Dienstreisen in Corona-Zeiten Streit über Zusatzsitzplätze für Bundesbedienstete

Fahrgast am Berliner Hauptbahnhof (Archivfoto)
Foto: Paul Zinken / dpaZum Schutz vor dem Coronavirus sollen Ministerien und Behörden des Bundes ihren Mitarbeitern für Dienstreisen zwei Plätze buchen können – damit der Nebenplatz frei bleibt. Der Haken: Das ist laut Bahn so nicht möglich. Den Beförderungsbedingungen zufolge erlischt der Anspruch auf einen Sitzplatz 15 Minuten nach Abfahrt, wenn der Platz nicht eingenommen wird. Das gilt ausdrücklich nicht nur für Reservierungen, sondern auch beim Kauf einer zweiten Fahrkarte.
Laut einem Schreiben des Bundesinnenministeriums vom 12. November, das dem SPIEGEL vorliegt, sollen Mitarbeiter der Ministerien und anderer Bundesbehörden nur noch Dienstreisen antreten, die absolut notwendig sind. Um einen größeren Abstand zu Mitreisenden zu wahren, könne sowohl im Flugzeug als auch bei Bahnfahrten ein zusätzlicher Nachbarplatz gebucht werden. Die Kosten werden vom jeweiligen Dienstherrn erstattet, die Regel soll zunächst bis zum 31. März gelten. Zuerst hatte die »Süddeutsche Zeitung« über das Schreiben berichtet.
Das Bundesinnenministerium verteidigte die neuen Dienstreise-Regeln gegen Kritik. Diese »entsprechen dem Ziel der Bundesregierung, die Kontakte in größtmöglichem Umfang zu reduzieren und die allgemein geltenden Abstandsregeln von 1,50 Meter – soweit möglich – umzusetzen«, teilte ein Sprecher mit.
Scheuer gegen Doppelbuchung
Dass das Innenressort die Buchung eines weiteren Platzes ermöglichen will, passt jedoch nicht so recht zu wiederholten Aussagen von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), wonach Züge keine Corona-Hotspots seien. Auch eine Reservierungspflicht für Reisende, die in anderen Ländern überfüllte Züge verhindert, lehnt Scheuer ab.
Sein Ministerium stellte am Dienstag klar, dass es keine Doppelbuchungen für seine Mitarbeiter plant: Man beabsichtige nicht, diese »Kann-Regelung« anzuwenden. Entsprechende Anfragen von Beschäftigten seien bisher abgewiesen worden, »da Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln kein erhöhtes Infektionsrisiko darstellen«, hieß es. Diese habe es aber auch nur vereinzelt gegeben.
In der Bahn ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes vorgeschrieben. Insgesamt sind die Züge deutlich schwächer ausgelastet als sonst. Dennoch gibt es immer wieder Kritik, dass Reisende ohne Maske unterwegs sind und Züge manchmal eben doch recht voll.
Die Bahn teilte am Dienstag mit, sicheres Reisen sei gewährleistet, denn die Fernverkehrszüge seien derzeit nur zu rund 20 bis 25 Prozent ausgelastet. »Das heißt: Vier von fünf Sitzplätzen sind nicht belegt.« Für Reservierungen seien Fensterplätze voreingestellt, sodass der Gangplatz frei bleibe. Zusätzlich achte das Zugpersonal auf eine gleichmäßige Verteilung der Fahrgäste im Zug.
Am 31. Dezember 2019 wandte sich China erstmals an die Weltgesundheitsorganisation (WHO). In der Millionenstadt Wuhan häuften sich Fälle einer rätselhaften Lungenentzündung. Mittlerweile sind mehr als 180 Millionen Menschen weltweit nachweislich erkrankt, die Situation ändert sich von Tag zu Tag. Auf dieser Seite finden Sie einen Überblick über alle SPIEGEL-Artikel zum Thema.
In seinem Schreiben empfiehlt der Bund den Bediensteten am ehesten das Auto: Die Nutzung eines Mietwagens könne anerkannt werden, da das Infektionsrisiko mangels Mitreisender geringer ausfalle, heißt es in dem Schreiben.
Dienstreisen von Bundesbeamten sollen wegen der Corona-Pandemie grundsätzlich vermieden werden. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa liegt die Zahl der Dienstreisen zurzeit um rund 70 Prozent unter dem Niveau des vergangenen Jahres.