Stimmenfang - Der Politik-Podcast "Haben Sie Angst, dass Sylt das nächste Ischgl wird?"
Ein bisschen skeptisch war Carsten Kerkamm dann doch, als die Landesregierung von Schleswig-Holstein Mitte Mai entschied: Urlaub auf Sylt - geht wieder! Der stellvertretende Bürgermeister der Nordseeinsel hatte Bedenken: Können wir für die Sicherheit der Besucher garantieren? Setzen wir damit die Einheimischen einer erhöhten Infektionsgefahr aus? "Aber im Nachhinein müssen wir feststellen: Es ist bisher alles gut gegangen. Da hatte die Landesregierung den richtigen Riecher."
Die touristische Hauptsaison hat in diesen Tagen begonnen, doch der Sommerurlaub im Corona-Jahr 2020 ist in vielerlei Hinsicht besonders. Ein Unterschied zu vorherigen Jahren: Deutlich mehr Menschen urlauben in Deutschland. Wie managen die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der deutschen Ferienorte diesen Ansturm?
Darum geht es in der neuen Folge von Stimmenfang, dem Politik-Podcast vom SPIEGEL.
Die Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen, Elisabeth Koch (CSU), stellt fest, dass die Touristen während der Corona-Pandemie ganz andere Prioritäten setzen: "Das Problem, das wir im Moment haben, ist, dass der Tourismus sich ganz andere Räume sucht. Die Leute suchen Individualität, wollen in ihrem Camper oder Wohnmobil allein an einem schönen Platz stehen. 'Ich will nicht ins Hotel, wo viele andere sind, sondern ich will meine Individualität ausleben'".
Auch auf Sylt, bei dem stellvertretenden Bürgermeister Carsten Kerkamm hat sich die Art und Weise des Urlaubs verändert. "Strandpartys gibt es natürlich nicht in dem Umfang, wie es sie sonst gibt", sagt der CDU-Politiker. Bisher habe Sylt mit der Öffnung für Touristen gute Erfahrungen gemacht, "es gibt im Moment auf der ganzen Insel keine Infektion".
Während die Lokalpolitiker in Garmisch-Partenkirchen und auf Sylt sich vor Leuten fast nicht retten können, sagt Klaus King, Bürgermeister vom bayrischen Oberstdorf: "Die Gäste kommen noch verhalten. Wir rechnen aktuell damit, dass wir 20 bis 25 Prozent weniger Gäste als im Vorjahr haben werden. Die Ausfälle der vergangenen Monate können wir nicht mehr aufholen."
Doch nicht nur für die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister hat sich die Urlaubssaison grundlegend verändert - auch auf die Touristen selbst kommen viele Fragen zu. Im Podcast beantwortet die SPIEGEL-Wissenschaftsjournalistin Julia Köppe deswegen auch die wichtigsten Fragen, die man vor dem Urlaubsantritt hat.
Sie können »Stimmenfang« in allen Podcast-Apps kostenlos hören und abonnieren. Klicken Sie dafür einfach auf den Link zu ihrer Lieblings-App:
Und abonnieren Sie dann den Podcast, um keine Folge zu verpassen. Wenn Sie lieber eine andere Podcast-App nutzen, suchen Sie dort einfach nach »Stimmenfang«. Den Link zum RSS-Feed finden Sie hier .
Der ganze Podcast zum Lesen
[00:00:05] Matthias Kirsch Willkommen zum Stimmenfang, dem Politik-Podcast vom SPIEGEL. Ich bin Matthias Kirsch. Deutschland macht Urlaub, und in diesem Sommer heißt das vor allem: Die Deutschen machen Urlaub in Deutschland - zum Beispiel an der Ostsee, der Nordsee oder in den Alpen. Denn das Coronavirus ist schließlich nicht verschwunden. Das weiß auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.
[00:00:35] Markus Söder Es bleibt dabei: Wir müssen wirklich aufpassen. Das gilt dann auch für den Urlaub. Ich gönne allen ihre Ferien und wünsche auch schöne Ferien, aber auch da müssen wir dann aufpassen, und zwar zum Schutz aller Beteiligten.
[00:00:45] Matthias Kirsch Denn mit dem Sommerurlaubern kommen natürlich auch die Angst vor einer zweiten Infektionswelle. Im Winter war ja der Skiort Ischgl zum Beispiel maßgeblich mit schuld an der Verbreitung des Virus in Europa.
[00:00:58] Jens Spahn (Bundesgesundheitsminister) Und jetzt darf nicht Ballermann sozusagen das nächste Ischgl werden und Party feiern, würde ich mal sagen, ist dieses Jahr weniger angesagt.
[00:01:05] Matthias Kirsch Partymachen ist nicht, fand also Gesundheitsminister Jens Spahn. Was Spahn, Söder und andere Bundes- und Landespolitiker in diesen Tagen entscheiden, müssen am Ende allerdings Lokalpolitiker in den Touristen-Regionen vor Ort umsetzen. Das ist eine Herausforderung.
[00:01:22] Elisabeth Koch (Bürgermeisterin) Ich will nicht ins Hotel, wo viele andere sind, die das Gleiche suchen, sondern ich will meine Individualität ausleben, und das ist es, was uns im Moment größte Probleme bereitet.
[00:01:34] Klaus King (Bürgermeister) Wir rechnen auch jetzt aktuell, dass wir zirka um 20, 25 Prozent unter dem Vorjahr bleiben.
[00:01:41] Matthias Kirsch Wir machen in dieser Stimmenfang-Folge, eine kleine Reise durch deutsche Urlaubsorte und sprechen mit Bürgermeisterin und Bürgermeister. Und weil das Urlaub machen dieses Jahr auch viele praktische Fragen mitbringt, spreche ich danach noch mit meiner Kollegin Julia Köppe aus dem SPIEGEL Wissenschaftsressort.
[00:02:00] Julia Köppe Der sicherste Urlaub, den ich mir gerade vorstellen kann, ist allein in einem abgelegenen Ort in den Bergen, vielleicht in einer einsamen Hütte. Das ist natürlich aber nicht die Art von Urlaub, wie wir ihn uns vorstellen.
[00:02:13] Matthias Kirsch Und zum Abschluss der heutigen Folge hören wir noch von meinem Kollegen Juan Moreno vom SPIEGEL Auslands-Podcast. Er hat mir erzählt, wie es eigentlich zurzeit auf Mallorca, der Lieblingsinsel der Deutschen, mit dem Tourismus aussieht.
[00:02:27] Juan Moreno Mallorca ist so schön wie nie zuvor, das kann ich wirklich sagen - und zeitgleich so traurig wie nie zuvor.
[00:02:37] Matthias Kirsch Wir starten aber in Deutschland, genauer gesagt im südlichsten Zipfel des Landes, in Garmisch-Partenkirchen, bei der CSU-Bürgermeisterin Elisabeth Koch. Hallo, Frau Koch.
[00:02:48] Elisabeth Koch (Bürgermeisterin) Grüß Gott!
[00:02:49] Matthias Kirsch Wie ist denn die Lage gerade in Garmisch? Erzählen Sie mal, wie läuft das gerade ab in dieser Corona-Zeit?
[00:02:56] Elisabeth Koch (Bürgermeisterin) Zunächst einmal darf man nicht vergessen, dass meine Gemeinde eben auch vom Tourismus lebt. Das ist unser Schlüsselgewerbe. Und uns ist jeder Gast herzlich willkommen. Das Problem, das wir im Moment haben, ist ja, dass der Tourismus sich ganz andere Räume sucht. Wir stellen fest hier bei uns, und das meine Amtskollegen hier, mit denen ich mich viel unterhalte, stellen das auch fest, dass die Individualität so durchbricht. Das heißt: Ich will zum Beispiel in meinem Camper oder in meinem Wohnmobil alleine an einem schönen Platz stehen. Ich will nicht ins Hotel, wo viele andere sind, die das Gleiche suchen, sondern ich will meine Individualität ausleben, und das ist es, was uns im Moment größte Probleme bereitet.
[00:03:48] Matthias Kirsch Jetzt haben Sie diese Individualität da angesprochen, der Urlauber. Hat das Ihrer Meinung nach denn was auch mit der Corona-Pandemie zu tun?
[00:03:56] Elisabeth Koch (Bürgermeisterin) Ja, auf alle Fälle. Ganz klar, auf alle Fälle. Weil dieser verstärkte Raum, für sich selber zu sein, für sich selber etwas in Anspruch zu nehmen, hat es ja vorher in der Form nicht gegeben. Bei uns ist ja immer schon auch Individualtourismus gewesen, indem man zum Beispiel in Garmisch-Partenkirchen parkt, durch das Rheintal auf die Zugspitze geht und auf den Hütten weg übernachtet. Das hat ja auch was mit Individualität zu tun. Aber jetzt stellen wir fest, dass viele gerade dieses Zusammensein in Hotels oder Berghütten scheuen und sich individuell in die Landschaft begeben und da ihre Zelte aufschlagen.
[00:04:39] Matthias Kirsch Natürlich sind die Hotels und Ferienwohnungen, die ganze Tourismusbetriebe, ja trotzdem auch Teil davon. Und viele von denen wollen ja jetzt auch das verpasste Geschäft der letzten Monate aufholen. Sie als Bürgermeisterin müssen ja sicherstellen, dass trotzdem überall die Hygienemaßnahmen eingehalten werden. Wie schwierig ist denn dieser Spagat?
[00:05:00] Elisabeth Koch (Bürgermeisterin) Ich als Bürgermeisterin muss nicht aufpassen, dass die Hygienevorschriften eingehalten werden. Das ist ganz klar Sache des staatlichen Gesundheitsamtes und angesiedelt bei unserem Landratsamt. Ich muss schauen, dass mein Ort sauber bleibt, dass meine Leute hier auch die Einheimischen noch ihren Lebensraum haben. Und wenn ich schaue, wie es zum Beispiel rund ums Ski-Stadion ist, das ist einfach der größte Hotspot in Garmisch-Partenkirchen, rund um das Stadion, um die Partnachklamm und so weiter, dass sich niemand darum schert, ob der Mensch, der neben einem parkt, noch raus kann, weil ich ihm nämlich komplett zugeparkt habe. Dann läuft hier etwas schief. Und da ist dann mein Job, hier regulierend einzuwirken und gegebenenfalls auch die Rechtsmittel auszunutzen, die mir als Bürgermeisterin zur Verfügung stehen.
[00:05:57] Matthias Kirsch Dass hier jetzt so viele Leute aus ganz Deutschland zu Ihnen kommen, haben Sie da Angst, dass vielleicht einfach auch ganz viele Menschen das Virus mit nach Garmisch bringen?
[00:06:08] Elisabeth Koch (Bürgermeisterin) Sagen wir es so: Ich habe Sorge, natürlich. Aber die habe ich nicht nur wegen Menschen aus Deutschland, sondern die allgemeine Situation, die Pandemie, die Zahlen weisen auf, dass wir unter Umständen auf eine zweite Welle zuwandern. Das ist doch das Problem. Wenn eine zweite Welle kommt, ein zweiter Shutdown, dann steht Garmisch-Partenkirchen wieder still. Tourismus ist unser Schlüsselgewerbe. Und insofern kann ich nur appellieren an die Gastgeber, auch hier im Ort: Bittet haltet euch dran! Aber wir sind hier eine Kommune, wir sind nicht der Nabel der Welt.
00:06:48] Matthias Kirsch Wie ist denn Ihr Eindruck, jetzt, wo die Saison angefangen hat? Wie sind denn die Betriebe auch im Ort? Sind Sie gut vorbereitet auf diese ungewöhnliche Situation?
[00:07:00] Elisabeth Koch (Bürgermeisterin) Ich bin ja viel unterwegs und schaue noch meinen Leuten - sei es jetzt in der Fußgängerzone, die Gastronomie oder die Hoteliers. Die haben sich alle wirklich 1a vorbereitet, was ja nicht einfach war. Es kam ja jeden Tag eine andere Verordnung. Und diese Hygienevorschriften gerade in kleinen Betrieben, in Familienbetrieben umzusetzen, bedarf einer riesigen Anstrengung - sowohl an Arbeitsleistung als auch an Hygienemitteln und so weiter.
[00:07:31] Matthias Kirsch Sie haben es angesprochen: Es kamen da ganz oft, ganz viele verschiedene Ansagen. Und die Kanzlerin und auch der Ministerpräsident Markus Söder haben ja gesagt, jetzt in den letzten Tagen: Ja, wir gönnen den Leuten ihren Urlaub. Aber wir müssen weiterhin vorsichtig sein. Fühlen Sie sich denn da, auch von der Landesregierung, gut unterstützt oder eher im Stich gelassen?
[00:07:52] Elisabeth Koch (Bürgermeisterin) Da geht es jetzt nicht darum, ob ich mich unterstützt fühle, sondern ob ich diese Maßnahmen als Bürgermeisterin mittragen kann. Und ja, ich kann sie mittragen. Es gibt Dinge, die verstehe ich nicht, weil mir die Begründung fehlt, warum zum Beispiel 800 Quadratmeter bei Geschäften und eben nicht 700 oder 900 Quadratmeter. Das sind Sachen, die verstehe ich nicht. Ich verstehe jetzt zum Beispiel auch nicht, wenn man bei der Umsatzsteuer, bei der Mehrwertsteuer sind, dass Latte Macchiato, weil sie mehr als 15 Prozent Milch hat, einen anderen Mehrwertsteuersatz als Cappuccino. Die sind Sachen, die versteh ich nicht. Das finde ich völligen Irrsinn. Aber was ich mittrage und was ich verstehe, ist die tagesaktuelle Entscheidung der Staatsregierung in Bayern. Das kann ich mittragen, weil ich es selber sehe.
[00:08:47] Matthias Kirsch Es gab ja zum Beispiel in Österreich einige Wintersportorte, die zu sogenannten Corona- Drehscheiben wurden. Das prominenteste Beispiel ist ja Ischgl. So ein Stigma zu haben ist ja für einen Urlaubsort, für einen Ort und eine Gemeinde, die vom Tourismus geprägt sind, sehr schlecht. Wie kann man denn überhaupt verhindern, dass es zu einem solchen Ausbruch kommt?
[00:09:14] Elisabeth Koch (Bürgermeisterin) Im Moment gibt es hier in der Bundesrepublik auch zigmillionen Virologen. Da gehöre ich nicht dazu. Ich kann Ihnen nur sagen, dass Garmisch-Partenkirchen noch nie diesen Weg des Massentourismus gegangen ist. Das hat es bei uns in der Form noch nie gegeben. Das ist unser größtes Kapital. Und darum hat es so Auswirkungen wie zum Beispiel in Ischgl nie gegeben.
[00:09:36] Matthias Kirsch Frau Koch, vielen Dank.
[00:09:38] Elisabeth Koch (Bürgermeisterin) Bitteschön, war mir eine Freude.
[00:09:41] Matthias Kirsch Wie sieht es aber am anderen Ende Deutschlands aus, ganz im Norden, auf Sylt? Das erzählt uns jetzt der stellvertretende Bürgermeister der Nordseeinsel, Carsten Kerkamm, CDU. Hallo, Herr Kerkamm.
[00:09:56] Carsten Kerkamm (Bürgermeister) Hallo, Herr Kirsch, ich grüße Sie.
[00:09:56] Matthias Kirsch Wie sieht es denn in diesen Tagen aus auf Sylt? Was ist denn in diesem Jahr anders als in den - ich nenne sie mal - "normalen" Jahren?
[00:10:04] Carsten Kerkamm (Bürgermeister) Naja, anders ist natürlich, dass sowohl die Einheimischen, die Vermieter, als auch die Gäste, das stellt man schon fest, insgesamt doch sehr vorsichtig sind, auch im Umgang mitinander. Da werden schon die Hygieneregelungen beachtet, das stelle ich fest. Man geht natürlich essen, auch hier wird von den Restaurants doch sehr auf Abstand geachtet. Das konnte ich selbst überprüfen und habe das auch überprüft. Strandpartys und ähnliches gibt es in dem Umfang nicht, wie es die sonst gibt. Ausreißer, klar, die gibt es ab und an mal.
[00:10:38] Matthias Kirsch In den vergangenen Tagen wurden ja immer wieder Fotos von überfüllten deutschen Stränden verbreitet. Wie bringt man denn die Menschen an einem Urlaubsort dazu, auch am Strand auf die Abstandsregeln zu achten?
[00:10:51] Carsten Kerkamm (Bürgermeister) Wir haben hier auf Sylt natürlich den großen Vorteil, dass wir den längsten Sandstrand Deutschlands haben. Insofern können die Gäste, als auch die Einheimischen, schon den Strand genießen und müssen da nicht wie in anderen touristischen Gebieten wie die Sardinen nebeneinander liegen. Das haben wir hier so nicht. Und dann kann man natürlich mal sagen, wenn zu viele Menschen zusammenliegen: Gehört ihr zusammen oder gehört ihr nicht zusammen. Wir achten sehr darauf, dass auch die Masken überall getragen werden. Es besteht natürlich in den Straßen, das wurde mal gesagt, keine Maskenpflicht, aber das wurde doch empfohlen von uns. Wenn es etwas voller ist und der Abstand eventuell nicht eingehalten werden kann, dann doch bitte auch die Maske zu tragen.
[00:11:35] Matthias Kirsch Wäre Sylt denn darauf vorbereitet, wenn es zu einem größeren Corona-Ausbruch auf der Insel kommen würde?
[00:11:42] Carsten Kerkamm (Bürgermeister) Selbstverständlich. Wir stehen im engen Kontakt mit dem Kreis Nordfriesland, dort dem Gesundheitsamt, und haben hier natürlich auch bei uns eine entsprechende Katastrophenstelle eingerichtet, dass wir dann eben auch sofort reagieren können. Wir sind ebenfalls im Kontakt mit dem hiesigen Krankenhaus, das die entsprechenden Plätze vorhält. Man hat dort auch die Kapazitäten erheblich erweitert, wie das ja im gesamten Bundesgebiet ist. Im Moment haben wir den großen Vorteil, dass wir hier keinen Infizierten haben auf den Inseln. Wir hatten bisher auch noch niemanden, der im Krankenhaus entsprechend behandelt werden musste.
[00:12:17] Matthias Kirsch Haben Sie denn eigentlich Angst, dass die Touristen das Virus mit auf Sylt bringen können?
[00:12:22] Carsten Kerkamm (Bürgermeister) Wir hatten natürlich durchaus Bedenken vor Christi Himmelfahrt und Pfingsten. Denn gefühlt ist Pfingsten die Insel voller als der Rest des Jahres. Das hat sich Gott sei Dank nicht bewahrheitet. Das heißt, wir haben diesen Probelauf in Anführungsstriche, Christi Himmelfahrt und Pfingsten, sehr gut überstanden. Und ich will durchaus zugeben: Da hatten wir schon im Vorfeld Bedenken. Wie gesagt, ein oder zwei Ausreißer wird es immer geben. Aber was die infizierten Zahlen angeht, ist es weiter und war es weiterhin bei null.
[00:12:55] Matthias Kirsch Das heißt, die Öffnung der Strände und so weiter, die ist nicht zu früh gekommen.
[00:13:02] Carsten Kerkamm (Bürgermeister) Wir hatten in der Tat dort durchaus Bedenken, also die Öffnung der Inseln schon zum 18. Mai, also schon vor Pfingsten, müssen aber im Nachhinein feststellen: Die Landesregierung hat da den richtigen Riecher gehabt, trotz der Bedenken, die wir hier vor Ort hatten. Es ist alles gut gegangen. Da sind wir natürlich sehr froh drüber, und da können wir uns auch nur bei unseren Bürgerinnen und Bürgern als auch bei den Gästen bedanken, dass sie sich dann auch so verhalten haben, dass es gut gegangen ist.
[00:13:32] Matthias Kirsch Es gab in den letzten Wochen ja auch in Deutschland wieder größere Corona-Ausbrüche. Im Nachhinein wurden dann zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern Urlauber aus Gütersloh nach Hause geschickt. Ist das etwas, was Sie auch auf Sylt machen würden, wenn Urlauber da sind aus einer solchen Region?
[00:13:50] Carsten Kerkamm (Bürgermeister) Das gibt die Landesverordnung nicht her. Es gibt sie nicht her. Hier heißt es, wenn einer anreist und hätte keinen entsprechenden Test absolviert, der ein negatives Testergebnis hat, also kein Corona hat, dann muss er in Quarantäne. Er müsste nicht weggeschickt werden. Das liegt dann ausschließlich im Ermessen des jeweiligen Vermieters. Aber durch eine Rechtsgrundlage ist es nicht gedeckt.
[00:14:19] Matthias Kirsch Vielen Dank!
[00:14:22] Carsten Kerkamm (Bürgermeister) Ich danke Ihnen und bleiben Sie gesund!
[00:14:24] Matthias Kirsch Auch wenn die Ferienorte im Grunde überall mit den gleichen Problemen kämpfen, gibt es ja doch regionale Unterschiede auch in der Coronakrise. Deswegen habe ich hier noch einen dritten Politiker angerufen, nämlich Klaus King, den Bürgermeister von Oberstdorf, der von einem parteiübergreifenden Bündnis unterstützt wird. Hallo, Herr King!
[00:14:42] Klaus King (Bürgermeister) Grüß Gott, Herr Kirsch.
[00:14:42] Matthias Kirsch Herr King, können Sie uns denn mal erzählen, wie die Lage jetzt in Oberstdorf ist? Wie hat sich das Coronavirus dort auf den Start der Urlaubssaison ausgewirkt?
[00:14:52] Klaus King (Bürgermeister) Wir waren ja in der ersten Zeit aufgrund der politischen Gegebenheiten außen vor. Das heißt, wir durften keine Beherbergungen aufnehmen. Inzwischen ist es so, dass der Ort sich füllt. Das heißt, wir haben ein traumhaftes Wetter. Die Sonne scheint, die Berge strahlen, und die Gäste kommen - aber noch verhalten. Wir rechnen auch jetzt aktuell, dass wir zirka um 20, 25 Prozent unter dem Vorjahr bleiben.
[00:15:19] Matthias Kirsch Sie müssen ja jetzt auch von öffentlicher Seite irgendwie sicherstellen, dass überall die Hygienemaßnahmen so gut wie möglich eingehalten werden. Gleichzeitig wollen die Hotels und die Tourismusbetriebe ja auch ein bisschen das verpasste Geschäft der vergangenen Monate wieder aufholen.
[00:15:36] Klaus King (Bürgermeister) Es ist so, die verpasste Zeit können wir nicht mehr aufholen. Wir versuchen jetzt, dass dem Gast ein Angebot gemacht wird die schöne Herbstzeit. Damit ein bisschen das verlorene Geld, wenn man so sagen will, dass die Betriebe das wieder ein Stück weit zurückbekommen.
[00:15:52] Matthias Kirsch Es gab ja vor allem zum Ende der Wintersports Saison in einigen Wintersportorten große Corona-Ausbrüche - das prominenteste Beispiel natürlich das österreichische Ischgl. Das ist ja für einen Urlaubsort ein ganz schlimmes Stigma so in den Nachrichten zu stehen. Wie verhindern Sie denn, dass es zu einem solchen Ausbruch auch in Oberstdorf kommt?
[00:16:14] Klaus King (Bürgermeister) Oberstdorf ist nicht die Art von Ort, wo so etwas passieren kann. Diese Nachtbetriebe, die es in Ischgl in großer Zahl gibt oder in Sankt Anton oder in Lech, drüben, wo sich die Leute abends in großen Massen versammeln und man sich sehr nahe kommt, das gibt bei uns sehr, sehr selten. Das heißt, wir sind ja eher der ruhigere Urlaubsort, und hier wird wirklich rigoros darauf geschaut, dass da nicht das Überangebot ist, dass da nicht zu viel Leute auf einmal kommen.
[00:16:41] Matthias Kirsch Es gab ja jetzt in einigen Teilen Deutschlands gewisse Corona-Ausbrüche. In der Folge wurden auch Urlauber aus Gütersloh aus anderen Bundesländern dann nach Hause geschickt. Wenn es jetzt zu regionalen Ausbrüchen kommen würde und Sie haben Urlauber aus diesen Regionen bei sich zu Gast, würden Sie auch Menschen quasi aus dem Urlaub wieder nach Hause schicken?
[00:17:08] Klaus King (Bürgermeister) Ich würde versuchen, einen anderen Weg zu gehen und zwar den anderen Weg der Testung. Einfach dann Corona-Tests anbieten, damit man da eine gewisse Sicherheit hat. Ich denke, 100 Prozent werden wir nie bekommen. Aber ich finde es schlimm, wenn jetzt, wie Sie es schon erwähnt haben, die Leute aus Gütersloh, in Bayern jetzt ausgegrenzt wurden. Ich habe nachgeforscht und es gibt einige, die bei uns anreisen möchten. Denen haben wir jetzt auf den Weg gegeben: Bitte gehen Sie zu dem kostenlosen Test, den die Stadt Gütersloh anbietet. Dann sollte eigentlich nichts passieren. Und wenn es wirklich passiert, dann müssen wir eigentlich schauen, dass man mit dem Gesundheitsamt einfach hier auch Maßnahmen treffen und Tests anbieten.
[00:17:52] Matthias Kirsch Die Urlauber, irgendwann fahren die dann ja auch wieder nach Hause. Gibt es bei Ihnen die Angst, dass quasi die einheimische Bevölkerung aus Oberstdorf sich hier einem Risiko aussetzt, weil so viele Leute zu Gast kommen?
[00:18:06] Klaus King (Bürgermeister) Eine gewisse Befürchtung gibt es sicher bei den Vermietern, hauptsächlich von den kleineren Vermietern, die sich vielleicht zu wenig informiert haben über die Regeln und über die Hygienevorschriften; dass die sagen: Jetzt kommen so viele Gäste und bringen uns das. Aber es kann immer passieren. Das kann nur mit wenigen Gästen passieren. Man muss ja wirklich darauf achten, dass die Regeln eingehalten werden. Desinfektion, Mundschutz und so weiter. Auch ist es so: Wenn heute irgendein Vermieter Probleme oder Angst hat, dann kommt jemand von uns vom Tourismus, wir haben ja fast 70 Mitarbeiter, und helfen und zeigen den Leuten, wie man es umsetzen kann.
[00:18:46] Matthias Kirsch Herr King, vielen Dank für das Gespräch.
[00:18:47] Klaus King (Bürgermeister) Sehr gerne, Herr Kirsch.
[00:18:49] Matthias Kirsch Wir haben ja jetzt von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aus ganz Deutschland gehört. Es sind ja aber auch die Urlauber selbst, die Fragen haben. Und Antworten auf diese Fragen gibt uns jetzt meine Kollegin, Julia Köppe, aus dem Wissenschaftsressort des SPIEGEL. Hallo, Julia!
[00:19:06] Julia Köppe Hi!
[00:19:06] Matthias Kirsch Julia, in den Köpfen vieler Menschen ist die Pandemie ja schon irgendwie vorbei. Wenn wir uns zum Beispiel die Bilder anschauen, die von den deutschen Stränden an der Ostsee und der Nordsee in den letzten Tagen gekommen sind, diese Strände sind absolut voll. Wie ist das denn, wenn wir bei dem Beispiel bleiben, ist man einem vollen strand irgendwie sicher vor Corona, nur weil man draußen ist?
[00:19:29] Julia Köppe Generell ist es schon so, dass es deutlich weniger wahrscheinlich ist, sich draußen anzustecken. Also der wohl risikoreichste Urlaub, den man sich in Zusammenhang mit dem Coronavirus vorstellen kann, sind tatsächlich so Aprés-Ski-Partys oder die Karnevalsfeiern, das zeigt ja auch der Ausbruch in Ischgl. Also überall dort, wo die Leute drinnen eng zusammen sind, verbreitet sich das Virus besonders schnell. Das heißt aber nicht, dass man sich draußen überhaupt nicht anstecken kann.
[00:19:55] Matthias Kirsch Okay, heißt das also, dass ich, wenn ich jetzt am Strand oder in den Bergen bin, am besten auch Abstand halte oder sogar eine Maske tragen sollte?
[00:20:04] Julia Köppe Wenn ich das Infektionsrisiko so gut wie möglich minimieren will, dann ist es natürlich geraten, sich weiterhin an die Regeln zu halten und auch eine Maske zu tragen.
[00:20:15] Matthias Kirsch Gibt es denn eigentlich irgendeine Art von Urlaub, die du jetzt empfehlen würdest, die quasi am infektionssichersten ist?
[00:20:25] Julia Köppe Der sicherste Urlaub, den ich mir gerade vorstellen kann, ist, allein in einem abgelegenen Ort in den Bergen, vielleicht in einer einsamen Hütte. Das ist aber nicht die Art von Urlaub, wie wir ihn uns vorstellen. Es ist im Alltag schwierig, das Infektionsrisiko tatsächlich auf komplett null zu drücken. Es gibt aber einige Sachen, die man beachten kann, um das Infektionsrisiko möglichst gering zu halten. Das heißt: so wenig Kontakt zu anderen Menschen wie möglich Menschenansammlungen meiden, die Kontaktbeschränkungen einhalten, Abstandsregeln einhalten, Maske tragen und so weiter.
[00:21:04] Matthias Kirsch Heißt das zum Beispiel, dass im Hotel sein, vielleicht nicht unbedingt ideal ist?
[00:21:10] Julia Köppe Das kommt darauf an, wie man ideal versteht. Also, wenn ich das vergleiche damit, dass ich zu Hause bin, mit einem festen Personenkreis, keinen Kontakt zu anderen Menschen habe, ist natürlich ein Hotel weniger ideal. Aber es gibt ja durchaus Hygienekonzepte, die die Hotels auch jetzt umgesetzt haben. Und in vielen Regionen hat die Urlaubssaison ja auch schon begonnen, ohne dass es zu größeren Ausbrüchen gekommen ist. Das heißt, es ist natürlich immer so, dass es wissenschaftlich betrachtet, immer einen Idealfall gibt, der aber in der Realität schwer umzusetzen ist. Und da muss eben jeder, auch persönlich für sich selbst, abwägen, welches Infektionsrisiko er bereit ist einzugehen. Was wir aus Studien auf jeden Fall wissen, ist, dass eben wirklich große Menschenansammlungen in engen Räumen, in denen gefeiert wird, in denen sich die Menschen laut unterhalten, das Virus besonders schnell verbreitet. Das zeigt zum Beispiel auch der Ausbruch in Ischgl.
[00:22:03] Matthias Kirsch Gibt es denn in der Wissenschaft erste Erkenntnisse darüber, ob jetzt der Sommer, die steigende Hitze, die steigenden Temperaturen, sich irgendwie positiv oder negativ auf das Virus auswirken?
[00:22:17] Julia Köppe Generell ist es so, dass sich Infektionskrankheiten vor allem im Herbst und in den Wintermonaten verbreiten. Und es gibt die begründete Annahme, dass das auch im Fall von Covid 19 der Fall sein könnte. Deshalb wird auch immer vor einer zweiten Welle im Herbst gewarnt. Welche Faktoren genau eine Rolle spielen, ist noch nicht im Detail geklärt. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass sich das Virus in Ländern mit besonders hohen Temperaturen langsamer auszubreiten scheint. Und auch die Luftfeuchtigkeit könnte eine Rolle spielen. Die aktuellen Ausbrüche zeigen aber ganz eindeutig, dass das Virus noch da ist. Und Sommerwetter allein wird es auch nicht aufhalten.
[00:22:51] Matthias Kirsch Eine Frage, die sich Urlauber sicherlich stellen werden, ist: Macht es irgendwie Sinn, sich testen zu lassen auf Corona, bevor man in den Urlaub fährt, oder auch, wenn man zurückkommt? Wie siehst du das? Sollte man sich jetzt testen lassen, um gesund in den Urlaub zu fahren und kein Risiko für andere Menschen zu sein?
[00:23:10] Julia Köppe Einige Bundesländer schreiben so einen PCR-Test ja sogar vor - zumindest wenn ich in einem Risikogebieten lebe, das mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen gab. In solchen Fällen bin ich sozusagen verpflichtet, so einen PCR-Test vorzulegen, sonst darf ich nicht einreisen. Für den Urlauber, der jetzt nicht verpflichtet ist, so einen PCR-Test vorzulegen, würde ich ihn ehrlich gesagt nicht empfehlen. Denn er ist auf jeden Fall nur eine Momentaufnahme. Das heißt, er zeigt an, ob ich im Moment, in dem Moment, in dem die Probe entnommen wurde, das Virus in mir trage oder nicht. Das heißt, er darf auf jeden Fall nicht in falscher Sicherheit wiegen. Das ist auch so, dass der Test in einigen Fällen auch nicht immer hundertprozentig zuverlässig zu sein scheint, gerade wenn noch keine Symptome aufgetreten sind. Das heißt, so ein Test ist auf jeden Fall kein Ersatz für Abstandsregeln oder Maskenpflicht.
[00:24:05] Matthias Kirsch Ein großer Teil einer jeden Reise, auch wenn man nur innerhalb Deutschlands reist, ist ja der Weg überhaupt erst zum Urlaubsort. Wie sollte man sich denn in dieser Corona-Zeit am besten fortbewegen? Sollte man das private Auto nehmen oder doch lieber mit dem Zug reisen? Gibt es da eine Variante, die sicherer?
[00:24:25] Julia Köppe Sowohl im Auto, im Zug oder auch im Flugzeug sitzt man ja relativ beengt und deshalb kann es generell auch zu Ansteckungen dort kommen, weshalb ja auch die Masenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln eingeführt wurde. Der Vorteil am Auto ist, dass man mit weniger Menschen in Kontakt kommt, die man ja auch in der Regel kennt und auch sonst viel Zeit mit ihnen verbringt -- gerade wenn man jetzt an die Autoreise in den Familienurlaub denkt. Im Flugzeug gibt es immerhin noch den Vorteil, dass Kontakte relativ leicht nachzuverfolgen sind, falls sich jemand infiziert hat. In Zügen ist das nicht immer möglich, weil die Passagierdaten einfach nicht in demselben Maß erhoben werden wie beispielsweise in Flugzeugen. Das ist zum Beispiel eine Lücke, die die Corona-Bahn-App schließen könnte.
[00:25:09] Matthias Kirsch Du hattest ja am Anfang gesagt, dass die sicherste Variante Urlaub zu machen wäre, alleine irgendwo hinzufahren an einem Ort, wo nicht viele Leute sind. Jetzt sind ja die wenigsten von uns in der Situation, dass sie alleine Urlaub machen. Meistens hat man Partner oder Familie noch dabei. Sollte man lieber mit der Familie Urlaub machen, als jetzt mit einem großen Freundeskreis?
[00:25:29] Julia Köppe Generell ist es natürlich so, dass das Infektionsrisiko umso geringer ist, je weniger Menschen man Kontakt hat. Das spricht aber per se nicht unbedingt gegen Urlaub mit Freunden. Entscheidend ist meiner Meinung nach, dass man eben im Verdachtsfall möglichst genau weiß, mit wem man zusammen unterwegs war und der Kontakt zurückverfolgt werden kann, damit möglichst alle schnell in Quarantäne gehen.
[00:25:54] Matthias Kirsch Du hast das Beispiel Ischgl angesprochen gehabt: Wir haben jetzt ein paar Mal gesehen, dass in Urlaubsorten es zu großen Ausbrüchen kam und dadurch natürlich auch das Virus in ganz großen Teilen nicht nur Deutschland, sondern sogar Europas verteilt wurde. Wie groß ist denn, deiner Einschätzung nach, die Wahrscheinlichkeit oder die Chance, dass es jetzt durch die Sommertouristen, durch die Sommerurlaube wieder zu vermehrten Infektionen führen könnte?
[00:26:22] Julia Köppe Also, ich glaube, Ischgl wird es in der Form nicht so schnell ein zweites Mal geben. Dafür haben wir in den vergangenen Monaten zu viel über die Pandemie gelernt. Es sind ja auch noch Diskotheken weiterhin geschlossen. Großveranstaltungen sind noch bis mindestens Ende Oktober in Deutschland verboten. Mehrere Bundesländer lassen ja auch Urlauber aus Risikogebieten gar nicht mehr einreisen oder verlangen in diesen Fällen einen negativen PCR-Test. Ob das reichen wird, muss sich nun zeigen. Zumindest hat die Urlaubssaison bisher nicht zu größeren Ausbrüchen geführt.
[00:26:52] Matthias Kirsch Julia, vielen Dank für deine Einschätzung.
[00:26:55] Julia Köppe Ich danke dir und ich hoffe, du kannst trotzt Corona einen ganz passablen Urlaub haben.
[00:27:01] Matthias Kirsch An dieser Stelle werfen wir dann doch noch einen kurzen Blick über die deutschen Landesgrenzen hinweg, nämlich auf die Lieblingsinsel der Deutschen: Mallorca. Wie sieht es dort gerade mit dem Tourismus aus? Mein Kollege Juan Moreno ist dort und er erzählt:
[00:27:21] Juan Moreno Hallo Matthias, hier ist Juan. Ich bin auf Mallorca und gehöre zu den wenigen, die bereits vor der offiziellen Öffnung durch die spanische Regierung der Grenze nach Mallorca reisen konnten. Ich bin jetzt ein paar Tage hier, habe mir die Inseln angeschaut. Und vielleicht für deinen Hintergrund: Ich war schon sehr, sehr oft auf Mallorca, habe schon vor 20 Jahren während des Studiums einen Job gehabt, der mich sehr oft beruflich nach Mallorca gebracht hat. Ich habe ein bisschen den Überblick, was ein Vorher/Nachher angeht. Nur damit du eine Vorstellung bekommst: Man kommt in Mallorca an, und darf, noch bevor man das Gepäck holt, durch eine Art improvisierter Schleusen, in der - nehme ich an - eine Art Wärmebildkamera, die Temperatur misst. Und wenn man dann raus kommt aus dem Hauptgebäude, hat man, glaube ich, sofort ein Bild, was diese Coronakrise mit Mallorca und mit der Wirtschaft Mallorcas angestellt hat. Man sieht nämlich ein Meer von Taxen. Und diese Taxifahrer, die teilweise in kleinen Trauben zusammen stehen, die sind ehrlich gesagt, ziemlich verzweifelt, wenn man mit ihnen spricht und sie fragt, wie es ihnen geht, wie die letzten Monate waren. Spanien hatte einen sehr, sehr strengen Lockdown, und der ganze Druck, der jetzt entstanden ist, aufgrund der ökonomischen Situation, weil eben keine Touristen nach Mallorca kommen konnten. Diesen ganzen Druck spürt man bei diesen Taxifahrern enorm. Wenn man dann sich die Insel anschaut und etwas macht, was ich ehrlich gesagt seit vielen Jahren vermieden habe, nämlich nach Arenal fährt, diesem Strandabschnitt unweit von Palma de Mallorca, der ja berüchtigt ist für seine Party, für seine Saufgelage, dann ist das ein Bild der Trauer, wenn man Gastronom in Ballermann-Nähe ist. Wo früher Horden von halb betrunkenen Kegelclubs unterwegs waren, sitzen heute am Strand ältere Herren in Klappstühlen und angeln, am Strand von Arenal! Das ist so ziemlich das letzte Bild, das ich mir in Zusammenhang mit Mallorca gemacht hätte. Wenn man dann tatsächlich Arenal verlässt und ein bisschen durch die Insel fährt und über die Insel fährt und sich ein paar Buchten anschaut, die normalerweise in der Hauptsaison, ehrlich gesagt auch in der Nebensaison, voll sind, wenn man die sich jetzt anschaut, dann ist man tatsächlich in einem Paradies. Man sitzt teilweise alleine an einer wunderschönen Bucht. Das ist etwas, was es so auf Mallorca eigentlich nicht gibt, schon gar nicht im Sommer. Ich hatte die Möglichkeit, gestern mit dem Tourismusminister zu sprechen, und der sagte mir, dass die Hoffnung in der Politik ist, dass sie in zwei Jahren, also im Jahr 2022, ungefähr das Niveau von 2015, 2016 oder 2017 erreichen, nicht das Niveau von direkt vor der Krise. Das war nämlich Rekord, sondern das Niveau vor ungefähr drei, vier, fünf Jahren. Mallorca ist so schön wie nie zuvor. Das kann ich wirklich sagen. Zeitgleich würde ich sagen, so traurig wie nie zuvor. Und ob man diesen Sommer jetzt spontan hierherkommen möchte oder nicht, das ist, glaube ich, eine Entscheidung. Die muss jeder für sich persönlich treffen. Ich kann nur sagen, dass ich, der Mallorca sehr oft gesehen hat, es noch nie so erlebt hat. Matthias, beste Grüße, ciao, ciao.
[00:31:35] Matthias Kirsch In unserem Auslands-Podcast Acht Milliarden spricht Juan Moreno in dieser Woche übrigens noch weiter über Mallorca und darüber, was passiert, wenn die Urlauber von einer Urlaubsinsel wegbleiben. Das war Stimmenfang, der Politik-Podcast vom SPIEGEL. Die nächste Episode von Stimmenfang hören Sie ab nächstem Donnerstag auf SPIEGEL.de, bei Spotify, Apple Podcasts und in den gängigen Podcast-Apps. Wenn Sie uns Feedback schicken möchten, schreiben Sie uns einfach eine Mail an stimmenfang@spiegel.de oder nutzen Sie unsere Stimmenfang-Mailbox unter 040 380 80 400. An die gleiche Nummer, also 040 380 80 400 können Sie uns auch eine WhatsApp-Nachricht schicken. Diese Folge wurde produziert von Yasemin Yüksel und mir, Matthias Kirsch. Danke für die Unterstützung an Philipp Fackler, Johannes Kückens, Sebastian Spallek, Matthias Streitz und Philipp Wittrock. Die Musik kommt wie immer von Davide Russo.