Treffen von Kanzlerin und Länderchefs Bewegungsradius soll ab Inzidenz von 200 eingeschränkt werden

Leeres Einkaufszentrum in Berlin
Foto: ODD ANDERSEN / AFPKein Zeichen der Entspannung: Die bestehenden Regeln zum Corona-Shutdown sollen weiterhin gültig bleiben – und werden in manchen Punkten verschärft. Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten haben nach SPIEGEL-Informationen bei ihrer Videokonferenz vereinbart, dass in Landkreisen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner die Länder lokale Maßnahmen ergreifen. Dazu zählt insbesondere die Einschränkung des Bewegungsradius auf 15 Kilometer um den Wohnort. Ausnahmen soll es nur bei triftigem Grund geben, tagestouristische Ausflüge stellen explizit keinen solchen dar.
Zudem sollen die gemeinsam von Bund und Ländern beschlossenen Maßnahmen über den 10. Januar hinaus bis zum 31. Januar 2021 gelten. Das geht aus der Beschlussvorlage für die Videokonferenz hervor. Das Dokument liegt dem SPIEGEL vor.
Mit Blick auf die Öffnung von Schulen und Kitas einigten sich Bund und Länder am Nachmittag auf die Feststellung, dass die Aussetzung der Präsenzpflicht und der Distanzunterricht über einen längeren Zeitraum »nicht ohne negative Folgen« bleiben werde. Dennoch müssten die Maßnahmen auch in diesem Bereich bis Ende Januar verlängert werden. Am Montag hatte sich die Kultusministerkonferenz der Länder für eine schrittweise Rückkehr zum Präsenzunterricht ausgesprochen, sobald es die Infektionszahlen erlaubten.
»Kontakte auf das absolut notwendige Minimum beschränken«
Für solche Lockerungen ist es aber wohl noch zu früh: Besonders die Regeln für private Zusammenkünfte sollen der Beschlussvorlage zufolge verschärft werden. Treffen wären dann nur noch mit einer nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes erlaubt.
»Die Bundeskanzlerin und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bitten alle Bürgerinnen und Bürger dringend, auch in den nächsten drei Wochen alle Kontakte auf das absolut notwendige Minimum zu beschränken und soweit möglich zu Hause zu bleiben«, heißt es in der Beschlussvorlage.
Der Bund wolle auch gesetzlich regeln, dass das Kinderkrankengeld in diesem Jahr für zehn zusätzliche Tage pro Elternteil gewährt werde. Alleinerziehende sollen Anspruch auf Kinderkrankengeld für 20 zusätzliche Tage haben. Die Regelung solle »auch für die Fälle gelten, in denen eine Betreuung des Kindes zu Hause erforderlich wird, weil die Schule oder der Kindergarten bzw. die Klasse oder Gruppe pandemiebedingt geschlossen ist oder die Präsenzpflicht im Unterricht ausgesetzt wurde«.
Zudem sollen für Alten- und Pflegeheime besondere Schutzmaßnahmen getroffen werden, etwa eine Ausweitung des Testregimes. Mindestens bis dort die Impfungen mit beiden Impfdosen abgeschlossen sind, kommt demnach Schnelltests beim Betreten der Einrichtungen eine besondere Bedeutung zu.
»Die vor uns liegenden Monate Januar, Februar und März werden jedoch noch erhebliche Geduld und Disziplin aller erfordern«, heißt es in dem Papier. Gründe seien, dass die Wintermonate die Ausbreitung des Virus begünstigten und es noch dauere, bis die begonnenen Impfungen die Infektionsdynamik minderten.
Aktuell liegt demnach in drei Vierteln der deutschen 410 Land- und Stadtkreise die Sieben-Tage-Inzidenz bei über 100. In über 70 Land- beziehungsweise Stadtkreisen infizierten sich derweil mehr als 200 Menschen pro 100.000 Einwohner innerhalb der vergangenen sieben Tage mit dem Coronavirus. Ziel von Bund und Ländern bleibt es, die Sieben-Tage-Inzidenz auf unter 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner zu senken.
Bund verspricht »Impfangebote«
Eine präzise Einschätzung der Entwicklung des Infektionsgeschehens sei aktuell außerordentlich schwierig, heißt es weiter. Test- und Meldeverzögerungen nach den Feiertagen sowie die Auswirkungen des besonderen Besuchs- und Reiseverhaltens zum Jahreswechsel erschwerten diese. Es sei davon auszugehen, dass die derzeitigen Meldezahlen das tatsächliche Infektionsgeschehen tendenziell zu gering abbildeten.
Der Bund verspricht den Ländern in der Vorlage zudem, verlässliche Lieferzeiten für den Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer zu nennen. Bis Ende 2020 seien den Ländern 1,3 Millionen Impfdosen geliefert worden, bis zum 1. Februar sollen es demnach knapp 2,7 Millionen weitere sein. Allen Bewohnerinnen und Bewohnern von stationären Pflegeeinrichtungen solle »im Laufe des Januars« ein »Impfangebot« gemacht werden. Der SPIEGEL hatte am Montag bereits über Pläne des Bundesgesundheitsministers berichtet, die Impfkampagne zu beschleunigen.
Vor den Beratungen von Bund und Ländern, aus denen die Beschlussvorlage hervorging, hatte sich ein Konflikt über weitere Verschärfungen abgezeichnet. Während Kanzlerin Angela Merkel auf harte Ausgangsbeschränkungen gedrängt hatte, war dieser Vorschlag bei den Ländern auf Widerstand gestoßen. Die Kanzlerin hatte Ausgangsbeschränkungen demnach schon ab einer Inzidenz von 100 Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen gefordert – statt nun, wie beschlossen, ab 200 Neuinfektionen.