Kritik wegen Corona-Grenzregime Seehofer hält (noch) dicht

Horst Seehofer bekommt immer mehr Druck aus den Unionsparteien, die Grenzen wieder komplett zu öffnen. Der Innenminister will sich nicht drängen lassen - bereitet die Öffnung allerdings vor.
Deutsche Polizisten an der Grenze zu Frankreich im badischen Kehl

Deutsche Polizisten an der Grenze zu Frankreich im badischen Kehl

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Elyxandro Cegarra/ PanoramiC/ imago images

An diesem Samstag ist Europatag - ein passendes Datum, findet man in den Grenzregionen Deutschlands zu Frankreich und Luxemburg, um für die komplette Wiedereröffnung der Grenzen zwischen diesen Nachbarn zu werben. An mehreren Orten finden deshalb am Freitag länderübergreifende Demonstrationen statt.

Noch gilt, was die Bundesregierung am 16. März im Zuge der Corona-Maßnahmen beschlossen hatte und was im Westen und Süden Deutschlands an den Grenzen zu Frankreich, Luxemburg, der Schweiz und Österreich seitdem besonders strikt gehandhabt wird: Man schloss die Grenzen zwar nicht, riegelte sie aber maximal ab. Seitdem wurden Innenminister Horst Seehofer zufolge insgesamt über 100.000 Einreiseverweigerungen ausgesprochen. Nur schrittweise hat man zuletzt gelockert, manche Übergänge sind auch schon wieder komplett geöffnet.

Doch CSU-Mann Seehofer, der die Maßnahmen zuletzt bis zum 15. Mai verlängerte, erzürnt inzwischen nicht nur einfache Bürger, sondern sogar Bundestags- und Europa-Abgeordnete der CDU. Sie fordern von Seehofer, die Grenzen so rasch wie möglich wieder komplett zu öffnen, zuletzt gab es nach SPIEGEL-Informationen selbst in der Sitzung der CSU-Landesgruppe eine entsprechende Wortmeldung.

Im Freistaat geht es vor allem um die Grenzen zu Österreich und Tschechien. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann sagte den Zeitungen der "Funke-Gruppe", es sei seiner Landesregierung "ein dringendes Anliegen, dass der grenzüberschreitende Alltag mit Österreich und Tschechien baldmöglichst wieder stattfinden kann".

"Familien werden zerschnitten"

"Wir wollen erreichen, dass Horst Seehofer sofort die Schlagbäume an den Grenzübergängen abräumt und spätestens ab dem 15. Mai müssen dann auch die Einreisesperren komplett entfallen", sagt Andreas Jung, CDU-Abgeordneter aus Konstanz. Jung ist sogar Vizechef der Unionsbundestagsfraktion - aber im Moment ist er vor allem der Wortführer jener CDU-Parlamentarier, die den Unmut aus ihren Grenzregionen nun an Seehofer weitergeben.

"Familien werden zerschnitten", beklagen die Parlamentarier in einer öffentlichen Stellungnahme. "Erwachsene Kinder etwa dürfen ihre Eltern nicht sehen, solange diese nicht pflegebedürftig oder krank sind - und Geschwister bleiben auf zwei Seiten des Grenzzauns", heißt es weiter, "Pendler werden fortgesetzt behindert".

Bundesinnenminister Seehofer: Unterschiedliche Positionen unter den betroffenen Ländern

Bundesinnenminister Seehofer: Unterschiedliche Positionen unter den betroffenen Ländern

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Tobias Schwarz/ AFP

Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang, dass sich CDU-Abgeordnete öffentlich gegen den eigenen Bundesminister wenden. Aber dem Vernehmen nach waren die internen Gespräche mit Seehofer und seinem Haus zuvor so unbefriedigend verlaufen, dass sich die Parlamentarier zu diesem Schritt entschieden. Dazu kommt: Was beim Innenminister weniger gut ankommt, bringt bei den Bürgern in den Wahlkreisen Punkte. Und: Seehofer hat unter Unionspolitikern nicht nur Fans.

CDU-Mann Jung jedenfalls verteidigt das Vorgehen. "Es ist unsere Aufgabe als Wahlkreis-Abgeordnete, die Interessen unserer Bürger zu Hause zu vertreten", sagt er. "Und es würde keiner verstehen, wenn Mitte Mai die Bundesliga aufmacht, die Bundesgrenzen aber dicht bleiben."

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Innenministerium bereitet Kompromiss vor

Allerdings gibt es im Innenministerium auch Pläne für eine Art Kompromiss nach dem 15. Mai: Demnach würden die Grenzkontrollen zwar fortgesetzt, Einreisende aber nicht mehr länger gezwungen, nur bestimmte, zugelassene Grenzübergänge zu nutzen. Gleichzeitig würde die Bundespolizei nicht mehr rund um die Uhr an Übergängen stehen, sondern lediglich stichprobenartig kontrollieren, um festzustellen, ob die Einreiseverbote weiter befolgt werden. Damit sähe das Grenzregime wieder so aus wie in Zeiten des G20-Gipfels oder sportlicher Großereignisse, als bereits befristet Einreisekontrollen liefen.

Aus der Führung des Ministeriums ist zu hören, dass man am ehesten auf Kontrollen zu Österreich und der Schweiz ab dem 15. Mai komplett verzichten könne – falls diese wie versprochen die Grenzen zu dem von der Pandemie besonders heimgesuchten Italien weiter so dicht wie möglich hielten.

Unabhängig von der deutschen Entscheidung: Offene Grenzen wird es mittelfristig ohnehin nicht in alle Richtungen geben. So hat Tschechien seine Einreisekontrollen aus Deutschland bis Mitte Juni verlängert, Frankreich ebenfalls.

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