Bund-Länder-Treffen zu Omikron »Es kann uns härter treffen als andere Länder«

Kontaktbeschränkungen, Impfkampagne, Großveranstaltungen ohne Zuschauer: Bund und Länder beraten am Nachmittag über strengere Coronaregeln. Doch vor dem Treffen wird der Ruf nach weiteren Maßnahmen laut.
Coronapatient in Magdeburg: Die schnelle Verbreitung der Omikron-Variante bereitet Sorge

Coronapatient in Magdeburg: Die schnelle Verbreitung der Omikron-Variante bereitet Sorge

Foto: RONNY HARTMANN / AFP

Mit Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte, voraussichtlichen Einschränkungen bei Veranstaltungen und Klubschließungen will die Politik der befürchteten Omikron-Welle in der Coronapandemie begegnen. Am Dienstagnachmittag beraten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder über verschärfte Maßnahmen in der Coronakrise.

Vor den Beratungen mehren sich Stimmen, die angesichts der Entwicklung für härtere Maßnahmen als jene plädieren, die Bund und Länder derzeit planen. Nach Einschätzung von SPD-Chef Lars Klingbeil könnte Deutschland wegen der vergleichsweise niedrigen Coronaimpfquote von Omikron möglicherweise schlimmer betroffen sein als andere Länder. »Wir haben in Deutschland das Problem, dass nur 70 Prozent der Bevölkerung geimpft ist. Deswegen kann es uns härter treffen als andere Länder«, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). »Die Zahl der Ungeimpften ist mit Omikron eine riesige Herausforderung.« Man werde weitere Kontakteinschränkungen brauchen, auch im privaten Bereich und auch für Geimpfte.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) stellte vor dem Treffen eine Forderung an die Ampelregierung auf. »Wir bräuchten jetzt dringend auch ein rasches Signal für die Impfpflicht«, sagte der CSU-Politiker im ARD-»Morgenmagazin«. Diese Impfpflicht müsste allerdings ohnehin der Bundestag beschließen – das Thema Impfpflicht steht für das Bund-Länder-Treffen nicht auf der Agenda.

Wenn der Expertenrat der Regierung von einer dramatischen Lage spreche, zugleich aber vor allem nur über neue Kontaktbeschränkungen gesprochen werde, passe dies nicht zusammen. »Es macht jetzt keinen Sinn, bei fallenden Zahlen jetzt die Panik auszurufen«, sagte Söder. Dennoch müssten Bund und Länder heute Klarheit schaffen, was wirklich nötig sei, einer neuen Coronawelle durch die Omikron-Variante zu begegnen.

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Söder forderte zudem, der Bundestag müsse erneut die epidemische Lage von nationaler Tragweite feststellen. Es sei ein »Kardinalfehler« der Ampelparteien gewesen, die epidemische Lage auslaufen zu lassen, sagte Söder.

CDU-Gesundheitsexperte plädiert für Einschränkungen über Weihnachten

Auch der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Tino Sorge, sprach sich für Beschränkungen des öffentlichen Lebens über Weihnachten aus. »Liest man die Einschätzung des Expertenrates, ist es fragwürdig, warum der Minister einen Lockdown vor Weihnachten kategorisch ausschließt. Karl Lauterbach widerspricht seinen eigenen Beratern, die einstimmig auf schnelle Kontaktbeschränkungen drängen«, sagte Sorge den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Die traditionell ruhigen Feiertage seien »eine ideale Phase, um das öffentliche Leben für einige Zeit herunterzufahren«.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) warnt hingegen vor einem weiteren Lockdown. »Wir müssen alles tun, um einen erneuten Lockdown zu verhindern«, sagt der FDP-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. »Schulschließungen können nur Ultima Ratio sein.«

Zugleich räumt Buschmann »ein relevantes Risiko« ein, dass die Omikron-Variante neue Belastungen für die Krankenhäuser bringe und viele Mitarbeiter der kritischen Infrastruktur gleichzeitig krank würden. In einer dynamischen Lage, so Buschmann, wäre es daher »falsch, bestimmte Maßnahmen ein für alle Mal auszuschließen«.

Grünen-Fraktionschefin drängt auf Vorkehrungen gegen Personalengpässe

Angesichts der Omikron-Ausbreitung hat auch die Co-Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, eine rasche Vorbereitung auf mögliche Personalausfälle etwa im Gesundheitsbereich gefordert. »Gemeinsam mit Bund und Ländern muss schnell darüber beraten werden, ob und wie Kräfte etwa des Technischen Hilfswerks, des Deutschen Roten Kreuzes oder anderer Verbände eingebunden werden können«, sagte sie der »Rheinischen Post«.

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger will neue flächendeckende Schulschließungen »unbedingt vermeiden«. »Kinder und Jugendliche haben schon bisher eine große Last in der Coronapandemie getragen. Sie brauchen beste Bildung. Die Lernrückstände dürfen nicht noch zunehmen«, sagte die FDP-Politikerin.

Kein Lockdown, aber Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte

Vor den Beratungen von Bund und Ländern sind schärfere Kontaktbeschränkungen vorgesehen, von einem Lockdown mit Geschäfts- oder Schulschließungen ist aber derzeit nicht die Rede. Derartige Maßnahmen stehen auch nicht auf der Agenda für das Treffen am Nachmittag.

Die aktualisierte Version der Beschlussvorlage für die Bund-Länder-Runde ist auf Dienstag, 14 Uhr, datiert. Das Dokument liegt dem SPIEGEL vor und spiegelt den Verhandlungsstand nach einem Treffen der Chefs der Staatskanzleien am Montag sowie der unionsgeführten Bundesländer und Baden-Württemberg wider.

Bis das Treffen heute um 16 Uhr beginnt, könnte es aber noch Änderungen an der Beschlussvorlage geben. Die Regierungschefs und -chefinnen der Länder beraten zunächst untereinander, bevor Kanzler Scholz um 16 Uhr zugeschaltet wird.

In dem Entwurf sind folgende Maßnahmen vorgesehen:

  • Wegen der Omikron-Variante sind Beschränkungen für Geimpfte und Genesene geplant: Spätestens ab 28. Dezember sollen sich maximal zehn Personen privat treffen dürfen – im Innen- wie Außenbereich. Kinder bis 14 Jahre sollen nicht mitgezählt werden.

  • Sobald eine ungeimpfte Person teilnimmt, gelten die Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte: Dann sind Treffen wie bislang auf den eigenen Haushalt und maximal zwei weitere Personen eines weiteren Haushaltes erlaubt. Die genaue Ausgestaltung dieser Regelung ist aber offenbar noch umstritten.

  • Klubs und Diskotheken in Innenräumen sollen spätestens ab dem 28. Dezember geschlossen werden – in Ländern, die von der Länderöffnungsklausel Gebrauch gemacht hatten. Tanzveranstaltungen werden verboten.

  • Überregionale Großveranstaltungen – etwa im Sport- oder Kulturbereich – sollen spätestens ab dem 28. Dezember ohne Zuschauer stattfinden.

  • Betreiber kritischer Infrastrukturen sollen ihre Pandemiepläne überprüfen und gewährleisten, dass diese auch kurzfristig aktiviert werden können.

  • In dem Entwurf ist erneut der Appell enthalten, sich impfen zu lassen oder bei vorhandener Erst- und Zweitimpfung eine Auffrischungsimpfung zu holen. Es wird dazu aufgerufen, die Impfkampagne auch über die Feiertage fortzuführen – daran sollten sich alle Leistungserbringer wie Ärztinnen und Ärzte oder Apotheken beteiligen. Bund und Länder rufen in dem Entwurf zudem dazu auf, rasch Angebote für Kinderimpfungen für Fünf- bis Elfjährige wahrzunehmen. An die Zulassung des Impfstoff Novavax knüpfen Bund und Länder die Hoffnung und Erwartung, dass jene, die mRNA- und Vektorimpfstoffen skeptisch gegenüberstehen, sich nun baldmöglichst impfen lassen.

  • Die Länder bitten die Bundesregierung, die Vorbereitungen für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht zügig voranzutreiben und kurzfristig einen Zeitplan vorzulegen.

  • Es wird appelliert, die Zahl der Kontakte bei Familienfeiern über Weihnachten zu begrenzen und »die Weihnachtsfeiertage verantwortungsbewusst zu begehen«. Zudem wird dazu aufgerufen, sich vor derartigen und anderen Treffen mit Personen außerhalb des eigenen Haushaltes zu testen.

  • Bund und Länder erinnern in dem Entwurf an das An- und Versammlungsverbot an Silvester und Neujahr, ebenso an das Feuerwerksverbot an diesen Tagen. Der Verkauf von Pyrotechnik vor Silvester ist generell verboten.

  • Die 2G- oder 2G-plus-Regel gilt für Kultur- und Freizeiteinrichtungen wie Theater, Kinos oder Gaststätten weiterhin, ebenso im Einzelhandel. Ausgenommen sind Geschäfte des täglichen Bedarfs.

  • Finanzielle Unterstützungen durch den Staat sollen verlängert werden, etwa Härtefallhilfen, der Sonderfonds für Kulturveranstaltungen oder der Sonderfonds für Messen und Ausstellungen.

  • Wie schon bei der vergangenen Bund-Länder-Runde am 8. Dezember sollen alle Maßnahmen als bundesweite Mindeststandards gelten.

In dem Entwurf heißt es, die Omikron-Variante zeige eine »nie dagewesene Verbreitungsgeschwindigkeit«. Dies könnte zu einer »explosionsartigen Verbreitung« führen. Deshalb sei mit einer sehr hohen Krankheitslast durch Omikron zu rechnen.

Im Januar wollen Bund und Länder erneut zu Beratungen über die Coronakrise zusammenkommen. Das genaue Datum ist der Beschlussvorlage zufolge noch offen. Allerdings soll die Bundesregierung bis dahin auf Basis der Empfehlungen des Corona-Expertenrates weitere Maßnahmen identifizieren, um die Verbreitung der Omikron-Variante einzudämmen.

asc/ulz/stw/cte/dpa/AFP
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