Kritik an Bayerns Corona-Politik Studie identifiziert Starkbierfeste als Infektionstreiber

Starkbierfest in Mitterteich im März: Gefährliche Gaudi
Foto:Josef Rosner
Viele Menschen auf engem Raum, Tanz, Umarmungen, keine Schutzmasken – und dazu reichlich Alkohol: ideale Bedingungen für die Ausbreitung des Coronavirus. Welche Folgen das haben kann, zeigt eine aktuelle Studie über Starkbierfeste, die in Bayern noch im März stattfanden. Die Ergebnisse werfen ein schlechtes Licht auf die Entscheidung der bayerischen Landesregierung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), im Frühjahr angesichts der Corona-Pandemie die Feiern nicht früher zu untersagen.
Das Helmholtz-Zentrum München hat den Effekt der Feiern untersucht – mit eindeutigem Ergebnis: »Signifikant mehr Fälle« seien sowohl durch die Starkbierfeste als auch durch die bayerische Kommunalwahl registriert worden, schreibt Matthias Wjst, Experte für Lungenerkrankungen, in der jüngst in der »Deutschen Medizinischen Wochenschrift« publizierten Studie.
»Söder hätte die Landratsämter bereits Anfang März anweisen müssen, die Starkbierfeste abzusagen«
Er geht von hochgerechnet rund 1200 unmittelbaren Covid-19-Ansteckungen durch die Feste aus. »In Landkreisen mit zwei oder mehr Bierfesten war der Effekt besonders groß«, sagt Wjst. Viele Besucher verbreiteten das Virus demnach kräftig weiter – laut Wjst waren mehrere Tausend Infizierte die Folge. Rund 3700 Infektionen seien zudem der bayerischen Kommunalwahl Mitte März geschuldet.

Den Vorsprung verspielt
Im Frühjahr und Sommer ist Deutschland vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen, doch jetzt klagt das Land über steigende Totenzahlen und täglich Zehntausende von Neuinfizierten. Die Politik hat es verschlafen, im Herbst die richtigen Entscheidungen zu treffen und sich stattdessen um Kleinigkeiten gestritten. Und während in anderen Ländern bereits gegen Covid-19 geimpft wird, hinkt Deutschland auch da hinterher. Die Folge: Es droht ein zweiter Lockdown.
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Noch Anfang März hatte Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bei einer Veranstaltung mit mehreren Hundert Teilnehmern gesagt, Starkbierfeste seien »der natürliche Feind des Coronavirus«. Bis Mitte März fanden solche Feste statt. Erst ab 17. März verhängte der Freistaat ein Veranstaltungsverbot, ab 21. März gab es landesweite Ausgangsbeschränkungen.
»Söder hätte die Landratsämter bereits Anfang März anweisen müssen, die Starkbierfeste abzusagen«, sagt Ludwig Hartmann, Vorsitzender der Grünenlandtagsfraktion. Der Ministerpräsident hätte die Leute vor Ort »nicht allein mit dieser schweren Entscheidung lassen dürfen«.