Fragestunde im Bundestag Spahn hält Inzidenz von null für unerreichbar

Dauerhaft Corona-Inzidenzwerte von null? Gesundheitsminister Spahn hält dies für nicht erreichbar. Auch zu Schnelltests äußerte er sich bei einer Befragung im Bundestag – blieb aber Antworten schuldig.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU)

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU)

Foto: ANNEGRET HILSE / REUTERS

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) glaubt nicht daran, dass das Coronavirus jemals komplett verschwinden wird. Eine Inzidenz von null werde es auf Dauer nicht geben können, außer man ziehe eine Mauer um das Land, sagte der CDU-Politiker bei einer Fragestunde im Bundestag. »Wenn wir uns alle einschließen, dann sind wir vielleicht irgendwann bei einer Inzidenz null.« Das sei allerdings auch kein Leben.

Vielmehr gehe es darum, die richtige Balance zwischen bestmöglichem Infektionsschutz und Leben und Freiheit zu finden. »Gesundheitsschutz ist stärker gewichtet als andere Aspekte, aber nicht absolut«, sagte Spahn.

Der Minister sieht die Bundesländer in der Verantwortung, die Impfkapazitäten zu erhöhen. Spahn sagte, Anfang des Jahres hätten die Länder auf mehr Impfdosen gedrängt, als noch nicht genug Impfstoff verfügbar gewesen sei. Nun werde geliefert, entsprechend müssten jetzt auch die Verantwortlichen in den Ländern agieren: »Ich gehe davon aus, dass die Impfgeschwindigkeit steigen wird.«

Erneut schloss Spahn eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen aus. Schon in der Vergangenheit hatte der Minister gesagt, es werde keine Corona-Impfpflicht geben.

Aktuell bleibt immer wieder Corona-Impfstoff ungenutzt liegen. Laut Bundesgesundheitsministerium sind erst 15 Prozent der in Deutschland verfügbaren AstraZeneca-Impfstoffdosen verabreicht worden.

Die Lage ist in den Ländern dabei höchst unterschiedlich: Nach Baden-Württemberg beispielsweise wurden nach Angaben des Robert Koch-Instituts bisher gut 194.000 Dosen der Vakzine von AstraZeneca geliefert und 12.000 verimpft. Voraussichtlich am Samstag sollen aber bereits mehr als 86.000 neue Dosen ankommen. Bundesweit ist dann eine Lieferung von mehr als 650.000 AstraZeneca-Dosen geplant.

»Balance zwischen Infektionsschutz und Freiheit«

Angesichts der Debatte über ein baldiges Ende des Lockdowns warnte Spahn vor Voreiligkeit. Man müsse eine »Balance zwischen bestmöglichem Infektionsschutz, Leben und Freiheit« finden. Man könne sich nicht einfach einschließen, aber auch nichts überstürzen. Nichts wäre fataler, sagte Spahn, als in sechs Wochen wieder neue Lockdown-Debatten zu beginnen.

In diesem Zusammenhang warb der Gesundheitsminister erneut für die breite Nutzung von Corona-Schnelltests. »Wir haben jetzt deutlich mehr Schnelltests als noch vor zwei Monaten verfügbar«, sagte Spahn. Die Tests würden Sicherheit in Pflegeeinrichtungen, im Alltag und bei Reisen geben. »Corona gibt nicht einfach auf, aber wir haben Tag für Tag mehr Mittel, um damit umzugehen«, sagte Spahn. Die Selbsttests würden Schritt für Schritt helfen, »ein Stück mehr Freiheit wiederzuhaben«.

Dass die Tests später verfügbar werden, kommentierte er nicht. Spahn hatte ursprünglich angekündigt, dass ab 1. März ein Angebot für alle Bürger kommen solle, sich kostenlos von geschultem Personal mit Antigen-Schnelltests testen zu lassen – etwa in Testzentren, Praxen oder Apotheken. Darüber soll nun aber erst bei den Bund-Länder-Beratungen am 3. März gesprochen werden.

Aufstocken bei Wohnzimmertests und Antigentests

Die Hoffnung: Neben den Impfungen sollen die Corona-Schnelltests ein wichtiger Schritt zurück zur Normalität sein. Konkret geht es um zwei Schnelltestformate:

  • Bei den Antigen-Schnelltests handelt es sich um Versionen, die von medizinisch geschultem Personal begleitet werden müssen. Sie gelten als nicht so genau wie sonst genutzte PCR-Tests. Laut Robert Koch-Institut (RKI) muss ein positives Ergebnis eines Schnelltests daher mit einem PCR-Test bestätigt werden. Antigen-Schnelltests will Spahn im großen Stil kostenlos zur Verfügung stellen.

  • Bei den neuartigen sogenannten Wohnzimmertests handelt es sich hingegen um Versionen, die Privatpersonen selbst durchführen können. In Österreich sollen sie ab März kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Die Hoffnung dahinter: Das medizinische Personal soll entlastet werden, der Schritt zur Öffnung des Lockdowns vorbereitet werden. In Deutschland wurden die ersten Versionen am Mittwoch vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen.

Ob die Wohnzimmertests in Deutschland auch kostenlos verfügbar sein werden, wollte Spahn nicht beantworten. Ob und wie hoch diese Tests bezuschusst werden könnten, hänge davon ab, wie teuer sie sein würden: »Es macht einen Unterschied, ob die Tests zwei Euro oder zehn Euro kosten werden«, noch könne man das nicht sagen.

Rufe nach Lockerung werden laut

Die FDP schlug vor, mit einer Regelung nach dem Vorbild Österreichs den Weg für stufenweise Lockerungen freizumachen. Ein entsprechender Antrag soll noch diese Woche in den Bundestag. »Beim Testen müssen wir auf die Tube drücken, nicht auf die Bremse«, sagte der FDP-Abgeordnete Andrew Ullmann der Nachrichtenagentur dpa. Parteichef Christian Lindner sagte der »Bild«-Zeitung: »Testen verspricht Freiheit – zusammen mit Masken, Luftreinigern, digitaler Nachverfolgung von Infektionen und dem Schutz der verletzlichen Gruppen.«

Vor der nächsten Corona-Runde aus Bund und Ländern hat sich zudem die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) dafür ausgesprochen, die strenge Beschränkung privater Kontakte in der Pandemie zu lockern – da sich nicht mehr stringent daran gehalten werde. »Zwei Haushalte, fünf Personen, die Kinder nicht mitgezählt«, schlug Dreyer als neue Regel vor. Derzeit dürfen sich Angehörige eines Haushalts in der Regel mit nur einer weiteren Person treffen.

mrc/dpa
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