Lieferungen erreichen Zentrallager
Das Impfen kann beginnen
Bundesweit sind, geschützt von Polizisten, erste Impfstofflieferungen eingetroffen. Die Vakzine sei der »Schlüssel, die Corona-Pandemie zu besiegen«, sagt Gesundheitsminister Spahn. Zuvor sind aber einige Hürden zu nehmen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Samstag in Berlin
Foto: Michele Tantussi / dpa
Einen Tag vor Beginn der Corona-Impfungen in Deutschland sind am Samstag die ersten Impfstoffdosen in einzelnen Bundesländern eingetroffen. So wurden ins bevölkerungsreichste Land Nordrhein-Westfalen zunächst 9750 Dosen geliefert und in ein geheimes Zentrallager gebracht. »Das ist ein wichtiger Moment der Zuversicht«, sagte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU).
Die Bundesregierung lässt an diesem Samstag mehrere Zehntausend Dosen der Firma Biontech an 27 Standorte liefern. Von dort werden sie an bis zu 442 Impfzentren und mobile Teams verteilt, die dann am Sonntag die ersten Impfungen verabreichen sollen.
Der Impfstoff wurde in Rekordzeit entwickelt und gilt als zentraler Baustein im Kampf gegen die Pandemie, die die Welt seit fast einem Jahr in Atem hält. In der EU wird das Präparat allerdings erst einige Wochen später als in Großbritannien und den USA ausgeliefert, weil die Behörden mehr Zeit im Zulassungsverfahren benötigt hatten.
Impfstoff erreicht zeitgleich alle EU-Länder
Der Impfstoff sei der »entscheidende Schlüssel, um die Pandemie zu besiegen«, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Samstag. Es seien bereits etwa 30.000 Menschen in Deutschland gestorben. »Das wollen wir beenden, und das werden wir beenden.«
»Die Impfungen werden dabei helfen, nach und nach zu unserem normalen Leben zurückzukehren«, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) in einem am Samstag verbreiteten Video. Der Impfstoff werde zeitgleich in allen 27 EU-Staaten zur Verfügung stehen.
In Thüringen begleitete die Polizei eine Impfstofflieferung an einen Lagerort, der zunächst nicht genannt werden sollte. In Bayern waren Sendungen für Erlangen und München bestimmt, von wo sie weiterverteilt werden sollten. Auch andere Bundesländer bereiteten die Auslieferung des Impfstoffs vor.
Zugang zum Impfstoff unterschiedlich geregelt
In den ersten Tagen sollen deutschlandweit 1,3 Millionen Menschen ihre erste Impfung erhalten – so viele Dosen will Impfstoffhersteller Biontech nach Spahns Angaben noch dieses Jahr liefern. Für den Zeitraum bis Ende März kündigte Spahn jüngst 11 bis 12 Millionen Dosen an. Da das Präparat zweimal verabreicht werden muss, würde diese Menge in etwa für 5,5 bis 6 Millionen Menschen reichen.
Zu Beginn sollen Menschen über 80 Jahre sowie Bewohner und Personal in Pflegeheimen zum Zug kommen, daneben Gesundheitspersonal mit sehr hohem Infektionsrisiko, etwa in Intensivstationen und Notaufnahmen. Die Reihenfolge und weitere Details regelt die Impfverordnung. In Nordrhein-Westfalen könnten bis Anfang März alle Altenheime mit einem Impfstoff versorgt sein, sagte Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU).
Wie die Menschen konkret an den Impfstoff gelangen, ist unterschiedlich geregelt. Manche Landesregierungen schreiben ihre Bürger direkt an, in anderen ist noch offen, wie sie Menschen potenziell über Möglichkeiten zum Impfen benachrichtigen wollen. Länderspezifische Internetseiten und Apps bieten Informationen. Es gibt zudem die bundesweit einheitliche Infohotline 116117.
Umfrage: Knapp ein Fünftel will sich nicht impfen lassen
Bis zum Sommer sollen alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland eine Impfung angeboten bekommen, hat Spahn in Aussicht gestellt. Voraussetzung dafür ist, dass weitere Präparate eine Zulassung bekommen. Über das Mittel des US-Herstellers Moderna will die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) bis zum 6. Januar entscheiden.
Für die Impfstoffe von Biontech und Moderna sind dem Gesundheitsministerium zufolge insgesamt 136,3 Millionen Dosen sicher, die nahezu alle bis Ende 2021 geliefert werden könnten. Mit je zwei nötigen Dosen ließen sich so rechnerisch 68,2 Millionen von 83 Millionen Einwohner in Deutschland impfen.
FDP-Chef Christian Lindner mahnte eine »Akzeptanz- und Informationskampagne« zur Corona-Impfung an. So könnten die Menschen auf Basis wissenschaftlicher Informationen entscheiden, ob sie sich impfen lassen. Er selbst werde sich mit dem Wirkstoff schützen lassen, sobald er an der Reihe sei.
»Wir sind nicht ausreichend vorbereitet auf das Impfen«, sagte Lindner. Es sei noch einiges zu tun, damit in Deutschland genügend Dosen verfügbar seien. Auch bei niedergelassenen Ärzte sollten Bürger bald die Spritze bekommen können. Das dürfte nach bisherigen Verlautbarungen erst in einigen Monaten möglich sein.
Der Biontech-Impfstoff soll bisherigen Untersuchungen zufolge zu 95 Prozent wirksam sein. Es wird von leichten Nebenwirkungen berichtet, darunter sind Müdigkeit und Kopfschmerzen.
Nach Erkenntnissen einer im »New England Journal of Medicine« veröffentlichten Studie zum Biontech-Präparat kann es außerdem zu Schüttelfrost, Durchfall oder Muskel- und Gliederschmerzen kommen, teilweise auch zu Fieber. Experten halten manche Nebenwirkungen für nicht angenehm, sehen aber keinen Anlass für größere Bedenken.
Anmerkung: In einer früheren Version war von 30.000 Corona-Toten in Europa seit Beginn der Pandemie die Rede. Tatsächlich bezieht sich diese Zahl auf die Todesfälle in Deutschland. Wir haben die Stelle korrigiert.