Corona-Zahlen weiter außer Kontrolle Mehrere Länder machen sich für Shutdown-Verlängerung stark

Verwaiste Fußgängerzone in Frankfurt am Main: An Wochentagen sind die meisten Geschäfte geschlossen
Foto: Marcel Lorenz / imago imagesKurz vor den Beratungen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten signalisieren mehrere Länder, dass sie eine Verlängerung des geltenden Shutdowns für unvermeidbar halten. Bislang sind die Maßnahmen, darunter die Schließung von Geschäften und Schulen, bis zum 10. Januar befristet.
Für eine Verlängerung bis Monatsende sprach sich unter anderem die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) aus. »Ich bin der Auffassung, dass wir durchaus verlängern müssen bis Ende Januar«, sagte Dreyer dem SWR. Diese Einschätzung teilten ihr zufolge »die Mehrheit der Kollegen« in den anderen Ländern. Die Nachrichtenagentur dpa berichtete am Montag, fast alle Bundesländer seien für eine Verlängerung des Shutdowns. Eine Bestätigung gab es dafür bislang nicht. Auch die Bundesregierung tritt für eine Ausweitung bis Ende Januar ein.
Dreyer erwartet »sehr klare Vorschläge« für Februar
»Wir haben leider noch nicht die Zahlen, die wir brauchen«, sagte Dreyer mit Blick auf die Entwicklung der Corona-Infektionen. Nach den Feiertagen zu Weihnachten und zum Jahreswechsel gebe es zurzeit wenig Klarheit zur tatsächlichen Entwicklung. »Wir können im Moment eigentlich nicht richtig abschätzen, wie die Situation ist, auch weil weniger getestet worden ist, weniger Ärzte offen hatten.«
Bis Ende des Monats müsse es aber »sehr klare Vorschläge« geben, wie es im Februar weitergehen solle, sagte Dreyer dem SWR. »Da muss man wieder Schritt für Schritt in ein öffentlicheres Leben kommen«. Es sei nicht vorstellbar, »dass wir dauerhaft in einer solchen Shutdown-Situation bleiben«. Hoffnung gebe die jetzt begonnene Impfaktion. Sie wünsche sich, »dass wir perspektivisch auch mehr Impfstoff haben, sodass wir noch stärker in die Vollen gehen können«.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) hatten bereits am Wochenende eine Shutdown-Verlängerung bis Ende Januar gefordert. Ihre Bundesländer sind stark von der zweiten Infektionswelle betroffen. »Vorschnelle Lockerungen würden uns wieder weit zurückwerfen«, sagte Söder der »Bild am Sonntag«. Erst Mitte Januar wisse man wirklich, wie sich Weihnachten und Silvester auf die Infektionszahlen ausgewirkt hätten. »Wir müssen konsequent bleiben und dürfen nicht wieder zu früh aufgeben.«
Kretschmer befürchtet »Jo-Jo-Effekt« bei Lockerungen
Kretschmer warnte am Montag vor einem »Jo-Jo-Effekt« bei einer vorschnellen Lockerung der aktuellen Maßnahmen. All jene Länder, die dies probierten, würden dann wieder in den Lockdown zurückfallen, sagte Kretschmer im ARD-»Morgenmagazin«. Dieser »Jo-Jo-Effekt« sei »viel schlimmer, als wenn wir jetzt eine gewisse Zeit lang Nerven behalten, konsequent bleiben und versuchen, die Zahlen weiter zu reduzieren«.
Mit Eltern und Lehrern, aber auch mit den Kindergärten müsse darüber gesprochen werden, dass die Einrichtungen noch für eine gewisse Zeit geschlossen bleiben müssten, um das Bewegungsgeschehen weiter zu reduzieren. »Geöffnete Geschäfte, geöffnete Schulen bedeuten so viel Bewegung, so viele Möglichkeiten, sich gegenseitig anzustecken, ohne das zu merken.«
Gelockert werden könnten die Corona-Auflagen dann, wenn die Krankenhäuser wieder weniger Patienten hätten und die Gesundheitsämter es schafften, Kontakte verlässlich nachzuverfolgen, sagte Kretschmer. Es gehe darum, positiv getestete Menschen und ihre Kontaktpersonen schnell in Quarantäne zu bringen, damit die Infektionsketten unterbrochen würden.
Besorgt äußerte sich Kretschmer über die Situation mittelständischer Unternehmen. Deswegen müsse beim Bund-Länder-Treffen am Dienstag über Wirtschaftshilfen für diejenigen gesprochen werden, die ihre Geschäfte noch nicht öffnen können.
Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hob die Gefahr durch die neue Mutation des Virus hervor. Bund und Länder dürften keine weiteren Risiken eingehen, insbesondere mit Blick auf die Virusvariante B.1.1.7 mit ihrer erhöhten Ansteckungsgefahr, sagte Hans den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die in Großbritannien entdeckte Virusmutation war Ende des vergangenen Jahres auch in Deutschland nachgewiesen worden. Sie ist nach Einschätzung von Wissenschaftlern deutlich ansteckender als die bisher bekannte Version.
»Unsere Krankenhäuser sind an der Grenze ihrer Belastbarkeit, und ohne eine Verlängerung des Lockdowns bekommen wir die Lage nicht dauerhaft in den Griff«, sagte Hans. Um eine dritte Corona-Welle zu verhindern, müsse man an einem »harten Lockdown« festhalten. »Vorschnelle Lockerungen können uns wieder im Kampf gegen die Pandemie zurückwerfen, das ist die leidvolle Lehre aus den Erfahrungen des vergangenen Jahres.«
Um das Infektionsgeschehen überall möglichst gering zu halten, sei auch ein Regelbetrieb an Schulen und Kitas im Januar in der derzeitigen Lage kaum denkbar. Einzig Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte zuletzt offensiv für eine schnelle Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts plädiert.