Debatte über neuen Lockdown Habeck rechnet mit deutlichen Einschränkungen ab Januar

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck: »Nicht den Fehler machen wie bei den Wellen bevor«
Foto: ANDREAS GORA / POOL / EPADie Stellungnahme des Corona-Expertenrats zur Ausbreitung der Omikron-Variante war deutlich: Das Gremium, in dem unter anderem der Virologe Christian Drosten sitzt, forderte etwa »wirksame bundesweit abgestimmte Gegenmaßnahmen zur Kontrolle des Infektionsgeschehens«. Am Dienstag beraten Bund und Länder über das weitere Vorgehen in der Pandemie.
Mehrere Politiker haben sich nun dazu geäußert, wie eine Verschärfung der Maßnahmen aussehen könnte.
Er gehe davon aus, dass dies »Gegenstand der Beratungen von Bund und Ländern morgen ist und dass das dann auch verabredet wird für den Januar«, sagte Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) im Deutschlandfunk. Ein umfassender Lockdown solle aber möglichst vermieden werden. »Ich denke, wir haben noch andere Möglichkeiten, differenzierter vorzugehen«.
Schließungen nur für Klubs und Discos?
Er sei sich allerdings sicher, »dass Klubs und Diskotheken schließen werden« und »dass wir die Kontakte auch für Geimpfte in Innenräumen reduzieren werden«, so Habeck. Verschärfungen seien wohl unvermeidbar. »Wir müssen sicherlich nachschärfen bei den Maßnahmen«. Man dürfe »nicht den Fehler machen wie bei den Wellen bevor: Erst alles eskalieren lassen und dann sagen, oje, wie beschränken wir die Kontakte«.
Ähnlich äußerte sich NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Er ist derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz. »Die Omikron-Variante mahnt zur absoluten Wachsamkeit«, sagte Wüst. Er wollte nicht ausschließen, dass mögliche Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte und Genesene gelten werden. »Wir sollten vorsichtig sein, irgendetwas auszuschließen«.
»Große Silvesterparty kann in diesem Jahr nicht stattfinden«
»Wir wissen aus der Vergangenheit, dass das Weihnachtsfest nicht der Pandemietreiber ist«, sagte Wüst weiter. Bei der Bund-Länder-Runde am Dienstag solle ein »Notfallplan« verabschiedet werden, um das Land weiter am Laufen zu halten, wenn sehr viel Menschen am Coronavirus erkranken sollten. Eine weihnachtliche Kaffeetafel oder ein Abendessen im Kreis der Familie werden auch dieses Jahr möglich sein. »Die große Silvesterparty kann in diesem Jahr nicht stattfinden«, sagte Wüst. Auch von Weihnachtsreisen riet er ab: »Ich persönlich würde jetzt auf Reisen ins Ausland einfach mal verzichten.«
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte den Sendern RTL und ntv, es zeichne sich ab, »dass die Kontaktmöglichkeiten auch bei Veranstaltungen noch mal reduziert werden«. Einen generellen Lockdown halte er derzeit noch für unwahrscheinlich, sagte Müller. Trotzdem müsse bei den Maßnahmen nun nachgeschärft werden: »Die Kontaktbeschränkungen sind ja kein Lockdown. Aber ich glaube, wir müssen da tatsächlich noch mal ran.«
»Es ist naheliegend, dass es da insbesondere um private Zusammenkünfte geht«, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner mit Blick auf die Bund-Länder-Konferenz. Es sei »denkbar, dass man die Obergrenzen indoor und outdoor bei privaten Veranstaltungen und auch bei öffentlichen Großveranstaltungen noch mal überdenkt«, so Büchner. Für Veranstaltungen in Innenräumen gilt derzeit eine Obergrenze von 50 Teilnehmern, an Freiluftveranstaltungen dürfen bis zu 200 Menschen teilnehmen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte zuletzt ausgeschlossen, dass es noch vor Weihnachten einen Lockdown geben könnte – so wie in den Niederlanden. Zugleich sagte Lauterbach, Deutschland stehe wegen der Omikron-Variante vor einer fünften Pandemiewelle. Lauterbach hatte auch das Szenario angesprochen, dass in der fünften Welle zahlreiche Arbeitskräfte in kritischen Bereichen wie der Polizei und bei der Feuerwehr ausfallen könnten. »Wir prüfen tatsächlich, wie wir die sogenannte kritische Infrastruktur schützen können, wenn es zu einer solchen Entwicklung käme.«
Expertenrat fordert Kontaktbeschränkungen
Der Expertenrat hatte in seiner Stellungnahme unter anderem gefordert,
die aktuell geltenden Maßnahmen »noch stringenter« fortzuführen und die Impfkampagne »erheblich« zu intensivieren.
Auch müsse »die Bevölkerung intensiv zur aktiven Infektionskontrolle aufgefordert werden«.
»Eine Überlastung des Gesundheitssystems und die Einschränkung der kritischen Infrastruktur« könne laut derzeitigen Modellrechnungen »nur zusammen mit starken Kontaktreduktionen eingedämmt werden«, teilten die Experten mit.
»Dazu gehören die Vermeidung größerer Zusammenkünfte, das konsequente, bevorzugte Tragen von FFP2-Masken, insbesondere in Innenbereichen, sowie der verstärkte Einsatz von Schnelltests bei Zusammenkünften vor und während der Festtage«, so das Gremium.
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen forderte ebenfalls striktere Maßnahmen – allerdings erst im neuen Jahr. »Ein mögliches Szenario wäre ein gut geplanter Lockdown Anfang Januar«, schrieb Dahmen auf Twitter.
Unser heutiges Handeln bestimmt die morgige Pandemie-Lage. Angesichts der äußerst hohen Übertragbarkeit von Omikron, werden wir um einen Lockdown vermutlich nicht herum kommen. Ein mögliches Szenario wäre ein gut geplanter Lockdown Anfang Januar. (2/3)
— Janosch Dahmen (@janoschdahmen) December 20, 2021
Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, sagte der »Augsburger Zeitung«, Boosterimpfungen bei Omikron böten weniger Schutz für Geimpfte und gefährdete Personengruppen. »Das würde bedeuten, dass sich viel mehr geimpfte Menschen mit Omikron anstecken könnten.« Eine Überlastung des Gesundheitssystems könne nur durch einen bundesweiten Lockdown für alle verhindert werden.
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des deutschen Städtetags sagte mit Blick auf mögliche Ausfälle von Beschäftigten bei Feuerwehr, Polizei, Gesundheitsämtern, Ordnungsämtern, Verwaltungen und in Kliniken, es könne sein, »dass als letzter Ausweg nur ein flächendeckender Lockdown als Reaktionsmöglichkeit bleibt.« Da die Corona-Notlage ausgelaufen sei, gebe es für einen flächendeckenden Lockdown aber keine Rechtsgrundlage.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes fehlte die Angabe, dass Robert Habeck sich im Deutschlandfunk geäußert hat. Wir haben die Stelle entsprechend angepasst.