Steinmeier richtet sich an Impfskeptiker »Was muss eigentlich noch geschehen, um Sie zu überzeugen?«

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Foto: CLEMENS BILAN / EPADie Inzidenz rast über die 300er-Marke, Medizinerinnen und Mediziner warnen vor dem Kollaps der Intensivstationen. Angesicht der dramatischen Lage in der vierten Welle hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier alle unentschlossenen Bürger nun eindringlich zur Coronaimpfung aufgerufen.
»Wer jetzt immer noch zögert, sich impfen zu lassen, den will ich heute ganz direkt fragen: Was muss eigentlich noch geschehen, um Sie zu überzeugen?«, sagte Steinmeier bei einer Diskussionsveranstaltung zu den Lehren aus der Pandemie im Schloss Bellevue. »Ich bitte Sie noch einmal: Lassen Sie sich impfen!«
»Sie gefährden uns alle«
In Deutschland klettert seit gut einer Woche die Sieben-Tage-Inzidenz rasant nach oben. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Montagmorgen mit 303,0 an. Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages 23.607 Corona-Neuinfektionen.
»Diejenigen, die sich nicht impfen lassen, setzen ihre eigene Gesundheit aufs Spiel, und sie gefährden uns alle«, so Steinmeier. Es seien vor allem Ungeimpfte, die sich in diesem Herbst mit dem Coronavirus infizierten und die auf den Intensivstationen »um ihr Leben kämpfen«. Nach Angaben von Medizinern liegen auf den Intensivstationen derzeit zu 90 Prozent Ungeimpfte.
Steinmeier richtete den Blick auch auf künftige Krisen. Fast zwei Jahre nach dem Beginn der Pandemie sei es an der Zeit, erste Schlüsse zu ziehen und den Staat krisen- und zukunftsfest zu machen. »Unser Krisengedächtnis ist ein Kurzzeitgedächtnis; wir verdrängen und vergessen schlechte Erfahrungen schnell«, sagte der Bundespräsident.
»Harte und neuartige Belastungsprobe«
Die staatlichen Institutionen müssten in der Lage sein, im Krisenfall »schnell und gut« zu reagieren. »Im Zeitalter der Erderwärmung muss unser Staat auf weitere Umweltkatastrophen vorbereitet sein, er muss auf weitere Pandemien vorbereitet sein, und er muss, paradoxerweise, auch auf Krisen vorbereitet sein, deren Art und Ausmaß wir noch gar nicht kennen«, sagte Steinmeier.
Die Pandemie habe den demokratischen Rechts- und Sozialstaat auf eine »harte und neuartige Belastungsprobe« gestellt und Schwächen, »die es schon vor Corona gab, schonungslos offenbart«, sage Steinmeier. Er kritisierte insbesondere Defizite bei der Digitalisierung. »Der digitale Rückstand in Behörden, an Schulen, im Gesundheitssystem, dieser Rückstand ist beschämend, und die Bemühungen, diese Defizite zu beheben, kommen viel zu langsam voran«, sagte Steinmeier.