Debatte über Coronamaßnahmen Leopoldina-Wissenschaftler für Impfpflicht und strikte Kontaktbeschränkungen

Die Nationale Akademie der Wissenschaften schlägt Alarm: Sie rät zu deutlich mehr Impfungen, Kontaktbeschränkungen – und einer Maskenpflicht an Schulen.
Impfzentrum in Zorbau

Impfzentrum in Zorbau

Foto: Jan Woitas / picture alliance /dpa / dpa-Zentralbild

Die Dringlichkeit ist bereits in der Überschrift abzulesen: »Klare und konsequente Maßnahmen – sofort!«, damit ist die 10. Ad-hoc-Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina zur Pandemie überschrieben.

Die zwölf Autorinnen und Autoren, darunter Leopoldina-Präsident Gerald Haug, Virologe Christian Drosten und zahlreiche Klinikchefs wie der Vorstandsvorsitzende der Berliner Charité, Heyo Kroemer, fordern eine massive Ausweitung der Impfkampagne, die stufenweise Einführung der allgemeinen Impfpflicht und deutliche Kontaktbeschränkungen. Sie kritisieren zudem das von SPD, Grünen und FDP jüngst verabschiedete Infektionsschutzgesetz.

»In diesen Tagen steht Deutschland vor einer erneuten, verschärften Eskalation der Covid-19-Krise«, schreiben die Expertinnen und Experten. »Es ist zu befürchten, dass Teile der Politik und Öffentlichkeit die Dramatik der Situation nicht in ihrem vollen Ausmaß erfassen.« Es sei ein »sofortiges Gegensteuern dringend erforderlich«.

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30 Millionen Boosterimpfungen bis Weihnachten

Als Maßnahmen empfehlen die Wissenschaftler eine »massive Verstärkung der Impfkampagne«. Apotheker, Hebammen, Zahnärzte und andere medizinische Berufsgruppen müssten künftig ebenfalls Impfungen anbieten, flächendeckend müssten Impfzentren »mit langen Öffnungszeiten« eingerichtet, die Angebote von aufsuchenden Impfteams ausgeweitet werden. Bis Weihnachten sollten neben Erst- und Zweitimpfungen rund 30 Millionen Auffrischungsimpfungen verabreicht werden.

Zudem müsse die Impfpflicht für bestimmte Berufe wie Ärzte oder Pflegerinnen »rasch« eingeführt werden, eine allgemeine Impfpflicht solle vorbereitet werden – »unter Berücksichtigung der dafür erforderlichen rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen«.

Mund-Nasen-Schutzmasken in einer Grundschule.

Mund-Nasen-Schutzmasken in einer Grundschule.

Foto: Inderlied / Kirchner-Media / IMAGO

»Strikte Kontaktbeschränkungen« gefordert

Für Reduzierung zwischenmenschlicher Kontakte sehen die Autorinnen und Autoren zwei Optionen: strikte Kontaktbeschränkungen schon ab der kommenden Woche zumindest in Regionen mit hoher Inzidenz – auch im privaten Bereich, in Innenräumen und bei Ansammlungen größerer Menschenmengen. Wo dies nicht möglich ist, müsse eine Masken- und strenge 2G-Pflicht herrschen.

Die Alternative für derartige Lockdown-Lösungen könne eine strikte und streng kontrollierte 2G-Regelung in Innenräumen und bei Veranstaltungen sein, mit Ausnahme von Supermärkten oder Arztpraxen. Diese Option sei aber deutlich weniger effektiv als die erste Möglichkeit, warnen die Wissenschaftler.

Um die Schulen weiter offenhalten zu können, raten die Expertinnen und Experten dringend zu einer »ausnahmslosen Maskenpflicht für Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler aller Klassenstufen während des gesamten Aufenthalts in den Schulgebäuden«. Außerdem sollten die Weihnachtsferien vorgezogen werden.

Kritik am neuen Infektionsschutzgesetz

Deutlich kritisieren die Leopoldina-Wissenschaftler auch das jüngst verabschiedete Infektionsschutzgesetz der Ampelparteien. »Problematisch ist dabei, dass auch bei extrem hohen Inzidenzwerten und Hospitalisierungsraten bestimmte generelle Maßnahmen nicht mehr ergriffen werden dürfen.« Das schwerwiegendste Defizit des Gesetzes, heißt es weiter, sei aber, »dass keine Kriterien (Inzidenzwerte o.ä.) mehr aufgeführt sind, wann die Länder bestimmte Maßnahmen ergreifen dürfen oder müssen«. Umso wichtige sei die enge Absprache der Länder im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz.

Die Autorinnen und Autoren betonen, ihr Appell für Freiheitseinschränkungen wie Impfpflicht oder Kontaktbeschränkungen stehe im Einklang mit Grundwerten und Prioritäten, »die von der Mehrheit der Bevölkerung mit guten Gründen geteilt werden«. Es gehe darum, »die Bürgerinnen und Bürger unserer Gesellschaft vor weiteren desaströsen Folgen« der Pandemie zu bewahren.

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