Coronakrise in Deutschland
Bundesregierung und EU-Kommission verteidigen ihre Impfstoff-Strategie
Die Regierung und die EU-Kommission haben ihr Vorgehen im Beschaffen von Corona-Impfstoffen verteidigt. Sie seien »überzeugt«, dass der europäische Weg »der richtige« sei, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Steffen Seibert in der Bundespressekonferenz: »Es bleibt also entscheidend, Neuinfektionen, wie immer möglich, zu vermeiden«
Foto: Christian Thiel / imago images
Regierungssprecher Steffen Seibert und der Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums, Hanno Kautz, haben die Strategie der Bundesregierung zur Beschaffung von Impfstoff verteidigt. Seibert sagte in einer Pressekonferenz, die Bundesregierung stehe hinter »dieser Grundsatzentscheidung«. »Wir sind überzeugt, dass das der richtige Weg war und ist«, sagte er und ergänzte: »Ja, die Ungeduld, die vielen Fragen, die Bürger jetzt stellen, sind verständlich.«
Seibert sagte, der europäische Zusammenhalt habe sich gerade in der Corona-Pandemie als wichtig erwiesen. Wie und ob die Coronakrise gemeinsam bekämpft würde, werde dazu beitragen, wie die EU in der Welt wahrgenommen würde. Berichte aus den Krankenhäusern in Deutschland zeigten die schwierige Lage. »Es bleibt also entscheidend, Neuinfektionen, wie immer möglich, zu vermeiden«, sagte er.
Engpass laut Regierung nicht »Bestellmenge«, sondern »Produktionskapazität«
Kautz sagte, es sei »genug Impfstoff für Deutschland da«. »Es hätte keinen Unterschied gemacht, ob wir national oder europäisch bestellen. Der Engpass ist nicht die Bestellmenge, der Flaschenhals ist die Produktionskapazität«. Eine andere Bestellpraxis hätte daran nichts geändert. Zudem habe Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bereits 30 Millionen zusätzliche Impfdosen für Deutschland bestellt.
Seibert räumte – auch mit Blick auf die Umsetzung der Impfstrategie in den Ländern – ein, »dass es derzeit noch nicht an allen Stellen optimal läuft«. In diesem Geiste werde Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch am Dienstag die Gespräche mit den Ministerpräsidenten über das weitere Vorgehen in der Coronakrise führen.
Die Regierung reagierte mit den Ausführungen auf Berichte der vergangenen Tage sowie auf Nachfragen von Journalisten. Kritikerinnen und Kritiker aus Politik und Wissenschaft hatten insbesondere der EU eine falsche Impfstoff-Beschaffungsstrategie vorgeworfen. Die Leopoldina-Forscherin Frauke Zipp sprach von einem »groben Versagen der Verantwortlichen«.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, die EU habe zu wenig Impfstoff bestellt und auf die falschen Hersteller gesetzt. Der Wissenschaftler und Biontech-Gründer Uğur Şahin sagte im SPIEGEL, er habe sich über die Impfstoffbeschaffung der EU gewundert.
EU-Kommission wehrt sich ebenfalls gegen Vorwürfe
Die EU-Kommission wehrte sich gegen Vorwürfe. Ziel sei es gewesen, ein möglichst breites Portfolio an Impfstoffen zu schaffen, sagte ein Sprecher der Brüsseler Behörde. Dies habe die EU »in einem Kontext von bedeutender Unsicherheit« geschafft und fast zwei Milliarden Impfstoffdosen bei sechs verschiedenen Herstellern reserviert. In der EU hat bisher nur der Impfstoff der Firma Biontech eine Zulassung erhalten.
In Deutschland wurden bisher 1,3 Millionen Dosen des Biontech-Impfstoffes an die Bundesländer geliefert. Damit werden zunächst Bewohner von Alten- und Pflegeheimen, Menschen über 80 Jahre sowie Pflegekräfte und besonders gefährdetes Krankenhauspersonal versorgt. Laut dem Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums wurden bislang 265.000 Impfdosen in Deutschland verabreicht.
Der EU-Kommissionssprecher wies darauf hin, dass zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen mit den Herstellern noch nicht absehbar gewesen sei, wann und ob die Mittel überhaupt zugelassen werden könnten. »Der Hauptpunkt war, von verschiedenen Unternehmen zu kaufen.« Auch den Vorwurf, seine Behörde habe zu spät gehandelt, wies er zurück: »Wir haben bereits in Biontech investiert, lange bevor klar war, dass dieser Kandidat erfolgreich sein würde.«