Kampf gegen Corona So ringt die GroKo um die Verwendung von Handydaten

Gesundheitsminister Spahn wollte das Auswerten von Standortdaten zur Bekämpfung von Covid-19 erlauben - nach Kritik musste er den Passus streichen. Zumindest vorerst.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn

Foto: FABRIZIO BENSCH/ REUTERS

Zwei Gesetze hat Jens Spahn an diesem Montag ins Kabinett eingebracht, um die Coronakrise in Deutschland zu bekämpfen: Er will die Kliniken entlasten, fast zehn Milliarden Euro will der Gesundheitsminister zur Unterstützung der Krankenhäuser bereitstellen. Und er will das Infektionsschutzgesetz ändern.

Vom Kabinett sind die Gesetze verabschiedet worden, nun müssen sie noch durch das parlamentarische Verfahren - im Schnelldurchlauf.

Am vergangenen Wochenende erregte vor allem ein Absatz des Entwurfs zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes Aufmerksamkeit: Demnach hätten Gesundheitsbehörden Handydaten von Infizierten über die Anbieter einfordern können, um Kontaktpersonen zu ermitteln.

Sind Funkzellendaten zur Ermittlung von Kontaktpersonen sinnvoll?

Über Standortdaten hätten die Behörden dann zum Beispiel ein Bewegungsprofil erstellen können. Die Handy-Ortung erfolgt über Funkzellen , das ist umstritten.

Wäre das Gesetz des CDU-Politikers so durchs Kabinett gekommen, hätte der Staat damit in das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung eingegriffen, wie es im Entwurf selbst hieß. Gerechtfertigt sei das, weil man damit ein anderes Grundrecht schütze: jenes auf körperliche Unversehrtheit.

Ein Kritiker des Entwurfs ist Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin. Auf Twitter mahnte er, die Eingriffe in die Grundrechte müssten verhältnismäßig sein – und geeignet. Er arbeite seit Jahren mit Funkzellendaten: "Ich kann mir aber nicht vorstellen, wie man daraus Kontaktpersonen ermitteln soll."

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Auch Justizministerin Christine Lambrecht vom Koalitionspartner SPD sagte in der ARD: Was man durch die Daten von Funkzellen erfahre, sei nicht unbedingt die Information, die man sich davon verspreche. Die Telekom erklärte dem IT-Magazin "Golem ", eine Funkzellenabfrage sei viel zu ungenau, um hilfreich zu sein.

In dem nun vom Kabinett verabschiedeten Gesetzentwurf findet sich die Stelle nicht mehr – Spahn räumte sie nach den zahlreichen Einwänden ab.

Die grundsätzliche Überlegung aber verteidigte er auf einer Pressekonferenz an diesem Montag: Länder wie Südkorea zeigten, dass das Wissen um die Frage, wer mit wem Kontakt gehabt habe sowie das Kennen bestimmter Bewegungsmuster in einer Region mithelfen könnte, das Infektionsgeschehen zu verlangsamen und zu reduzieren. "Kontaktverfolgung, das sagen uns alle Experten, ist ein sehr, sehr wichtiges Instrument", sagte er.

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Weil es sich aber um eine so grundsätzliche Frage handle, habe man entschieden, länger als nur eine Woche zu diskutieren. Es sei weiterhin ein Thema für die Regierung, sagte Spahn. Doch es brauche eine große Unterstützung im politischen und gesellschaftlichen Raum.

Dass die Ermittlung von Kontaktpersonen tatsächlich dabei helfen könnte, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, davon sind viele Politiker und Experten überzeugt. Das Robert Koch-Institut arbeitet mit verschiedenen anderen Instituten an der Entwicklung einer App, die laut "tagesschau.de " Nähe und Dauer des Kontakts zwischen Personen für zwei Wochen erfassen soll.

 "Komplett sinnlos"

Anke Domscheit-Berg über den Vorschlag von Jens Spahn

Reaktionen der Opposition

Bei der FDP wird der Vorstoß von Spahn kritisch gesehen. Stephan Thomae, Fraktionsvize, sagte, Spahn habe glücklicherweise wieder Abstand vom Handy-Tracking genommen. "Dies wäre ein unverhältnismäßiger Eingriff in wichtige Persönlichkeitsrechte gewesen", so der Liberale. "Auch in einer Krisenlage muss unser Rechtsstaat noch erkennbar bleiben, im demokratischen Rechtsstaat gibt es keinen Ausnahmezustand", erklärte Thomae. Die Verlässlichkeit des "verfassungsrechtlichen Arrangements" beweise sich gerade in der Krise, so der Jurist.

Die Grünen sind nicht grundsätzlich gegen das Erheben von Standortdaten. Sie lobten die Entscheidung von Spahn, den Passus aus dem Gesetz zu streichen: "Die jüngste Entscheidung der Bundesregierung, von einer weitreichenden Funkzellenauswertung Abstand zu nehmen, war die einzig richtige", sagte der grüne Digitalexperte und stellvertretende Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz. App-Lösungen seien für sie grundsätzlich eine denkbare Lösung. "Es muss jedoch sichergestellt sein, dass sie durch die Nutzerinnen und Nutzer freiwillig installiert werden, die übermittelten Daten einer strengen Zweckbindung unterliegen und sie mit klaren Löschfristen versehen sind", mahnte von Notz.

Die Digitalexpertin der Linken, Anke Domscheit-Berg, hält sich mit Kritik an Spahns Vorschlag nicht zurück: "Spahn macht gerade auch sinnvolle Dinge, aber dieser Vorschlag war komplett sinnlos", sagte sie. Tracking sei eine Schnapsidee, erklärte sie. "Sinnvoller wäre es, für mehr Tests zu sorgen und die Gesundheitsämter mit viel mehr Mitarbeitern auszustatten, im Zweifel aus anderen Behörden, und Kontaktketten per Telefon nachzuvollziehen", sagte sie.

Anonymisierte Daten leitet die Telekom allerdings bereits an das Robert Koch-Institut weiter. So soll ermittelt werden, ob die Bürger sich an die Kontaktsperren und Ausgehbeschränkungen halten.

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