechsel »mit guter Organisation erfolgen kann, ohne dem gemeinsamen Anliegen zu schaden – nämlich einer guten Pandemiebekämpfung.«
Es gebe in vielen Punkten Übereinstimmung, hieß es im Anschluss an das Treffen am Dienstag. Scholz und die Unionsländer schlugen eine allgemeine Impfpflicht vor, die der SPD-Politiker bis Ende Februar umgesetzt haben will. Er plädierte zudem für eine 2G-Pflicht im Einzelhandel. Die unions- und grün-geführten Bundesländer schlugen zudem eine bundesweit einheitliche Umsetzung neuer Coronamaßnahmen vor, etwa die Schließung von Bars und Klubs oder Zuschauerlimits für Großveranstaltungen sowie drastische Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte.
Kretschmer lobt Entscheidung für General Breuer
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) lobte, dass der Bundeswehrgeneral Carsten Breuer den neuen Corona-Krisenstab im Bundeskanzleramt leiten soll. Kretschmer bezeichnete die Ernennung Breuers als eine »sehr gute Entscheidung«. In Sachsen sei Breuer bekannt als wichtiger Berater und habe als Brigadegeneral einer Panzergrenadierbrigade bei der Bewältigung der Flutkatastrophe mitgeholfen.
Scholz hatte vor Merkel und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten von einer »nationalen Aufgabe« gesprochen, bei der nun Solidarität mit den »Hochinfektionsländern« gezeigt werden müsse. Die Länder mit niedrigeren Inzidenzen sollten Einschränkungen akzeptieren, die sich aus ihrer konkreten Lage nicht unmittelbar ergäben. Das sei aber wichtig für das gesamte Land.
Laut Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD) zeigte sich grundsätzlich eine breite Zustimmung zu einer allgemeinen Impfpflicht. Diese Tendenz sei aus den Redebeiträgen klar geworden. Allerdings gebe es noch viele offene Fragen, sagte Bovenschulte am Dienstag nach der Videokonferenz. Es müsse zum Beispiel geklärt werden, ob sich eine solche Pflicht auch auf Kinder und Jugendliche erstrecke, was er nicht befürworten würde. Auch müsse die Frage der Ausnahmetatbestände für eine Impfpflicht beantwortet werden. »Beschränkt sich das auf medizinische Gründe, oder gibt es auch andere Gründe wie etwa religiöse Überzeugungen?«
Zudem stelle sich die Frage, wie man eine allgemeine Impfpflicht durchsetzen wolle, mit Zwang oder Bußgeldern, mit Ersatzzwangshaft? »Das sind ganz wichtige Fragen«, so Bovenschulte. Auch gebe es bislang kein allgemeines Impfregister in Deutschland. Das müsse vor einer Impfpflicht aufgebaut werden.
Kretschmann nennt Schalte ein »bisschen unsortiert«
Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeigte sich hingegen irritiert von der Schalte. »Das war heute schon ein bisschen unsortiert«, sagte er nach der Videokonferenz dem SWR. Es habe sich nicht um ein Beschlussgremium gehandelt, sondern um ein sogenanntes Kamingespräch, wo nur Vorschläge gesammelt würden. Diese sollen am Mittwoch zusammengetragen und erst auf der Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag beschlossen werden.
»Das ist schon sehr ungewöhnlich«, sagte Kretschmann. Die Chefs der Staatskanzleien würden eigentlich Vorlagen erarbeiten, die dann beschlossen würden. »Das ist jetzt umgedreht. Das Verfahren wünsche ich mir für die Zukunft allerdings nicht.«
Das meiste, was Bund und Ländern beschließen würden, werde in Baden-Württemberg bereits gemacht, sagte Kretschmann dem Sender. Was noch besprochen werden müsse, sei eine 2G-Regel für den Einzelhandel – also Zutritt nur für Geimpfte und Genesene. Großveranstaltungen werde man einschränken. Der Regierungschef kündigte an, man wolle die neue Verordnung nach den Beschlüssen von Bund und Ländern vom Donnerstag am Freitag in Kraft setzen.