Coronavariante Omikron Söder will »das ganze Land noch stärker herunterfahren«

Markus Söder: »Die Warnungen der Leopoldina sind ein Weckruf«
Foto: Frank Hoermann / IMAGOAngesichts weiter steigender Coronazahlen und der neuen Omikron-Variante werden Forderungen nach raschen, drastischeren Maßnahmen laut. Erste Fälle der Mutation wurden am Wochenende in Hessen und Bayern gemeldet. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte: »Zum Schutz unseres Gesundheitssystems müssen wir das ganze Land leider noch stärker herunterfahren.«
Im Samstag bekannt gewordenen Fall eines hessischen Reiserückkehrer aus Südafrika bestätigte sich der Verdacht der Infizierung mit der neuen Omikron-Variante tags darauf, wie das hessische Sozialministerium nach der vollständigen Sequenzierung mitteilte. Die Person sei am 21. November über den Flughafen Frankfurt aus Südafrika eingereist und vollständig geimpft. »Sie hatte im Laufe der Woche Symptome entwickelt und sich daraufhin testen lassen. Danach wurde sie häuslich isoliert«, erklärte Hessens Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne).
Das bayerische Gesundheitsministerium informierte am Samstagabend über zwei Infektionen mit der neuen Coronavariante. Bei beiden am Mittwoch über den Münchner Flughafen eingereisten Personen bestehe der »hochgradige Verdacht« auf eine Omikron-Infektion.
Die Wissenschaftsakademie Leopoldina hatte in einer am Samstag veröffentlichten Stellungnahme gefordert, Kontakte für wenige Wochen deutlich zu reduzieren. Diese Maßnahmen müssten »vorübergehend auch für Geimpfte und Genesene gelten, die in dieser Zeit eine Auffrischungsimpfung erhalten müssen«. Als etwas mildere Option schlägt die Leopoldina eine »strikte, kontrollierte und sanktionierte 2G-Regelung« ohne Kontaktbeschränkungen vor.
»Die Warnungen der Leopoldina sind ein Weckruf«, sagte Markus Söder der »Augsburger Allgemeinen«. »Es braucht jetzt konsequente Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte, einen Lockdown für Hotspot-Regionen, Masken in allen Schulen und Fußballspiele ohne Zuschauer.« Zum Schutz unseres Gesundheitssystems »müssen wir das ganze Land leider noch stärker herunterfahren«, forderte der CSU-Vorsitzende.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief die Bürger zu freiwilligen Kontaktbeschränkungen auf. »Wichtig ist, dass wir jetzt alle gemeinsam handeln«, schrieb Steinmeier in einem Gastbeitrag für die »Bild am Sonntag«. »Tun wir es, damit Schulen und Kitas nicht wieder schließen, damit wir das öffentliche Leben nicht wieder vollständig herunterfahren müssen.«
Scholz: »Es gibt nichts, was nicht in Betracht gezogen werden kann«
Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte am Rande des Juso-Bundeskongresses am Samstag: »Wir werden alle weiteren Schritte tun, die sich noch als richtig erweisen. Es gibt nichts, was nicht in Betracht gezogen werden kann.«
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) verlangte wegen der neuen Variante eine baldige Ministerpräsidentenkonferenz. »Mit dem Auftreten der potenziell hochaggressiven Virusvariante Omikron stehen wir erneut vor einer Stunde null in der Pandemiebekämpfung«, erklärte er. »Eine nationale Notlage erfordert den Schulterschluss aller Länder sowie alter und neuer Bundesregierung.«
Es wäre wirklich ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk, wenn Omicron leichter verliefe. Bei so vielen Mutationen wäre es aber denkbar. Aber Vorsicht: was dagegen spricht: in SA sind nur 6% Ü65 alt. Deutschland ältestes Land Europa mit vielen chronisch Kranken https://t.co/EewQlbLb3N
— Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) November 28, 2021
Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, forderte im Interview mit dem SPIEGEL eine Beratung der Ministerpräsidenten in den nächsten Tagen. Für einen Lockdown sieht er momentan aber keine juristische Möglichkeit: »Egal ob ein bundesweiter Lockdown helfen würde – er ist rechtlich derzeit gar nicht möglich.«
Bei der neu entdeckten Coronavirus-Variante Omikron hält SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach einen leichteren Krankheitsverlauf für möglich. »Es wäre wirklich ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk, wenn Omikron leichter verliefe«, schrieb Lauterbach am Sonntag auf Twitter. »Bei so vielen Mutationen wäre es aber denkbar.«
Weil spricht sich für allgemeine Impfpflicht aus
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sprach sich für allgemeine Impfpflicht aus. Mit der erstmals in Südafrika festgestellten Mutation gebe es eine neue Lage, sagte er der »Hannoverschen Allgemeinen Zeitung«. »Wir werden uns massiv anstrengen müssen, um den Impfschutz sehr rasch nach oben zu treiben.«
Erste Untersuchungen zeigten, dass vor allem Booster-Impfungen auch gegen diese Mutation eine gute Wirkung entfalten könnten, sagte Weil. »Deshalb ist spätestens jetzt eine allgemeine Impfpflicht unabdingbar. Wir müssen den Impfdruck unbedingt erhöhen.« Die Impfug ist nach Weils Worten nicht mit einem Schlag erledigt, sondern müsse regelmäßig wiederholt werden.
»Deswegen geht es um eine allgemeine Impfpflicht, die dann voraussichtlich einige Jahre lang andauern wird«, sagte der niedersächsische Regierungschef. »Auch wenn kein Politiker das gerne tut: Wir müssen die Menschen wohl auch zu regelmäßigen Auffrischungsimpfungen verpflichten.« Jetzt müsse man erst einmal »boostern, was das Zeug hält«.
Der SPD-Politiker schloss auch einen harten Lockdown nicht mehr aus. Darüber werde auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz intensiv diskutiert werden müssen. »Dabei geht es aber wahrscheinlich eher um die Zeit nach Weihnachten, wo in der Regel Ferien sind und die Familien sich treffen.« Es könne viel dafür sprechen, die Ruhezeit nach hinten auszudehnen, um eine Ausbreitung des Virus nach den Familienfeiern zu verhindern. »Wir würden schon bis Weihnachten unsere Schutzmaßnahmen weiter verschärfen und dann für die letzte Dezember- und die erste Januarwoche im wahrsten Sinne des Wortes für alle eine Atempause vorsehen«, sagte Weil.