Coronapandemie in Deutschland Unionspolitiker fordern deutlich mehr Tempo bei Impfungen

Bundestagspräsident Schäuble ist »maßlos traurig«, CSU-Chef Söder ärgert sich: Beide beklagen im Kampf gegen das Coronavirus die sinkende Impfquote – und nennen Vorschläge, um dem entgegenzusteuern.
Menschen warten im Corona-Impfzentrum auf dem Berliner Messegelände auf ihre Impfung

Menschen warten im Corona-Impfzentrum auf dem Berliner Messegelände auf ihre Impfung

Foto: Michael Kappeler / dpa

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble hält es für angemessen, dass in der Coronapandemie Geimpfte und Genesene mehr Freiheiten genießen als Ungeimpfte. Es sei erwiesen, dass nach Genesung oder nach der vollständigen Impfung die Gefahr deutlich sinke, andere anzustecken, sagte Schäuble der »Neuen Osnabrücker Zeitung«.

»Daher werden wir diese Gruppen nicht dauerhaft allen Beschränkungen unterwerfen können, die für Nichtgeimpfte gelten müssen, um die Pandemie zu bekämpfen«, sagte der CDU-Politiker. Für eine solche unterschiedliche Behandlung sehe er auch keine verfassungsrechtlichen Probleme.

Bundestagspräsident Schäuble

Bundestagspräsident Schäuble

Foto: Reiner Zensen / imago images/Reiner Zensen

Schäuble zeigte sich zudem besorgt über die gesunkene Impfquote in Deutschland. »Ich kann die mangelnde Impfbereitschaft nicht nachvollziehen, das macht mich maßlos traurig«, sagte der Parlamentspräsident. Zu Jahresbeginn hätten die Menschen es nicht erwarten können, die rettende Spritze zu bekommen. »Und jetzt verzweifeln Hausärzte, weil Impfdosen massenhaft bei ihnen liegen bleiben.« Dabei sei ein vollständiger Impfschutz für so viele Menschen wie möglich die einzige Chance, Corona in die Schranken zu weisen und die Freiheit zu sichern.

Um das Impftempo zu steigern, hofft Schäuble auch auf sozialen Druck. Jeder Einzelne solle sich stärker mit der Frage auseinandersetzen, welche Folgen eine Impfverweigerung für die Mitmenschen hätte. Zugleich brauche es noch mehr Impfangebote überall dort, wo sich die Menschen ohnehin aufhielten, bald etwa wieder vor dem Fußballstadion oder dem Open-Air-Konzert. Jede kreative Idee, wie mehr Menschen geimpft werden könnten, sei willkommen.

»Einen neuen Lockdown müssen wir alle gemeinsam vermeiden! Das wäre verheerend für die Gesellschaft, die Wirtschaft und alle anderen Lebensbereiche«, sagte Schäuble. Gerade auch in Bildungseinrichtungen von der Kita bis zur Hochschule dürfe es nicht wieder zu solchen Einschränkungen kommen, um den Kindern und jungen Leuten nicht noch mehr Schaden zuzufügen.

Markus Söder beklagt »Strömungsabriss« bei Impfungen in Bayern

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder äußerte sich am Mittwochabend über Coronaimpfungen. Für das Bundesland sprach er von einem »Strömungsabriss« beim Impfen: Es gehe nur noch zäh voran. Ihn ärgere, dass genug Impfstoff da sei, um in 80 bis 90 Tagen alle Menschen ab 12 Jahren zu impfen. Dann wäre man damit im Herbst durch.

CSU-Chef Söder

CSU-Chef Söder

Foto:

Peter Kneffel / dpa

Vollgeimpfte sollten – auch aus verfassungsrechtlichen Gründen – maximale Freiheiten erhalten, so könnten Anreize zum Impfen gesetzt werden. Andererseits müssten jene, die sich nicht impfen lassen wollten, Tests auf Dauer auch selbst bezahlen, sagte Söder in der ZDF-Sendung »Markus Lanz«. Es handele sich nicht um eine Impfpflicht durch die Hintertür, sondern um Eigenverantwortung.

»Wer partout nicht will, und das respektiere ich, aber der muss dann auch die Konsequenz und die Verantwortung dafür übernehmen«, sagte der CSU-Chef. Eine Entscheidung, ab wann und wie, sollte vor der Bundestagswahl getroffen werden. Das hänge auch damit zusammen, wann man definitiv sagen könne, jeder habe die Möglichkeit gehabt, ein Impfangebot zu bekommen. Auf die Frage, ab wann das Bezahlen von Tests gelten könnte, antwortete Söder: »Ab Oktober auf jeden Fall.«

SPIEGEL-Umfrage: Mehrheit befürwortet Coronaimpfpflicht

In Deutschland sind inzwischen fast 42 Millionen Menschen – und damit mehr als die Hälfte der Bevölkerung – vollständig geimpft. Die Zahl der täglich verabreichten Impfdosen sinkt jedoch seit Wochen.

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für den SPIEGEL sprach sich eine knappe Mehrheit für eine Impfpflicht gegen das Coronavirus aus. 52 Prozent der Deutschen sind dafür; 43 Prozent sprechen sich dagegen aus. (Mehr zu den Ergebnissen der Umfrage erfahren Sie hier.)

Bayerns Ministerpräsident Söder macht zudem weiter Druck für eine Coronatestpflicht bei Urlaubsrückkehrern. Er dränge sehr darauf, dass man es jetzt mache, sagte Söder in der Sendung »Markus Lanz«. Die Delta-Variante breite sich weiter aus, man müsse sich auf den Herbst vorbereiten.

Söder hatte am Dienstagabend mit Blick auf eine erweiterte Testpflicht den 1. August als Datum genannt und sich auf eine Zusicherung des Bundes berufen. Die Bundesregierung ließ am Mittwoch aber den Starttermin noch offen.

Ministerpräsidenten unterstützen Testpflicht für Urlaubsrückkehrer

Die geplante generelle Coronatestpflicht für Urlaubsheimkehrer, die keinen Nachweis einer vollständigen Impfung oder Genesung haben, wird zudem von den Regierungschefs mehrerer anderer Bundesländer unterstützt.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): »Die Tests sind der zentrale Baustein, um das Infektionsgeschehen in der ungeimpften Bevölkerung einzudämmen.« Deshalb sollten alle Reiserückkehrer entweder einen negativen Test, einen Genesenen-Nachweis oder einen Impfnachweis vorlegen können, forderte der SPD-Politiker.

Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer betonte, aus dem vergangenen Jahr wisse man, dass Reiserückkehrer viel zum Anstieg des Infektionsgeschehens beigetragen hätten. »Es ist ein kleiner Mehraufwand für jeden von uns, schafft aber viel Sicherheit«, sagte der CDU-Politiker dem RND über eine Coronatestpflicht.

Ein neuer harter Lockdown solle unbedingt vermieden werden, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) dem RND. »Jeder, egal ob er mit dem Auto, der Bahn oder dem Flugzeug aus dem Ausland zu uns einreist und nicht geimpft oder genesen ist, muss einen negativen Test nachweisen können.« Dreyer erwartet von der Bundesregierung ein Konzept, »wie die Kontrolle und die Einhaltung der Testpflicht sichergestellt werden sollen«.

Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke hatte sich am Mittwochabend im TV-Sender Phoenix ebenfalls »ganz klar« für eine Testpflicht für jene ausgesprochen, »die aus Regionen zurückkehren, die eine höhere Inzidenz haben als wir in Deutschland, und die vielleicht auch aus Virus-Mutationsgebieten kommen«.

aar/asc/dpa
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