Anti-Corona-Kampf der Bundesregierung Nach Merkel-Rezept

In einer der größten Krisen bleibt sich die Kanzlerin treu. Während andere mit Pathos in den Kampf gegen das Coronavirus ziehen, verkündet Angela Merkel nüchtern massive Einschnitte in den Alltag.
Merkel und Journalisten im Kanzleramt: Auf Abstand

Merkel und Journalisten im Kanzleramt: Auf Abstand

Foto: MARKUS SCHREIBER/ AFP

Etwas ist anders an diesem Tag im Bundeskanzleramt. Zwischen den Stühlen vor dem Rednerpult klaffen große Lücken. Die Journalisten sollen sich in der Corona-Krise nicht zu nahe kommen. Abstand halten, das ist die wichtigste Botschaft - schon bevor Angela Merkel da ist.

Dabei ist die Sache mit dem Stühlen wahrlich noch harmlos.

Was die Kanzlerin an diesem Abend verkündet, sind die wohl gravierendsten Eingriffe in den Alltag der Menschen seit Jahrzehnten. Es wird in Deutschland auf absehbare Zeit anders zugehen als jemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Das öffentliche Leben, es wird im Kampf gegen das Virus wohl weitgehend lahmgelegt.

Merkel sagt, das sei "im Augenblick notwendig".

Geschäfte, Clubs oder Bars müssen schließen

Bund und Länder haben sich auf ein Bündel von Maßnahmen verständigt, die soziale Kontakte und damit auch die Zahl der Kranken verringern sollen. Genauer gesagt handelt es sich um einen Regelkatalog, was vorübergehend nicht mehr geht, was verboten wird, welche Einrichtungen dichtmachen müssen.

Die Liste ist so lang, dass es einfacher ist, zu sagen, was bleibt. Und so tut es Merkel auch: Geschäfte und Einrichtungen zur grundlegenden Versorgung der Bevölkerung dürfen weiterhin öffnen – zum Beispiel Lebensmittelläden, Apotheken oder Tankstellen (lesen Sie hier die Details zu den Bestimmungen).

Geschlossen werden dagegen Bars, Klubs, Kultur- und Sporteinrichtungen – und sogar Spielplätze. Urlaubsreisen sind in den kommenden Wochen praktisch gar nicht mehr möglich. Besuchsmöglichkeiten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen werden beschränkt.

Dazu kommen die ohnehin von den Ländern bereits angeordnete Schul- und Kitaschließungen – und die Kontrollen an den Grenzen.

Merkel bleibt Merkel

"Es ist etwas Außerordentliches, was wir heute gemeinsam besprochen haben", sagt Merkel. Und das ist nun wirklich nicht übertrieben. Nur trägt die Kanzlerin die drastischen Härten bei der Corona-Abwehr derart stoisch und geradezu stakkatohaft vor, als handele es sich um ein paar Randnotizen aus den Haushaltsberatungen.

Man könnte auch sagen: die Kanzlerin bleibt sich auch in diesem historischen Moment treu.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder etwa inszeniert sich in diesen Tagen offensiv als Deutschlands Vorkämpfer in der Corona-Krise – durchaus mit Erfolg. In den Augen mancher avanciert er gar zum Favoriten auf die Kanzlerkandidatur der Union. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, in den vergangenen Tagen kaum sichtbar, versucht es inzwischen wiederum mit Pathos: "Wir werden das Virus besiegen!", sagt er am Montag. Anderswo klingt das noch deutlich martialischer: Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron wähnt sein Land gar "im Krieg".

Merkel aber bleibt Merkel. Sie bemüht sich, die Maßnahmen zu erklären, in etwas umständlichen Worten. Durch "das Erhöhen der Distanz" wolle man gegen die Infektion vorgehen, sagt sie. Das emotionsbefreite Auftreten mag mit Blick auf die Lage befremdlich wirken. Andererseits kann man es auch als beruhigend empfinden, wenn tiefe Einschnitte in liberale Gewohnheiten nicht populistisch ausgeschlachtet werden.

Wie lange eine freiheitliche Gesellschaft einen solchen Zustand durchhalten könne, wird Merkel gegen Ende der Pressekonferenz gefragt. Eine grundsätzliche Frage, auf die die Kanzlerin eine ebenfalls denkbar pragmatische Antwort hat: Man komme desto schneller durch diese Phase hindurch sagt sie, "je mehr sich jeder einzelne an diese Auflagen und an diese Regelungen hält".

 

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