Debatte über Freiheiten für Geimpfte »Eine schöne Osteroffenbarung«

Corona-Schutzimpfung (im thüringischen Apolda): »Österliche Botschaft von mehr Freiheiten«?
Foto: Michael Reichel / dpaWas ist der Ausweg aus der Pandemie? Große Hoffnungen ruhen auf den Impfkampagnen, nun gibt es einen neuen Vorstoß aus der Bundesregierung: Gesundheitsminister Spahn möchte bestimmten Menschen mehr Freiheiten zurückzugeben: »Wer geimpft ist, kann ohne weiteren Test ins Geschäft oder zum Friseur. Zudem müssen nach Einschätzung des RKI vollständig Geimpfte auch nicht mehr in Quarantäne«, sagte der CDU-Politiker der »Bild am Sonntag«.
Die Ankündigung löste geteilte Reaktionen aus. »Natürlich müssen, wenn die wissenschaftlichen Daten die Unbedenklichkeit bestätigen, Geimpfte alle Rechte wieder in Anspruch nehmen können«, sagte Linkenfraktionschef Dietmar Bartsch den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach unterstützt Spahns Vorschlag, da sich gezeigt habe, »dass Geimpfte sich nur noch selten anstecken und sie wahrscheinlich bei Ansteckung nicht mehr ansteckend für andere sind.« Allerdings sollte das jeweils nur nach der zweiten Impfung gelten, sagte Lauterbach dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, schrieb auf Twitter: »Wenn feststeht, dass von einem Menschen weder für sich noch für andere eine Gefahr ausgeht, dann hat der Staat kein Recht, seine Freiheit einzuschränken.« Sollten Spahn und Lauterbach das jetzt auch so sehen, dann sei das »doch eine schöne Osteroffenbarung«.
Jens Spahn
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel sagte dagegen, was als »mehr Freiheiten für Geimpfte« verkauft werde, sei nichts anderes als eine Stigmatisierung derer, die noch nicht geimpft seien oder sich nicht impfen lassen wollen. Die AfD fordere, alle Grundrechtseinschränkungen unverzüglich für alle Bürger aufzuheben.
In einem Bericht des Robert Koch-Instituts an das Bundesgesundheitsministerium heißt es: »Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist das Risiko einer Virusübertragung durch Personen, die vollständig geimpft wurden, spätestens zum Zeitpunkt ab dem 15. Tag nach Gabe der zweiten Impfdosis geringer als bei Vorliegen eines negativen Antigen-Schnelltests bei symptomlosen infizierten Personen.«
»Wer vollständig geimpft wurde, kann in Zukunft wie jemand behandelt werden, der negativ getestet wurde«, sagte Spahn dazu. Unklar ist indes, ab wann das gelten soll – was auf Kritik seitens der Deutschen Stiftung Patientenschutz stieß: Zwar habe Spahn die Impffreiheiten für das Ende der dritten Coronawelle in Aussicht gestellt, so der Stiftungsvorsitzende Eugen Brysch. Er habe aber nicht gesagt, bei welchem Inzidenzwert die dritte Welle vorbei sei. Unklar sei zudem, wie sich Geimpfte künftig ausweisen sollen: »Die österliche Botschaft des Bundesgesundheitsministers von mehr Freiheiten löst sich bei genauem Hinschauen schnell in Rauch auf.«
Spahn selbst hat seine Pläne inzwischen präzisiert. So sollen in der aktuellen Phase der Pandemie auch für vollständig Geimpfte weiterhin Coronaregeln wie Abstand, Hygiene und Schutzmasken gelten. »Denn sowohl der tagesaktuelle Test als auch die vollständige Impfung reduzieren das Infektionsrisiko zwar deutlich, aber sie geben keine hundertprozentige Sicherheit davor, andere zu infizieren«, sagte der Gesundheitsminister.
Bislang hatte sich Spahn als scharfer Kritiker der Idee hervorgetan, Geimpfte mit Sonderrechten auszustatten. »Viele warten solidarisch, damit einige als Erste geimpft werden können. Und die Noch-nicht-Geimpften erwarten umgekehrt, dass sich die Geimpften solidarisch gedulden«, hatte Spahn Ende Dezember gesagt.
»Keiner sollte Sonderrechte einfordern, bis alle die Chance zur Impfung hatten«, so der CDU-Politiker. Diese gegenseitige Rücksicht halte die Nation zusammen. »Gegen die Pandemie kämpfen wir gemeinsam – und wir werden sie nur gemeinsam überwinden.«