CSU-Parteitag Pauli fällt mit Antrag zu Familienpolitik durch
München - CSU-Rebellin Gabriele Pauli ist mit ihrem Antrag für einen anderen Familienbegriff durchgefallen. Pauli hatte erreichen wollen, dass die CSU im neuen Grundsatzprogramm unter Familie künftig alle Lebensgemeinschaften versteht, in denen Kinder aufwachsen. Dafür gab es jedoch keine einzige Stimme außer ihrer eigenen.
Pauli, die sich am Samstag um den CSU-Vorsitz bewirbt, hatte zur Begründung gesagt, der Familienbegriff solle sich gleichwertig auf alle Kinder beziehen - unabhängig davon, in welcher Lebensform sie aufwachsen. Der Vorsitzende der CSU-Grundsatzkommission, Landtagspräsident Alois Glück, warf Pauli vor, sie wolle Ehe und Familie gegeneinander ausspielen. "Für uns sind alle Kinder gleichwertig", sagte Glück. Die Vorsitzende der Frauen-Union, Emilia Müller, sagte: "Die CSU steht uneingeschränkt zu Ehe und Familie." Für die meisten Menschen sei diese Lebensform weiterhin aktuell. Wenn Pauli dies nicht sehen wolle, setze sie sich über die Bedürfnisse der Menschen hinweg.
Kurz darauf verabschiedete die Partei ihr neues Grundsatzprogramm - 14 Jahre nach dem letzten entsprechenden Papier. Die rund 1000 Delegierten votierten einstimmig für den Entwurf.
Zuvor hatte der scheidende Vorsitzende Edmund Stoiber seine Abschiedsrede gehalten - kein rhetorisches Feuerwerk, aber damit hatte auch niemand gerechnet: Edmund Stoibers letzte Grundsatzrede als CSU-Chef geriet so, wie man den scheidenden Parteichef und bayrischen Ministerpräsidenten kennt: Leidenschaftlich im Ton und ausschweifend in der Analyse. Und natürlich kam er auch diesmal nicht ohne einige Versprecher aus. So sprach er beispielsweise vom SPD-Leitartikler - meinte aber den von ihm ungeliebten "SZ"(Süddeutsche Zeitung)-Leitartikler.
Einen Tag vor der Wahl seiner Nachfolger warf der bayerische Ministerpräsident den Sozialdemokraten vor, sie knickten vor der Linkspartei und deren Chef Oskar Lafontaine ein. Zugleich rief Stoiber die CSU auf, Volkspartei zu bleiben. Er bekannte sich zu Ehe und Familie und warnte, die Partei sei "kein Happening". Sie werde durch Werte zusammengehalten "und nicht durch Show".
Der Parteitag steht im Zeichen des größten personellen Umbruchs der CSU seit Jahrzehnten. Stoiber gibt den CSU-Vorsitz ab, den er im Januar 1999 von Theo Waigel übernommen hatte. Zur Wahl als Nachfolger stehen der bayerische Wirtschaftsminister Erwin Huber, Bundesagrarminister Horst Seehofer und die Fürther Landrätin Gabriele Pauli. Seit 1993 ist Stoiber zudem Ministerpräsident von Bayern - diesen Posten wird er an seinen bisherigen Innenminister Günther Beckstein abgeben.
Ovationen für Stoiber an seinem 66. Geburtstag
Stoiber war mit Ovationen und Glückwünschen begrüßt worden - er feiert heute seinen 66. Geburtstag. Am Ende seiner Rede spendeten ihm die Delegierten fünf Minuten Applaus.
Die CSU müsse politische Heimat für alle Schichten sein und sei mehr als eine Interessenpartei, betonte Stoiber. Zugleich kritisierte er, das Wahlprogramm der Union 2005 habe zu wenig die soziale Marktwirtschaft betont.
Dann knüpfte sich Stoiber die deutschen Manager vor: Die Wirtschaft müsse die soziale Marktwirtschaft mit Leben erfüllen. Diejenigen, die für die Menschen Vorbild seien, müssten auch bei Einkommen und Gehältern Anstand zeigen und nach bürgerlichen Werten leben. "Wenn heute nach wissenschaftlichen Studien Manager in Deutschland im Schnitt das 140- fache ihrer Arbeitnehmer verdienen, dann geraten diese Werte in Gefahr." Dafür stehe die CSU mit ihrer christsozialen Prägung.
Stoiber betonte die zentrale Bedeutung des Christentums für die CSU. Europa könne stolz auf seine christliche Vergangenheit sein, sagte er, das müsse man selbstbewusst zeigen. Deshalb bleibe das klare Bekenntnis der EU zum Gottesbezug auch ein Ziel der CSU.
Heftige Attacken auf die politische Konkurrenz
Scharf griff Stoiber auch die zögerliche Haltung der SPD in der inneren Sicherheit an. Mit ihrer Verweigerungshaltung falle sie beim Schutz vor Gewalt und Terror hinter den früheren Innenminister Otto Schily zurück. "Hier müssen wir die SPD stellen und dürfen nicht einknicken", sagte der CSU-Chef.
Zugleich bekräftigte Stoiber seine Forderung nach Einführung eines Betreuungsgelds für Eltern, die ihre Kinder nicht in Krippen schicken. Dabei griff er Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) direkt an. Es sei inakzeptabel, wenn diese das Betreuungsgeld als bildungspolitische Katastrophe bezeichne, sagte er.
Immer wieder kam Stoiber auf seinen Amtsvorgänger Franz-Josef Strauß zurück, als dessen politischer Ziehsohn er gilt. Strauß bleibe ein Bezugspunkt für die CSU, sagt er - und betont damit seine eigene Bedeutung.
Die Fürther Landrätin Pauli äußerte sich enttäuscht über die Abschiedsrede. "Ich hätte mir gewünscht, dass er mehr Perspektiven für die Zukunft entwickelt", sagte sie. Stoiber habe auch nicht den "großen Bogen" über seine Jahre als Ministerpräsident und Parteichef gespannt. Stattdessen habe er sich sehr auf aktuelle Geschehnisse bezogen. "Ich hätte eine mehr staatsmännische Rede erwartet", sagte Pauli.
Stoiber soll CSU-Ehrenvorsitzender werden
Stoiber steht vor der Wahl zum Ehrenvorsitzenden der Christsozialen. Ein entsprechender Antrag des Landrats von Garmisch-Partenkirchen, Harald Kühn, werde von der Parteiführung unterstützt, sagte der stellvertretende CSU-Chef Ingo Friedrich der Nachrichtenagentur AFP. "Wir sind froh, dass das von der Basis eingebracht wurde. Dem wird mit Sicherheit vom Parteitag einstimmig zugestimmt." Auch CSU-Landtagsfraktionschef Joachim Herrmann sagte, er rechne mit einer deutlichen Wahl Stoibers zum Ehrenvorsitzenden.
Die Fürther Landrätin Pauli hat bei der morgigen Wahl um Stoibers Nachfolge als Parteichef angeblich schon eine Stimme sicher. Der stellvertretende Vorsitzende des Regensburger CSU-Ortsverbandes Altstadt, Markus Spitzer, werde bei der Vorsitzendenwahl Pauli seine Stimme geben, berichtet der Bayerische Rundfunk. Die 50-Jährige sei eine Frau, "die frischen Wind in die verknöcherten Strukturen bringt", wird Spitzer zitiert.
Die Generation der 40- bis 50-Jährigen müsse beim CSU-Parteitag auf die Erneuerung von der Basis aus setzen. Deshalb sei Gabriele Pauli die Richtige für den Parteivorsitz. "Edmund Stoiber kann nicht von denselben abgeschossen werden, die dann morgen das Fell verteilen", sagte Spitzer laut BR. Paulis Konkurrenten Huber und Seehofer, hält Spitzer demnach nicht für geeignet. Huber fehle es an Ideen und Seehofer sei ungeeignet "wegen der Frauengeschichten".
Den Vorschlag der zweifach geschiedenen Landrätin, eine auf sieben Jahre befristete Ehe einzuführen, nannte CSU-Mann Spitzer laut BR aber "eine tolle Idee", die die kirchlich geschlossene Ehe stärke. Dem Sender zufolge ist Spitzer Präfekt der konservativen katholischen Marianischen Männerkongregation. Aus der katholischen Kirche hatte Pauli unmittelbar nach ihrem Vorschlag Kritik für ihre Idee geerntet.
flo/AFP/AP/ddp/dpa