Beschaffung von Corona-Impfstoff
Kritik an Einkaufspolitik der EU
Im Kampf gegen die Corona-Pandemie hat die EU nach SPIEGEL-Recherchen auf viele Millionen Impfdosen verzichtet. Das stößt auf Kritik. Die CDU verteidigt die Strategie der EU-Kommission.
Ampulle mit Corona-Impfstoff: Die EU hätte SPIEGEL-Recherchen zufolge mehr von dem Corona-Impfstoff haben können
Foto: Victoria Jones / dpa
Die Europäische Unionhätte SPIEGEL-Recherchen zufolge mehr vom Corona-Impfstoff der Hersteller Biontech und Pfizer kaufen können als die bestellten bis zu 300 Millionen Dosen. Die Enthüllung sorgt nun für gemischte Reaktionen.
Kritik an der Impfstrategie der EU und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kommt aus der FDP. »Ich fordere Bundesgesundheitsminister Spahn auf, unverzüglich zu prüfen und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um schnellstens weitere Impfdosen für Deutschland nachkaufen zu können«, sagte Michael Theurer, Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion, dem SPIEGEL.
Es sei schlimm genug, dass der in Deutschland hergestellte Impfstoff bereits in anderen Ländern wie den USA und Großbritannien eingesetzt werde. Nun müsse ein Impfstoffengpass im Frühjahr in Deutschland zumindest abgemildert werden. »Dass für den Großteil der Bevölkerung erst in einem Jahr mit der Impfung begonnen werden soll, ist schlicht nicht akzeptabel«, sagte Theurer weiter. Notfalls müssten mit staatlicher Unterstützung weitere Produktionskapazitäten gebaut werden.
Wie der SPIEGEL aus Verhandlungskreisen erfuhr, hatte Biontech der EU bis zu 500 Millionen Einheiten angeboten. Auch die Firma Moderna hatte der EU mehr von ihrem Impfstoff liefern können als die vereinbarten bis zu 160 Millionen Einheiten, sagte Unternehmenschef Stéphane Bancel dem SPIEGEL.
CDU-Politiker Peter Liese bezeichnete die Kritik an der Impfstrategie der EU hingegen als »wohlfeil«. Liese ist Europaabgeordneter und gesundheitspolitischer Sprecher der EVP. Die Europäische Kommission mache beim Impfen einen guten Job, sagte er.
»Es mag zwar sein, dass die Möglichkeit bestand, mehr Impfstoff zu bekommen, aber jeder, der jetzt kritisiert, sollte sich die Frage stellen, ob er vor einigen Wochen wusste, wie jetzt die Situation ist«, sagte Liese. Die Impfstoffe von Biontech und Moderna seien die besten, aber das wisse man erst seit wenigen Wochen. »In den nächsten zwei oder drei Monaten wird kein Land der Welt genug Impfstoff haben, um beim Kampf gegen die Pandemie wirklich etwas bewirken zu können«, so Liese weiter.
In Deutschland sollen die ersten Corona-Impfungen am 27. Dezember beginnen. Als Erstes sind Menschen ab 80 sowie Bewohner und Mitarbeiter von Pflegeheimen an der Reihe. Angesichts der begrenzten Verfügbarkeit des Impfstoffs sei das Ziel, »zuerst denjenigen einen Schutz anzubieten, die ihn besonders benötigen«, sagte Spahn (mehr dazu lesen Sie hier).