Corona-Regeln Söder spricht sich gegen schärferen Shutdown aus

Bayerns Regierungschef lobt die eigene Corona-Strategie – und fordert die anderen Länder auf, sich ein Beispiel an der strengen Auslegung zu nehmen. Neue Regeln, wie das Kanzleramt sie fordert, hält er nicht für nötig.
Markus Söder: »Die Zahlen in Bayern entwickeln sich verhalten positiv«

Markus Söder: »Die Zahlen in Bayern entwickeln sich verhalten positiv«

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Daniel Karmann / dpa

Bislang gehörte Markus Söder meist zu den Länderchefs, die früh Verschärfungen der Corona-Maßnahmen forderten. Aktuell sieht er sein Bundesland jedoch gut vorbereitet – und nimmt die anderen Regierungschefs in die Pflicht.

»Wir müssen den Lockdown bis Mitte Februar verlängern«, sagte Söder dem »Münchner Merkur« vor den Beratungen der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel am Dienstag. »Die Zahlen in Bayern entwickeln sich verhalten positiv. Die Inzidenzen gehen nach unten und die Maßnahmen wirken«, sagte Söder. »Das ist aber kein Anlass, vorzeitig abzubrechen. Wer jetzt über Nacht lockert, riskiert ein Hochschnellen der Zahlen – Irland hat das auf tragische Weise erlebt.«

Bis Mitte Februar habe man auch einen besseren Kenntnisstand über die neuen Virusmutationen, die in Großbritannien, Südafrika und Brasilien aufgetreten sind. »Der bisherige Lockdown bremst in jedem Fall die gefährlichere Virusvariante.«

Für Bayern plant Söder daher zunächst keine Verschärfungen der Maßnahmen – er fordert aber die anderen Länder auf, sich an seinem Bundesland zu orientieren und die vereinbarten Regeln strikter umzusetzen.

Söder sagte, Bayern habe »jetzt schon eines der höchsten Schutzlevel in Deutschland«. Es sei das Land mit flächendeckender Ausgangssperre, mit einem strengen Radius für Tagesausflügler, man habe außerdem Kitas geschlossen und alle Schulen im Distanzbetrieb. »Seit heute gilt auch die bundesweit strengste FFP2-Maskenpflicht«, sagte Söder. Eine Verschärfung sei deshalb im Freistaat nicht geboten. »Wir müssen immer auch die Akzeptanz der Bevölkerung im Blick behalten, und im Moment ist diese Grundakzeptanz relativ hoch.«

Statt für eine Verschärfung der Maßnahmen sprach sich der CSU-Chef wie schon bei früheren Gelegenheiten für eine bundesweite Vereinheitlichung aus – am besten auf dem Level der bayerischen Maßnahmen. »Besser wäre es, wenn alle die in Berlin beschlossenen Maßnahmen einheitlich umsetzen würden.« Je differenzierter die Lösung sei, »desto weniger wird sie oft akzeptiert«, sagte Söder. »Was für alle gilt, ist gerecht.« Zuvor hatte sich vor allem das Bundeskanzleramt für neue Regeln und Verschärfungen eingesetzt .

Söder rechnet aber mit Anpassungen beim Homeoffice: »Wichtig ist: Wir brauchen einen höheren Anteil von Arbeitnehmern im Homeoffice, um die Kontakte zu reduzieren.« Eine Homeoffice-Pflicht werde es wohl nicht geben, »aber wir setzen uns für steuerliche Anreize ein«. Homeoffice müsse »wo immer möglich« das Ziel sein.

Auch Ramelow fordert mehr Einheitlichkeit

Thüringen drängt hingegen auf einen »verbindlich geltenden Abschluss« der Diskussion um die Homeoffice-Pflicht. Das geht aus einem Fahrplan von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) für die kommenden Wochen hervor, der dem SPIEGEL vorliegt. Es sei zudem weiterhin notwendig, Kontakte zu reduzieren und die Mobilität der Menschen »so weit es geht zu minimieren«. Dazu müssten die von Bund und Ländern gefassten Beschlüsse einheitlich umgesetzt werden, was bislang »nur in eingeschränktem Maße« der Fall sei, konstatiert Ramelow.

Kritisch äußerte sich der Linkenpolitiker auch über den Rhythmus der Bund-Länder-Gespräche. Anstelle der »kurzfristig verabredeten Schaltkonferenzen« solle es »ein langfristiger planbares und nachvollziehbares System« geben, forderte Ramelow. Das bisherige Vorgehen beschrieb er als ständiges Ringen um Maßnahmen, »bei denen anschließend – der Logik des föderalen Parteienwettbewerbs folgend – geprüft wird, wer sich durchgesetzt habe oder nicht.«

FFP2-Masken sollten aus Sicht des thüringischen Regierungschefs dort Pflicht sein, »wo Menschen länger und dichter zusammenarbeiten müssen und sich nicht ausweichen können«. Dort seien sie »den Beschäftigten kostenfrei als Teil der Arbeitsausstattung zur Verfügung zu stellen«. Eine weitergehende FFP2-Maskenpflicht setze hingegen voraus, dass die öffentliche Hand solche Masken erwirbt und zur Verfügung stellt, so Ramelow.

Dreyer sieht Shutdown-Verlängerung als Verschärfung

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte in Mainz, bei ihren Vorgesprächen seien die sozialdemokratischen Regierungschefs einerseits für eine Verlängerung des Lockdowns bis zum 14. Februar gewesen. Dies müsse aber andererseits auf jeden Fall an Wirtschaftshilfen gekoppelt werden. Zum Thema Ausgangssperren äußerte sie sich zurückhaltend, dies sei »nicht unbedingt das Thema der Sozialdemokraten«. Es sei ein »sehr, sehr starker Eingriff in die Rechte der Bevölkerung«. Die Verlängerung des Shutdowns sei »schon eine Verschärfung der Maßnahmen«, sagte Dreyer. »Die Menschen haben ja gehofft, dass es Ende Januar vorbei ist.«

Skeptisch sind die SPD-geführten Länder laut Dreyer weiterhin bei einer möglichen bundesweiten FFP2-Maskenpflicht. Die Masken seien möglicherweise nicht in ausreichender Zahl verfügbar, komplizierter in der Anwendung als Alltagsmasken und teuer. Ein möglicher Kompromissvorschlag für die Beratungen am Dienstag: In Bussen und Bahnen soll »mindestens ein medizinischer Mund-Nasen-Schutz getragen werden«, sagte Dreyer.

Tschentscher: Lockdown »an einigen Punkten schärfen«

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte hingegen, er gehe davon aus, »dass wir den Lockdown verlängern und an einigen Punkten schärfen müssen«. Insbesondere die berufsbedingte Mobilität sei noch zu hoch. »Wir erkennen dies an der starken Auslastung von Bussen und Bahnen in den Hauptverkehrszeiten«, sagte Tschentscher. Homeoffice und mobiles Arbeiten müssten deshalb ausgeweitet werden.

Tschentscher empfahl dem Bund zudem »dringend, bei Einreise aus Virusmutationsgebieten einen negativen PCR-Test vorzuschreiben. Schnelltests sind dafür nicht zuverlässig genug.« Wichtig sei nun, den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse mit Experten zu erörtern. Unter anderem solle das Robert Koch-Institut eine fachliche Einschätzung geben, »wie im ÖPNV der Infektionsschutz durch geeignete Masken verbessert werden kann«.

Heil für »mehr Verbindlichkeit« bei Homeoffice-Angebot

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil kündigte an, beim Corona-Gipfel am Dienstag Vorschläge für eine Verschärfung der Arbeitsschutzstandards zu unterbreiten. »Da geht es um Fragen der Hygiene, der Abstände, möglicherweise auch der Testung«, sagte Heil. »Wir dürfen in den Anstrengungen gerade jetzt nicht nachlassen.« Wenn es dazu am Dienstag eine politische Einigung gebe, werde er unverzüglich entsprechende Rechtsverordnungen umsetzen.

Bei den Beratungen müsse aber auch über Homeoffice gesprochen werden, sagte Heil. »Ich bin dafür, dass wir das mit mehr Verbindlichkeit versehen, was die Frage des Angebots betrifft.« Da, wo das betrieblich möglich sei und die Tätigkeiten es hergäben, sollte Homeoffice angeboten werden, sagte der Arbeitsminister. Für Arbeitnehmer solle es hingegen beim Appell bleiben, denn mit einer Verpflichtung sind rechtliche Schwierigkeiten verbunden.

»Mir ist wichtig, dass wir das tun, was notwendig ist, um die Beschäftigten zu schützen«, sagte Heil. »Es können sich alle darauf verlassen, dass diese Maßnahmen zeitlich befristet sind, solange es notwendig ist und dass sie verhältnismäßig sind.« Es gebe in der Arbeitswelt »ein sehr diverses Geschehen« mit »sehr, sehr unterschiedlichen Bedingungen«.

mes/mad/mab/stw/AFP/dpa

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