Änderung des Infektionsschutzgesetzes FDP warnt vor »Blamage« im Bundestag

Bestimmte Freiheitseinschränkungen im geplanten Infektionsschutzgesetz könnten verfassungswidrig sein, warnt die FDP-Fraktionsspitze – und erteilt einem Eilverfahren im Parlament eine Absage.
FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Lindner im Bundestag

FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Lindner im Bundestag

Foto: Kay Nietfeld/ dpa

Die FDP-Fraktion hat erhebliche Zweifel am Entwurf des Infektionsschutzgesetzes und dem vorgesehenen Eilverfahren im Bundestag geäußert. Der Bundestag dürfe nicht die »Fehler der Ministerpräsidentenkonferenz wiederholen« und »übereilte und undurchdachte Entscheidungen treffen«, warnte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Marco Buschmann in einem Brief an die Fraktionsgeschäftsführer von Union, SPD, Grünen und Linken.

Eine erneute Blamage wie die sogenannte Osterruhe, die erst verkündet wurde und dann wieder zurückgenommen werden musste, würde nicht nur dem Ansehen des Deutschen Bundestags schaden, heißt es in dem Schreiben, das dem SPIEGEL vorliegt. »Es wäre auch ein schwerer Schaden für die Pandemiebekämpfung, weil sie das Vertrauen in politische Krisenentscheidungen weiter untergraben würde.«

Buschmann warnte die anderen Fraktionsgeschäftsführer davor, das Eilverfahren per Zweidrittelmehrheit durchzusetzen. Zwar sei dies laut Geschäftsordnung des Bundestags möglich, »wir würden damit aber unserer parlamentarischen Demokratie einen Bärendienst erweisen und Wasser auf die Mühlen ihrer Gegner leiten«, schreibt der FDP-Parlamentsgeschäftsführer. Die Geschäftsordnung sei keine »Schönwetterregelung«. Zu den Spielregeln gehöre es, externe Expertinnen und Experten anzuhören. Buschmann schreibt, er halte es »für extrem unklug, diese Spielregeln ohne Not einfach beiseitezuwischen, weil sie nicht zum gewünschten Ergebnis führen«.

Die FDP-Fraktion sei daher dafür, das Gesetzgebungsverfahren »regulär durchzuführen«. Dies sei zügig möglich, weil auf die aktuelle Sitzungswoche eine weitere folge.

»Eine Flut von Verfassungsbeschwerden droht auf das Bundesverfassungsgericht zuzukommen.«

Zudem bestünden Zweifel, ob das Gesetzesvorhaben die Kriterien eines sogenannten Einspruchsgesetzes erfülle. Ein solches bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, die Länderkammer kann aber den Vermittlungsausschuss anrufen und am Ende Einspruch erheben. Es gebe in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung »eine ganze Reihe von Einzelregelungen, die die Frage aufwerfen, ob sie für sich genommen nicht im Bundesrat zustimmungspflichtig sind«, schreibt Buschmann. »Jede einzelne dieser Vorschriften würde den gesamten Entwurf zustimmungspflichtig machen.«

Infektionsschutzgesetz hat finanzielle Folgen für Länder

So berühre das geplante Infektionsschutzgesetz die Verwaltungshoheit der Länder und habe für sie finanzielle Folgen. Zum Beispiel müssten sie Entschädigungen für Lohnausfälle leisten, wenn der Bund wie geplant bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 200 Schulschließungen anordne. Zweifel an der Qualifikation als Einspruchsgesetz müssten ordentlich geprüft werden, fordert Buschmann: »Kommt ein so weitreichendes Gesetz nicht ordnungsgemäß zustande, werden alle am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Verfassungsorgane – also auch der Deutsche Bundestag – am Ende diskreditiert sein.«

Außerdem, so argumentiert Buschmann weiter, enthalte der Entwurf Maßnahmen, »die bereits durch Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichte als rechts- oder verfassungswidrig verworfen worden sind«. Das Vorhaben riskiere daher »sehenden Auges das Verdikt der Verfassungswidrigkeit«, so Buschmann. Die schweren Grundrechtseingriffe würden dazu führen, dass »jedermann« in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde erheben könne. »Eine Flut von Verfassungsbeschwerden droht auf das Bundesverfassungsgericht zuzukommen.«

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