CSU-Parteitag Merkel würdigt Stoibers Schachzüge
München - Ein Rivale ist er für die Kanzlerin schon lange nicht mehr - entsprechend versöhnlich fiel die Rede von Angela Merkel (CDU) zum Abschied des scheidenden CSU-Chefs Edmund Stoiber aus. Erst gratulierte sie ihm im Namen der "ganzen Union" zum Geburtstag - er wird heute 66 - , dann fand sie zahlreiche lobende Worte für Stoiber. Und wurde dabei sehr persönlich: "Was das Bild von Laptop und Lederhose angeht: In einer kurzen Lederhose habe ich Dich noch nie gesehen, in einer langen bin ich mir nicht so sicher."
Vor der Bundestagswahl 2002 hatten sich Merkel und Stoiber lange Zeit ein erbittertes Rennen um die Kanzlerkandidatur der CDU/CSU geliefert. Am Ende ließ die CDU-Chefin dem Bayern den Vortritt - er verlor knapp gegen den damaligen SPD-Amtsinhaber Gerhard Schröder. Drei Jahre später errang Merkel die Kanzlerschaft.
Die Regierungschefin würdigte Stoibers politische Lebensleistung als Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef. "Die Deutschen können vom Freistaat lernen", sagte Merkel. "Dein letzter Schachzug, lieber Edmund, das war der Transrapid." Sie bezog sich auf die weitgehende Einigung über die Finanzierung des umstrittenen Münchner Transrapid-Projekts vor wenigen Tagen. "Eine Technologie, die in einem Land erfunden wird, muss in dem Land auch angewendet werden", sagte die CDU-Chefin. Sonst finde sich kein breiter Markt. Sie verspreche, dass in der weiteren Diskussion nicht im Vordergrund stehen solle, "dass es nicht geht", sondern "dass es geht".
Merkel betont den Aufbruch der ganzen Union
Merkel sagte, der CSU-Parteitag bedeute Bilanz und Aufbruch für die ganze Union. Zuvor hatte die Partei nach 14 Jahren ein neues Grundsatzprogramm verabschiedet. Morgen gibt Stoiber den CSU-Vorsitz ab, den er im Januar 1999 von Theo Waigel übernommen hatte. Zur Wahl als Nachfolger stehen der bayerische Wirtschaftsminister Erwin Huber, Bundesagrarminister Horst Seehofer und die Fürther Landrätin Gabriele Pauli. Seit 1993 ist Stoiber zudem Ministerpräsident von Bayern - diesen Posten wird er an seinen bisherigen Innenminister Günther Beckstein übergeben.
Merkel sprach sich vor den Delegierten in der Münchner Messehalle für das von der CSU geforderte Betreuungsgeld aus. Es werde mehr Betreuung für Kinder gebraucht, sagte die Kanzlerin. Doch wenn diese Etappe geschafft sei, müsse wieder etwas für Eltern getan werden, die länger als ein Jahr zu Hause bleiben wollten. Deshalb stehe die CDU genauso wie zum Ausbau der Kinderbetreuung zum Betreuungsgeld. Der Krippenausbau sei genauso zentral.
Zuvor hatte der scheidende Vorsitzende Edmund Stoiber seine Abschiedsrede gehalten - kein rhetorisches Feuerwerk, aber damit hatte auch niemand gerechnet: Edmund Stoibers letzte Grundsatzrede als CSU-Chef geriet so, wie man den scheidenden Parteichef und bayrischen Ministerpräsidenten kennt: Leidenschaftlich im Ton und ausschweifend in der Analyse. Und natürlich kam er auch diesmal nicht ohne einige Versprecher aus. So sprach er beispielsweise vom SPD-Leitartikler - meinte aber den von ihm ungeliebten "SZ"(Süddeutsche Zeitung)-Leitartikler.
Einen Tag vor der Wahl seiner Nachfolger warf der bayerische Ministerpräsident den Sozialdemokraten vor, sie knickten vor der Linkspartei und deren Chef Oskar Lafontaine ein. Zugleich rief Stoiber die CSU auf, Volkspartei zu bleiben. Er bekannte sich zu Ehe und Familie und warnte, die Partei sei "kein Happening". Sie werde durch Werte zusammengehalten "und nicht durch Show".
Ovationen für Stoiber an seinem 66. Geburtstag
Stoiber war mit Ovationen und Glückwünschen zu seinem 66. Geburtstag begrüßt worden. Die CSU müsse politische Heimat für alle Schichten sein und sei mehr als eine Interessenpartei, betonte Stoiber. Zugleich kritisierte er, das Wahlprogramm der Union 2005 habe zu wenig die soziale Marktwirtschaft betont.
Dann knüpfte sich Stoiber die deutschen Manager vor: Die Wirtschaft müsse die soziale Marktwirtschaft mit Leben erfüllen. Diejenigen, die für die Menschen Vorbild seien, müssten auch bei Einkommen und Gehältern Anstand zeigen und nach bürgerlichen Werten leben. "Wenn heute nach wissenschaftlichen Studien Manager in Deutschland im Schnitt das 140- fache ihrer Arbeitnehmer verdienen, dann geraten diese Werte in Gefahr." Dafür stehe die CSU mit ihrer christsozialen Prägung.
Stoiber betonte die zentrale Bedeutung des Christentums für die CSU. Europa könne stolz auf seine christliche Vergangenheit sein, sagte er, das müsse man selbstbewusst zeigen. Deshalb bleibe das klare Bekenntnis der EU zum Gottesbezug auch ein Ziel der CSU.
Heftige Attacken auf die politische Konkurrenz
Scharf griff Stoiber auch die zögerliche Haltung der SPD in der inneren Sicherheit an. Mit ihrer Verweigerungshaltung falle sie beim Schutz vor Gewalt und Terror hinter den früheren Innenminister Otto Schily zurück. "Hier müssen wir die SPD stellen und dürfen nicht einknicken", sagte der CSU-Chef.
Zugleich bekräftigte Stoiber seine Forderung nach Einführung eines Betreuungsgelds für Eltern, die ihre Kinder nicht in Krippen schicken. Dabei griff er Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) direkt an. Es sei inakzeptabel, wenn diese das Betreuungsgeld als bildungspolitische Katastrophe bezeichne, sagte er.
Immer wieder kam Stoiber auf seinen Amtsvorgänger Franz-Josef Strauß zurück, als dessen politischer Ziehsohn er gilt. Strauß bleibe ein Bezugspunkt für die CSU, sagt er - und betont damit seine eigene Bedeutung.
Die Fürther Landrätin Pauli äußerte sich enttäuscht über die Abschiedsrede. "Ich hätte mir gewünscht, dass er mehr Perspektiven für die Zukunft entwickelt", sagte sie. Stoiber habe auch nicht den "großen Bogen" über seine Jahre als Ministerpräsident und Parteichef gespannt. Stattdessen habe er sich sehr auf aktuelle Geschehnisse bezogen. "Ich hätte eine mehr staatsmännische Rede erwartet", sagte Pauli.
Stoiber soll CSU-Ehrenvorsitzender werden
Stoiber steht vor der Wahl zum Ehrenvorsitzenden der Christsozialen. Ein entsprechender Antrag des Landrats von Garmisch-Partenkirchen, Harald Kühn, werde von der Parteiführung unterstützt, sagte der stellvertretende CSU-Chef Ingo Friedrich der Nachrichtenagentur AFP. "Wir sind froh, dass das von der Basis eingebracht wurde. Dem wird mit Sicherheit vom Parteitag einstimmig zugestimmt." Auch CSU-Landtagsfraktionschef Joachim Herrmann sagte, er rechne mit einer deutlichen Wahl Stoibers zum Ehrenvorsitzenden.
Die Fürther Landrätin Pauli hat bei der morgigen Wahl um Stoibers Nachfolge als Parteichef angeblich schon eine Stimme sicher. Der stellvertretende Vorsitzende des Regensburger CSU-Ortsverbandes Altstadt, Markus Spitzer, werde bei der Vorsitzendenwahl Pauli seine Stimme geben, berichtet der Bayerische Rundfunk. Die 50-Jährige sei eine Frau, "die frischen Wind in die verknöcherten Strukturen bringt", wird Spitzer zitiert.
flo/AFP/AP/ddp/dpa