Bekämpfung der Coronakrise Grünenchef fordert Alternative zu Shutdown

Grünen-Chef Habeck fordert Alternativen zum Shutdown – aber plädiert dennoch für Vorsicht
Foto: Kay Nietfeld / picture alliance / dpaDer Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, und Janosch Dahmen, Bundestagsabgeordneter der Partei und Arzt, haben ein Strategiepapier vorgelegt, das Alternativen zum Corona-Shutdown auslotet. Das Papier liegt dem SPIEGEL vor. Darin fordern sie eine »inklusive Strategie«, die »ein Weg jenseits von Lockdown und Öffnung« sein soll.
Die Diskussion über Öffnungen einerseits oder einen verlängerten Shutdown andererseits sei »fatalerweise eine oberflächliche«, die suggeriere, dass »Gesellschaft und Politik zwischen zwei schlechten Varianten entscheiden« müssten. »Dabei gibt es Alternativen«, schreiben die Autoren und kritisieren das Fehlen dieser als »Versagen der Bundesregierung«.
Allerdings mahnen die Grünen-Politiker zur Vorsicht – für diese Alternativen müssten Voraussetzungen geschaffen werden, ohne die »breit angelegte Öffnungen« in der »jetzigen Phase der Pandemie« falsch seien. Wegen der Ausbreitung der Virusmutationen solle die Bundesregierung und die Konferenz der Ministerpräsidenten »ihre eigenen Beschlüsse ernst nehmen und nur lokal und sehr vorsichtig Öffnungen beschließen«. Die Ministerpräsidenten wollen am 3. März zusammenkommen, um die weitere Bekämpfung der Coronakrise zu diskutieren.
Habeck und Dahmen sehen im Wesentlichen sechs Punkte, um schrittweise Öffnungen zu ermöglichen.
Im Papier fordern sie »ALLE Positivtests auf die Mutationen zu untersuchen« und die Sequenzierungsinformationen zur Verfügung zu stellen.
Sie halten es aufgrund des Anstiegs der Impfstoffproduktion nicht länger für nötig, »dass jede zweite Dosis zurückgehalten wird«. Es sei ein »Skandal«, dass mehr als eine Million Dosen AstraZeneca nicht verimpft seien. Dabei nehmen sie auch die Bürgerinnen und Bürger in die Pflicht: »Wer eine Impfung mit AstraZeneca ablehnt, verliert den Impftermin und muss sich dann wieder hinten anstellen«, schreiben sie. Die Ständige Impfkommission hat angekündigt, ihre Empfehlung, nur Menschen unter 65 Jahren mit AstraZeneca zu impfen, zu überdenken.
Sie fordern die Regierung auf, »bundespolitische Vorgaben« zu schaffen, damit künftig »Hausärzte, niedergelassene Fachärzte und auch Betriebsärzte Impfungen verabreichen« könnten.
Alle Kindergärten und Schulen seien mit Schnelltests auszustatten. Nicht nur das: »Ziel muss aber sein, dass sich absehbar für die Dauer der Pandemie alle Bürger*innen mindestens zwei Mal in der Woche testen können«, heißt es im Papier. Die Tests sollen laut Habeck und Dahmen kostengünstig sein und für Menschen, die Sozialleistungen beziehen, kostenlos sein.
Sie fordern, die Corona-Warn-App entweder mit Kontaktverfolgungsmöglichkeiten auszustatten oder sie durch die App »Luca« zu ersetzen, die laut ihrer Website »schnelle und lückenlose Kontaktnachverfolgung im Austausch mit den Gesundheitsämtern« verspricht.
Besonders interessant ist der vorletzte Punkt, den Habeck und Dahmen notiert haben. Darin fordern sie ein einheitliches System, über das Negativtests künftig nachgewiesen werden sollen, und verbinden das mit einer konkreten Öffnungsperspektive. »Wer ein negatives Testergebnis nachweisen kann, kann bestimmte Tätigkeiten wieder aufnehmen, Veranstaltungen, Besuche, Eintritt kann wieder möglich sein«, schreiben sie.
Über den Corona-Impfpass wollen sie im »Zusammenspiel mit der Ausweitung von Tests« diskutieren, denn damit sei eine »faire Lösung für den Einsatz eines digitalen Impfnachweises« möglich. Die Idee von Habeck und Dahmen: »Digitale Nachweise eines aktuellen Negativtests, der Nachweis von aktueller Immunität durch überstandene Krankheit (aktueller Antikörpertiter) und Impfungen sind dann gleichzustellen.« Damit würde den Autoren zufolge eine »rechtliche Ungleichbehandlung von Geimpften und Nichtgeimpften vermieden«. So sollten »Freiheiten so schnell und so umfassend, wie es geht, wieder ermöglicht« werden. Die EU plant bereits, einen digitalen Impfpass einzuführen. Laut Kanzlerin Angela Merkel sollen die technischen Voraussetzungen dafür innerhalb der kommenden Monate geschaffen werden.
Die letzte Forderung von Habeck und Dahmen gleicht einem Appell. »Wenn Beschränkungen keinen Beitrag mehr zur Eindämmung der Infektion leisten, dürfen sie nicht aufrechterhalten werden«, schreiben sie. »Der Staat ist in der Pflicht, die Voraussetzungen zu schaffen, damit Rechte nicht länger als unbedingt erforderlich eingeschränkt werden«, heißt es weiter. Die Autoren fürchten große gesellschaftliche Konflikte, wenn Gerichte die Entscheidung darüber fällen »wer wen wieder besuchen kann«. »Dies gilt es zu verhindern«, schreiben sie.