CSU-Klausur Beckstein verteidigt Copyright auf Innere Sicherheit
Wildbad Kreuth - Als bayerischer Innenminister war er 14 Jahre lang die Innere Sicherheit in Person. Jetzt muss er sich fragen lassen, warum sich seine Partei beim Sicherheitsthema von der CDU die Butter vom Brot nehmen lasse. Günther Beckstein ist gerade angekommen vor dem ehemaligen Kurbad von Kreuth, wo die CSU-Landesgruppe tagt. Draußen wartet schon der Reporter-Pulk. Es ist kalt. Beckstein friert. Er will rein.
Aber der CDU hinterherhinken, das will Bayerns Ministerpräsident nun auch nicht. "Die Innere Sicherheit ist unser Spezialthema", sagt Beckstein. Das wisse "jeder in Deutschland". Mit ihren Forderungen nach Verschärfung des Jugendstrafrechts und entschiedenerer Abschiebepraxis habe die große Unionsschwester nun wirklich "nichts ganz Neues" aufgeboten, denn die CSU diskutiere all das "schon lange".
Und noch einmal: "Keine sensationellen neuen Forderungen" habe die CDU aufgestellt.
Es ist ein sonderbares Signal, das die CSU da von Kreuth 2008 aussendet: Ausgerechnet in der Heimat christsozialer Kraftmeierei muss sich ausgerechnet der einstige "Mister Sicherheit" Beckstein gegen den Vorwurf politischer Harmlosigkeit wehren.
"Deutschland wird in der Münchner U-Bahn verteidigt"
Dabei war es tatsächlich die CSU, die nach den U-Bahn-Überfällen von München die Debatte um Jugendkriminalität angeschoben hatte. Bayerns neuer CSU-Innenminister Joachim Herrmann verbrachte daraufhin seinen ersten Heiligabend im Amt damit, sicherheitspolitischen Forderungen zu formulieren, darunter die Anhebung der Höchststrafe für jugendliche Gewaltverbrecher. Hessens wahlkämpfender CDU-Ministerpräsident Roland Koch nahm den Ball erst drei Tage später auf, aber er machte eine Kampagne daraus, die Wirkung zeigte.
Weil es Koch um Alles oder Nichts ging, um den Verbleib im Amt, trat er lauter auf als die Schwesterpartei. Wobei die CSU das Forte bekanntlich auch sehr gut beherrscht, wie es zuletzt der Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler unter Beweis stellte, als er per "Bild"-Zeitung polterte, Deutschland werde "in der Münchner U-Bahn verteidigt, am Bahnhof Zoo in Berlin und in der Frankfurter Innenstadt".
Doch dann legte die CSU-Landesgruppe in Kreuth ein erstaunlich differenziertes Papier zum Thema vor: Auf das Problem der Jugendkriminalität könne es "keine pauschalen Antworten geben" und es lasse sich "nicht auf Zuwanderer reduzieren oder pauschal als reines Integrationsproblem klassifizieren". Die SPD formuliert so etwas auch nicht anders. Aber Roland Koch eben.
Neue CSU sucht die Linie
Der Hesse gibt in dieser Partie den Spielführer und hat sich sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Team geholt, die auf ähnliche Kampagnen in der Vergangenheit immer zurückhaltend reagierte. Als Koch etwa 1999 eine Unterschriftenaktion gegen den Doppelpass initiierte, war die damalige CDU-Generalsekretärin Merkel nicht erfreut. Auch damals ging es dem hessischen Wahlkämpfer um Alles oder nichts.
Für die CSU hat früher Edmund Stoiber solche Debatten zusammengeführt und dominiert. Einige der 46 CSU-Bundestagsabgeordneten meinen, man überlasse der CDU und Koch jetzt ohne Not die Themenführerschaft. Andere denken an die großstädtischen Wähler, an die jungen, liberalen, auf die eine 50-Prozent-plus-X-Partei eben auch angewiesen ist und die sie nicht mit Hardliner-Forderungen verprellen darf. Ergebnis ist ein vielstimmiger Chor. In der CDU dagegen redet gegenwärtig nur Koch. Deshalb prägt er dieses Thema.
Dazu kommt, dass CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer in Kreuth eigentlich die von der SPD mit dem Mindestlohn provozierte Gerechtigkeitsdebatte kontern wollte: Indem er die CSU als Steuersenkungspartei positionierte, als Anwalt des kleinen Mannes präsentierte. Aber damit geriet er in die falsche Spur, denn das Thema Jugendgewalt hatte die Mindestlohn-Debatte der SPD sowieso schon überdeckt. Und das war Roland Kochs Verdienst. Kein Wunder also, dass sich Beckstein nun ums Copyright auf die Innere Sicherheit bemüht.
Internationaler Kronzeuge gegen Mindestlöhne
Was um so dringlicher erschien, weil ein weiterer wichtiger Trumpf nicht stach: Als internationaler Kronzeuge gegen Mindestlöhne hatte eigentlich Christine Lagarde dienen sollen. Die französische Superministerin für Wirtschaft, Finanzen und Arbeit ist der diesjährige Gast aus dem Ausland in Kreuth. Ihre These: Der Mindestlohn in Frankreich habe dazu geführt, dass sich "die Lohnskala etwas zusammenschiebt" und dass Löhne nach unten nivelliert worden seien. Allerdings spricht Lagarde vor den Journalisten nur über Frankreich und umgeht Fragen zur deutschen Lohndebatte. Intern soll sie sich zuvor deutlicher geäußert haben.
Und dann herrscht in der CSU sogar beim Ziel für die Landtagswahl im Herbst 2008 Unstimmigkeit: Huber und Beckstein geben die üblichen 50 Prozent plus X als Zielmarke aus, CSU-Vize Horst Seehofer beharrt auf 60 Prozent plus X.
Einige Abgeordneten reagieren in Kreuth leicht angesäuert: Es fehle die klare Führung. Es wird die Befürchtung geäußert, man könne sich zu einer Art Landesverband der CDU entwickeln. In der Bundespolitik habe die Partei statt einem Kopf viele Köpfe. Denn neben Parteichef Huber, Ministerpräsident Beckstein und Landesgruppenchef Ramsauer tummeln sich in der Hauptstadt auch noch CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer und Bayerns Bundesminister Markus Söder. Alle buhlen sie um Aufmerksamkeit.
Zumindest beim Thema Sicherheit will die CSU an diesem Dienstag wieder in Vorhand kommen. Attackiert wird die SPD und Altkanzler Gerhard Schröder, der der Union "Wahlkampfhetze" vorgeworfen hatte: Das sei "grotesk", sagte Ramsauer. Wenn man in Deutschland nicht mehr sicher sei vor "ausländischen Schlägerbanden", dann dürfe es "nicht als politisch unkorrekt hingestellt werden, dies anzuprangern". Glos wirft Schröder "Flegelhaftigkeit" vor. Er solle sich lieber um die Ostsee-Gaspipeline kümmern, wofür er auch bezahlt werde.
Beckstein erinnert noch an seinen einstigen Konterpart, den früheren Bundesinnenminister Otto Schily: "Man merkt, Schily ist weg und die SPD wird zur alten Partei, die nichts mehr von Innerer Sicherheit versteht." Und schiebt gleich noch eine neue Forderung hinterher: Online-Durchsuchungen müssten schnell eingeführt und auch im Kampf gegen Kinderpornographie eingesetzt werden. Parallel fordern die CSU-Abgeordneten die Einführung dieses Instruments nicht nur für das Bundeskriminalamt, sondern auch für den Verfassungsschutz.
Die Operation zur Rückgewinnung des Copyrights ist angelaufen.