Vorschlag der Kultusminister Alle Schüler sollen noch vor den Sommerferien wieder in die Schule

Schüler an einem Gymnasium in Rostock
Foto: Bernd Wüstneck/ dpaTrotz der Coronakrise soll jede Schülerin und jeder Schüler vor den Sommerferien zumindest tageweise die Schule besuchen. Das schlagen die Kultusminister der Länder den Ministerpräsidenten und Kanzlerin Angela Merkel vor. Die Regierungschefs wollen am Donnerstag beraten und dabei auch über Pläne zur weiteren Öffnung der Schulen sprechen.
Bereits am Montagnachmittag hatten die Länderminister rund zwei Stunden lang über ein "Rahmenkonzept für die Wiederaufnahme von Unterricht in den Schulen" beraten. Der Entwurf sollte noch in einzelnen Punkten überarbeitet werden. KMK-Präsidentin Stefanie Hubig sagte: "Die Gespräche waren insgesamt sehr konstruktiv und von dem gemeinsamen Willen geleitet, ein Gesamtkonzept für die Öffnung der Schulen vorzulegen." Nach einer weiteren Absprache am Dienstag liegt das Konzept jetzt vor.
Über die genaue Umsetzung und Daten für den Schulstart entscheidet demnach letztlich jedes Land für sich. "Jede Schülerin und jeder Schüler soll bis zu dem Beginn der Sommerferien tage- oder wochenweise die Schule besuchen können", schreiben die Minister. Aber auch: "Nach dem jetzigen Stand wird vor den Sommerferien aufgrund des Abstandsgebots kein uneingeschränkt regulärer Schulbetrieb mehr möglich sein."
Ausdrücklich erwähnt werden folgende Einzelmaßnahmen:
Schülerinnen und Schüler sollen in Lerngruppen aufgeteilt werden, die zeitlich und räumlich voneinander getrennt werden. Zeiten für den Schulbeginn und die Pausen werden möglichst gestaffelt.
Alle Abschlussprüfungen sollen in diesem Schuljahr stattfinden, solange der Infektionsschutz gesichert ist. Die Abschlüsse werden zwischen den Bundesländern auf jeden Fall gegenseitig anerkannt.
Jede Schule braucht einen Hygieneplan. Darin geht es um regelmäßiges Händewaschen, Abstand zu Mitschülern und Lehrern von mindestens 1,5 Metern und Beachtung der Regeln zum Husten und Niesen.
Toiletten und besonders stark benutzte Bereiche sollen sorgfältig gereinigt werden.
Schülerinnen und Schüler mit solchen Vorerkrankungen, die das Risiko einer schweren Covid-19-Erkrankung erhöhen, sollen nicht in die Schule kommen müssen, sondern zu Hause lernen dürfen. Das Gleiche gilt für Lehrkräfte, die zur Risikogruppe gehören.
Fahrpläne für Schulbusse sollen entzerrt und an einen gestaffelten Unterrichtsbeginn angepasst werden. Wer kann, soll zu Fuß oder mit dem Rad kommen.
Eine deutschlandweite Maskenpflicht im Klassenraum ist demnach jedoch nicht geplant. Wenn es jedoch bei Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen oder besonderem Förderbedarf schwieriger ist, den Mindestabstand einzuhalten, sollen hier auch Mund-Nasen-Masken zum Einsatz kommen.
Lehrerverband vermisst Maskenpflicht
Der Deutsche Lehrerverband kritisierte diesen Punkt. Zur Eindämmung der Corona-Pandemie wäre eine Maskenpflicht zumindest auf Schulfluren, auf dem Pausenhof oder beim Warten auf den Schulbus geboten, sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger. Dort herrsche ein "dynamisches Geschehen", es könne Gedränge geben. Es sei damit auch viel schwieriger, an solchen Stellen den 1,50 Meter Mindestabstand einzuhalten.
Man müsse auch an den Schutz der Lehrer denken, mahnte Meidinger, selbst Schulleiter. Rund 12,5 Prozent seien über 60 Jahre alt - mit regional großen Unterschieden - und gehörten damit zu Corona-Risikogruppen.
Alleingänge im Vorfeld
Die Kultusminister waren vor rund zwei Wochen von Merkel und den Ministerpräsidenten aufgefordert worden, bis zum 29. April eine entsprechend abgestimmte Strategie vorzulegen. Tatsächlich entschieden sich einzelne Länder bei der schrittweisen Öffnung der Schulen dann jedoch für Alleingänge, zumindest beim Zeitplan.
Bayern will den Schulbetrieb erst am 11. Mai wieder starten, rund eine Woche später als die meisten anderen Bundesländer, die am 4. Mai loslegen wollen. In Ländern wie Nordrhein-Westfalen dagegen läuft teilweise schon wieder der Unterricht. Schüler der Abschlussklassen dürfen in die Schulen kommen, um sich auf ihre Prüfungen vorzubereiten. Zudem wurden etwa in Schleswig-Holstein, Hamburg und Berlin Abi-Klausuren geschrieben.
Nach wie vor ist umstritten, welchen Einfluss die Öffnung von Kitas und Schulen auf die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus hat. Laut Robert Koch-Institut sprechen mehrere Faktoren dafür, "dass Kinder - wie bei anderen respiratorisch übertragbaren Erkrankungen - relevant zu einer Verbreitung von Covid-19 beitragen".
In einem RKI-Bericht heißt es: "Aufgrund der verschiedenen und engen außerschulischen Kontakte ist zudem von einem Multiplikatoreffekt mit Ausbreitung in den Familien und nachfolgend in der Bevölkerung auszugehen." Die schrittweise und ans Alter der Kinder angepasste Öffnung von Betreuungs- und Bildungseinrichtungen sei dennoch derzeit aus fachlicher Sicht vertretbar, sagt RKI-Vizepräsident Lars Schaade.
"Ganz stürmisch hineingeschubst"
Hamburges Schulsenator Ties Rabe (SPD) schloss eine Rückkehr zum normalen Unterricht vor den Sommerferien klar aus. Das sei das Einzige, was man derzeit garantieren könne, sagte der SPD-Politiker dem Sender NDR Info bereits vor den Beratungen der Kultusminister. Eltern, Schülern und Lehrkräften werde mit dem Lernen von zu Hause aus viel zugemutet, erklärte Rabe.
Daher sollten bald möglichst alle Klassenstufen wenigstens einmal pro Woche zur Schule gehen können - ein Vorschlag, den auch schon die CDU-Schulministerin Karin Prien in Schleswig-Holstein unterbreitet hatte. Die Schüler könnten im Unterricht Tipps zum Lernen zu Hause bekommen und Materialien sichten. Das sei aus pädagogischen Gesichtspunkten wichtig.
Nach Ansicht Rabes wird der Unterricht auf Distanz aber auch nach den Sommerferien fester Bestandteil des Lernens sein. "Deswegen müssen wir alles tun, dieses ganz neue Feld, in das wir jetzt ganz stürmisch hineingeschubst worden sind, zu ordnen, Qualitätskriterien anzulegen und den Lehrern, Schülern und Eltern Rückenwind zu geben."
Schleswig-Holstein öffnet Grundschulen
In Schleswig-Holstein sollen ab dem 6. Mai die Grundschulen für die Klassenstufe vier wieder öffnen. Gemeinschaftsschulen sollten mit "Beratungsangeboten" für die Klassenstufen 9 und 10 beginnen. Ebenfalls ab dem 6. Mai werden die Schülerinnen und Schüler der 6. Jahrgänge an den Gymnasien unterrichtet, die in diesem Schuljahr noch die Möglichkeit der Querversetzung haben.
An den Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe wird es ab dem 18. Mai Beratungsangebote für die Jahrgänge 9 und 10 geben, an den Gymnasien und den Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe ab dem 6. Mai Beratungsangebote für die Schülerinnen und Schüler der Eingangsphase (E) und der Qualifikationsphase 1 (Q1). Der Unterricht in der Oberstufe an Gymnasien und Gemeinschaftsschulen soll ebenfalls ab dem 6. Mai wieder beginnen.
Das kündigte Bildungsministerin Karin Prien (CDU) in einer telefonischen Pressekonferenz am Dienstagmittag an. Kinder, die einer Risikogruppe angehören, müssten am Unterricht nicht teilnehmen. Eine Maskenpflicht an Schulen werde es nicht geben, bestätigte Prien, wohl aber eine Empfehlung: Alle, die sich in der Schulen aufhalten, sollten auf den Fluren, in den Pausen und auf dem Schulhof einen Mund-Nasen-Schutz tragen.
Klassenarbeiten sollen in diesem Schuljahr aber nicht mehr geschrieben werden, so Prien. Schülerinnen und Schüler könnten aber "Einzelleistungen" erbringen, um ihre bisherigen Leistungen zu verbessern.
"Reicht nicht, Schülern iPads zu verteilen"
Der Verband Bildung und Erziehung forderte angesichts des weiter andauernden Homeschoolings pädagogische Konzepte für einen digitalen Unterricht. Es sei gut, dass "überhöhte Erwartungen" an eine baldige Rückkehr in die Klassenräume nun erst mal von der Kultusministerkonferenz (KMK) abgeräumt worden seien, sagte der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann.
Zu dem Vorschlag, dass es einen Mix aus Präsenzunterricht und Lernen zu Hause geben soll, sagte Beckmann: "Dafür reicht es aber nicht, Schülern iPads zu verteilen." Hintergrund sind die kürzlich beschlossenen 500 Millionen Euro als Extrahilfsgeld für bedürftige Schüler. Man müsse ihnen auch beibringen, wie sie die Geräte adäquat einsetzen.
Die Anschaffung von Laptops über das Hilfspaket könnte dem VBE-Chef zufolge aber helfen, um die digitale Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern zu Hause zu verbessern - sofern die Mittel schnell fließen. Bei jedem weiteren Schritt zurück müsse gelten: "Nur das machen, was pädagogisch sinnvoll ist, gesundheitlich verantwortbar und organisatorisch umsetzbar."
Elternrat fordert "verbindlichen Zeitplan"
Nach Ansicht des Bundeselternrats fehlen bei den Vorschlägen der Kultusminister zur schrittweisen Rückkehr in die Klassen "Klarheit und Verbindlichkeit". Diese brauchten Schulen und Schulträger aber vor Ort, sagte der Bundesvorsitzende Stephan Wassmuth. Es werde stattdessen auf den Ausgestaltungsspielraum der Länder und Schulträger verwiesen. "Auch ein verbindlicher Zeitplan wird aktuell vermisst."
Die Digitalisierung müsse ausgebaut werden, könne den Präsenzunterricht aber nicht ersetzen. Die zusätzlichen 500 Millionen Euro Extrahilfen für bedürftige Schüler und digitale Ausstattung nannte Wassmuth "kein Sahnehäubchen", sondern einen "Strafzins für Versäumtes in den Vergangenheit".