Wege aus der Pandemie Stimmen nach Impfpflicht mehren sich – FDP stellt sich quer

Coronaimpfung in Bremen (Archivbild)
Foto: Jörg Sarbach / dpaWie kann Deutschland den Kreislauf aus immer wieder steigenden Fallzahlen und neuen Einschränkungen in der Coronapandemie brechen? Zahlreiche Politikerinnen und Politiker drängen inzwischen auf eine allgemeine Impfpflicht.
Die Impflicht sei »unerlässlich« – »sonst kommen wir immer wieder in die Dauerschleife von Lockerung und Lockdown«, sagte etwa Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Mittwochabend in den »Tagesthemen«.
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil sagte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND), er habe bislang geglaubt, dass sich »sehr viel mehr Menschen impfen lassen werden, als es bis heute tatsächlich der Fall ist«. Er habe deshalb immer sehr überzeugt gesagt, es werde keine Impfpflicht kommen. »Das war ein Fehler.« Klingbeil appellierte, sich umgehend impfen und boostern zu lassen. Würde die Impfquote von derzeit 70 Prozent in Deutschland schlagartig auf 95 Prozent steigen, wäre die geplante Einführung einer Impfpflicht nicht nötig, sagte er. »Das sehe ich aktuell aber nicht.«
Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic, rief die Abgeordneten im Bundestag dazu auf, die allgemeine Corona-Impfpflicht schnell auf den Weg zu bringen. Vor allem angesichts der deutlich ansteckenderen Omikron-Variante müsse der Bundestag schnell handeln.
»Dabei kann es aus meiner Sicht nicht um das Ob, sondern nur um das Wie einer Impfpflicht gehen«, sagte Mihalic der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. »An diesem Prinzip muss sich der parlamentarische Prozess orientieren«, so die Grünen-Politikerin. Alle demokratischen Kräfte des Bundestages seien gefragt, »konstruktiv und problembewusst mitzuwirken«.
Kubicki sieht sich durch Empfehlung des Ethikrats bestätigt
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) sieht sich durch das Votum des Ethikrats dagegen in seiner Ablehnung einer allgemeinen Impfpflicht ermutigt. »Die sehr abgewogene Stellungnahme des Ethikrates zeigt, dass es in dieser wichtigen Frage keine einfachen Antworten gibt«, sagte der FDP-Vizechef der »Rheinischen Post«. »Dass nur rund die Hälfte der Ratsmitglieder für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren votiert, ist angesichts der medial-öffentlichen Debatte bemerkenswert«.
Er könne »die Argumente derer, die für eine Impfpflicht ab 18 oder ab 60 Jahren eintreten, nachvollziehen«, sagte Kubicki weiter, »ich teile sie aber nicht.« Einem von Kubicki initiierten Abstimmungsantrag gegen die Impfpflicht haben sich bisher der Zeitung zufolge 31 FDP-Abgeordnete angeschlossen.
Ethikrat nicht einstimmig für Impfpflicht
20 von 24 Mitglieder des Ethikrats hatten in der Stellungnahme eine Impfpflicht befürwortet, doch sieben von ihnen plädierten für eine Impfpflicht nur für besonders gefährdete Gruppen, etwa die über 60-Jährigen.
FDP-Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner bekräftigte, dass der Bundestag ohne Fraktionszwang über die Frage einer allgemeinen Impfpflicht abstimmen soll. »Die Diskussion zeigt, dass es jeweils Gründe für und gegen die allgemeine Impfpflicht gibt, die Respekt verdienen«, sagte er der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Lindner selbst hatte zuletzt angedeutet, womöglich für eine Impfpflicht stimmen zu wollen.
Lindner sprach sich gegen einen harten Lockdown aus. Dies sei »nicht der Königsweg, sondern nur die letzte Möglichkeit, weil seine sozialen und wirtschaftlichen Kosten so hoch sind«. Er sehe viele Menschen, »die erneut Angst vor Vereinsamung, Schulschließung oder dem Verlust der wirtschaftlichen Existenz haben«.
Mediziner haben wiederholt betont, dass ein wirksamer Schutz gegen die neue Coronavariante nur mit Auffrischungsimpfungen möglich sei. Erste Studien zeigen zwar, dass eine Infektion mit der Omikron-Variante womöglich glimpflicher verläuft als bei der bislang vorherrschenden Delta-Variante. Weil Omikron aber noch ansteckender ist als bisherige Varianten des Virus könnte dennoch eine Überlastung des Gesundheitssystems drohen – und damit letztlich auch mehr Todesfälle.
Bundestag könnte über mehrere Anträge zur Impfpflicht abstimmen
Nach Informationen der »Rheinischen Post« sind zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht im kommenden Jahr mindestens drei Abstimmungsanträge der Bundestagsfraktionen geplant. Ein Antrag befürwortet die allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren, ein weiterer sieht die Impfpflicht nur für Bürgerinnen und Bürger ab 60 Jahren vor.