Weniger Ausnahmen CSU attackiert Steinbrücks Mehrwertsteuer-Plan

SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück in Potsdam: Nur noch fünf Bereiche für Ermäßigungen
Foto: Bernd Settnik/ dpaBerlin - SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat bei einer Wahlkampfveranstaltung Klartext geredet. Er wolle die Ausnahmeregelungen für den reduzierten Mehrwertsteuersatz auf vier bis fünf Bereiche reduzieren, erklärte er Bürgerinnen und Bürgern bei einer Veranstaltung in Potsdam. Als das Publikum klatschte, weil die Hotel-Steuerermäßigung damit vom Tisch wäre, warnte Steinbrück: Ob den Gästen klar sei, dass auch Schnittblumen und Tierfutter ermäßigt seien? Der ermäßigte Satz solle nur noch für Lebensmittel, Mieten, öffentlichen Nahverkehr und Kultur gelten - und einen fünften Bereich, den er aber verschweigen wolle, "weil das sonst sofort wieder in die Überschrift geht".
Für seinen Vorstoß, denSteinbrück am Dienstagabend in der Landeshauptstadt Brandenburgs machte, erntet er jetzt massive Kritik - von Seiten der CSU. Deren Generalsekretär Alexander Dobrindt erklärte SPIEGEL ONLINE am Mittwoch: "Steinbrück rückt scheibchenweise mit der Wahrheit heraus, dass er ein flächendeckendes Steuererhöhungsprogramm im Schilde führt."
Nach Einkommensteuer, Erbschaftsteuer und Vermögensteuer wolle er jetzt auch die Mehrwertsteuer heraufsetzen. "Die Menschen können sich darauf gefasst machen, dass der Steuererhöhungskandidat Steinbrück bei fast allen Steuern an der Schraube drehen möchte." Steinbrücks Bilanz heiße Schulden, "und sein Zukunftsversprechen heißt Steuererhöhungen", so der CSU-Generalsekretär.
Reformen hatte auch Schwarz-Gelb versprochen
Auch die jetzige schwarz-gelbe Koalition hatte einst mehr Klarheit im Gestrüpp der Mehrwertsteuersätze versprochen und in ihrem Koalitionsvertrag eine Prüfung der ermäßigten Mehrwertsteuersätze angekündigt. Der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand, Christian von Stetten (CDU) hatte noch zu Beginn dieses Jahres erklärt, das jetzige Mehrwertsteuerrecht sei "hochgradig kompliziert" und mit seinen nicht nachvollziehbaren Ausnahmeregelungen weder Unternehmen noch Privatpersonen zumutbar. Doch damit steht der Wirtschaftsflügel in der Union ziemlich allein da. Ein Reformentwurf ist im Wahlkampfjahr wohl nicht mehr zu erwarten.
Eigentlich als sozialpolitische Maßnahme geschaffen, wurden im Laufe der Jahrzehnte immer mehr Ausnahmen vom vollen Mehrwertsteuersatz geschaffen. Eine klare Systematik ist dabei nicht mehr zu erkennen:
- Der reduzierte Satz von sieben Prozent Mehrwertsteuer fällt etwa für Fleisch, Fisch, Milch, Gemüse, Früchte, Kaffee, Tee, Mehl und Kartoffeln an. Auch Tierfutter, tierische und pflanzliche Düngemittel, Holz und Pellets werden niedriger besteuert, auch Maultiere, Hausrinder und Schweine, Hühner, Enten, Gänse, Hauskaninchen, Bienen und ausgebildete Blindenführhunde.
- den vollen Steuersatz von 19 Prozent hingegen muss der Konsument für eine Flasche Mineralwasser zahlen. Auch für Hunde, Katzen, Kanarienvögel, Zierfische und Esel sind 19 Prozent fällig.
Die Liste der Absurditäten ließe sich beliebig fortsetzen.
Eine Reform wird seit Jahren immer wieder aufs Neue diskutiert. Doch bislang tat sich hier nichts. Der Grund: Viele in der Koalition fürchten einen Aufstand der Lobbygruppen und Bürger. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat bis heute eine Reform nicht angepackt. Im Gegenteil. Es gebe in dieser Wahlperiode bis Herbst 2013 nicht den Hauch einer Chance für eine Mehrheit in Bundestag und Bundesrat, hatte er im vergangenen Jahr erklärt.
Sein Vorgänger im Amt, Ex-Bundesfinanzminister Steinbrück, will den Anlauf diesmal offenbar wagen. Die Veranstaltung, auf der er die Neuregelung ankündigte, lockte mit dem Versprechen: "Klartext. Peer Steinbrück".