Finanzhilfe für Angehörige Staat gibt Pflege-Darlehen - kaum einer will sie haben
Seit 1. Januar 2015 wurden 754 Anträge auf ein Pflege-Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben eingereicht, 618 bewilligte die Kölner Behörde nach Informationen des SPIEGEL. Das ist weniger als ein Prozent der rund 70.000 Bürger, die nach Schätzung des Bundesfamilienministeriums seitdem die Möglichkeiten der beruflichen Freistellung in Anspruch genommen haben. (Lesen Sie hier die ganze Geschichte im neuen SPIEGEL.)
Das zinslose Darlehen soll es Beschäftigten erleichtern, für die Zeit der Pflege aus dem Beruf auszusteigen. Es deckt grundsätzlich die Hälfte des durch den Pflegeeinsatz fehlenden Nettogehalts ab und wird in monatlichen Raten ausgezahlt. Empfänger müssen es nach Ende der Freistellung ebenfalls in Raten wieder zurückzahlen. Die geringe Resonanz zeigt, dass diese Bedingungen nicht attraktiv für die Betroffenen sind. Zum Vergleich: Allein 2016 machten rund 1,64 Millionen Väter und Mütter, die ihre Kinder betreuen, Gebrauch von der Möglichkeit, Elterngeld zu beziehen; sie bekommen je Kind bis zu 21.600 Euro quasi geschenkt.
In Deutschland gibt es rund 2,9 Millionen Pflegebedürftige, gut zwei Drittel davon werden von Angehörigen, überwiegend Frauen, versorgt oder durch ambulante Dienste. Die Pflege Angehöriger ist für die Bürger meist mit deutlichen finanziellen Nachteilen verbunden. Wer zu Hause pflegt, arbeitet oft genauso hart wie jemand, der ins Büro oder in die Fabrik geht. Er investiert, wenn er keine Hilfe hat, sogar mehr Zeit als der Vollerwerbstätige. Im Schnitt wendet ein Haushalt wöchentlich laut einer Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung 63 Stunden für die Pflege auf. Das Pflegegeld, das einem Pflegenden gezahlt wird, beträgt jedoch nur zwischen 316 und 901 Euro monatlich. Diese Leistung muss im Gegensatz zum Pflege-Darlehnen nicht zurückgezahlt werden.
Pflege ist mitverantwortlich für Rentenprobleme
Auch im Alter erweist es sich finanziell als Nachteil, wenn man zuvor Angehörige gepflegt hat. So erklärt sich zu einem großen Teil auch, warum Frauen in Deutschland so schlecht versorgt sind; ihre Renten erreichen im Schnitt nur 60 Prozent der Höhe einer Männerrente. Nirgends in der westlichen Welt ist die Lücke zwischen den Geschlechtern größer, die Pflegesituation ist dafür mitverantwortlich.
Der Gesetzgeber tat sich bislang schwer mit Regeln, mit denen sich Beruf und Pflege besser vereinbaren lassen. Angehörige haben zwar mittlerweile Anspruch auf eine Pflegezeit von sechs Monaten oder eine Familienpflegezeit, in der sie maximal zwei Jahre lang ihre Arbeitszeit auf bis zu 15 Wochenstunden verringern können. Doch die Familienpflegezeit gilt nur in Betrieben mit mehr als 25 Beschäftigten, Millionen Mitarbeiter bleiben davon ausgeschlossen.