Umsetzung einer Coronaimpfpflicht Gesundheitspolitiker kritisieren Krankenkassen wegen Verweises auf Papiermangel

Die Krankenkassen sehen sich außerstande, eine etwaige Coronaimpfpflicht umzusetzen – unter anderem wegen Papiermangels. Gesundheitspolitiker halten das für eine Ausrede.
Coronaimpfung in Bayern (Archivfoto)

Coronaimpfung in Bayern (Archivfoto)

Foto: Sven Hoppe / dpa

Während die Fraktionen im Bundestag nach Kompromissen bei der Coronaimpfpflicht suchen, machen die Krankenkassen Probleme bei der Umsetzung geltend. Aufgrund von Papiermangel sei es nicht möglich, alle Versicherten anzuschreiben, bemängelte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) jüngst in einer Stellungnahme für den Gesundheitsausschuss. In den Reihen der Ampelparteien ist man über diese Aussage mehr als nur ein wenig irritiert.

Der Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann von der FDP wirft den Krankenkassen eine Verzögerungstaktik vor. »Erst haben wir kein Toilettenpapier mehr, dann haben die Krankenkassen kein Papier, um die Impfpflicht umzusetzen«, sagte Ullmann dem SPIEGEL. »Das ist doch lächerlich.«

Praktisch werde es aber so laufen, meint Ullmann: Wenn eine Einigung da sei, würden die Krankenkassen einfach per Gesetz dazu verpflichtet, diese umzusetzen. Das sei der zuverlässigste Weg, alle Ungeimpften zu erreichen.

»Scheinargument der Krankenkassen«

Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen Janosch Dahmen ist verärgert über die Kassen. »Der angebliche Papiermangel ist ein vorgeschobenes Scheinargument der Krankenkassen.« Die Papierindustrie habe diese Behauptung bereits zurückgewiesen. Dahmen findet: »Die Krankenkassen können sich bei der offensichtlich erforderlichen Steigerung der Impfquote nicht aus der Verantwortung stehlen.« Sie spielten bei der Impfpflicht eine wichtige Rolle. Neben Aufklärungs- und Impfangeboten sollten sie auch die Nachweise über den Impf – bzw. Genesenstatus ihrer Versicherten erheben und ihren Versicherten in der elektronischen Patientenakte systematisch in digitaler Form zur Verfügung stellen. Der Aufwand werde aus Bundesmitteln erstattet. »Ich erwarte ein kooperatives Verhalten der Krankenkassen, schließlich geht es bei der Impfpflicht um die Gesundheit aller.«

Heike Baehrens, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, ist vom Verhalten der Kassen irritiert. »Wenn die Impfpflicht scheitern sollte, dann an einem Mangel an Mut zur echten Vorsorge, aber nicht an Papier. Selbstverständlich werden die Krankenversicherungen einen Auftrag des Gesetzgebers umsetzen.«

Derzeit versuchen die Abgeordneten im Bundestag, Mehrheiten für ihre Gruppenanträge zur Impfpflicht zu organisieren. Es liegen fünf verschiedene Anträge vor, die bereits in einer ersten Lesung im Bundestag eingebracht wurden.

  • Eine Gruppe von Abgeordneten der Ampelparteien ist für eine Impfpflicht ab 18 Jahren. Dies unterstützen etwa Baehrens, Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

  • Eine Gruppe um Ullmann setzt sich für eine Beratungspflicht zur Impfung ein. Zudem fordert sie in ihrem Antrag, dass Menschen über 50 zu einem späteren Zeitpunkt eine Impfung nachweisen müssen.

  • Ein Antrag der Unionsfraktion sieht ein Impfvorsorgegesetz vor. Demnach soll zunächst ein Impfregister aufgebaut werden, um eine Datengrundlage zu schaffen. Erst, wenn sich die pandemische Situation in Deutschland zuspitzt, beabsichtigt die Union die Impfpflicht einzuführen.

  • Eine Gruppe um den FDP-Politiker Wolfgang Kubicki will eine Impfpflicht dagegen verhindern.

  • Auch die AfD hat einen Antrag eingebracht, der sich gegen eine Coronaimpfpflicht stellt.

Derzeit hat keiner der Anträge eine Mehrheit – und die Zeit drängt. Die Impfpflicht soll in der ersten Plenarwoche im April im Parlament in zweiter und dritter Lesung beschlossen werden.

mfh
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