Daten-Hehlerei CDU-Wirtschaftsflügel warnt Merkel vor Kauf der Steuersünder-CD

Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble wollen einem Informanten eine brisante Steuersünder-CD abkaufen - Widerstand kommt aus dem eigenen Lager. CDU-Politiker raten mit scharfen Worten ab. Erpresser würden doppelt belohnt, der Staat begebe sich auf "vermintes Gelände".
Minister Schäuble, Kanzlerin Merkel: Widerstand aus der eigenen Partei

Minister Schäuble, Kanzlerin Merkel: Widerstand aus der eigenen Partei

Foto: Michael Sohn/ AP

Berlin - Eine CD mit Bankdaten von angeblich 1500 deutschen Steuersündern, die ein Informant der Regierung für 2,5 Millionen Euro annbietet, sorgt für Diskussionen in der Union. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) haben am Montag den Kauf dieser CD grundsätzlich befürwortet.. Die Kritik an dieser Entscheidung aus den eigenen Reihen wird immer lauter.

Deutliche Worte findet der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrats Kurt Lauk für den geplanten Erwerb der Daten. Statt die CD zu kaufen, müsse der Anbieter der Konto-Informationen festgenommen werden, sagte Lauk dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Der Staat ist gehalten, alle rechtsstaatlichen Mittel anzuwenden: Den Mann in Haft zu nehmen", so der CDU-Mann.

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger": "Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Vieles spricht dafür, dass das Hehlerei ist. Wenn es rechtliche Zweifel gibt, muss die Bundesregierung ihre Finger davon lassen.

Auch der Vorsitzende im Rechtsausschuss des Bundestages, Siegfried Kauder (CDU), warnte den Innenminister dringend vor einem Ankauf der Daten. Nach Einschätzung Kauders "wären die Kontodaten in einem Strafprozess gegen betroffene Steuersünder nicht verwertbar". Steuern dürften nicht beigetrieben werden, indem die Finanzbehörden sich einer Hehlerei schuldig machten. "Das Risiko, damit vor Gericht auf die Nase zu fallen, ist aus meiner Sicht zu groß", sagte der Unionsrechtsexperte der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Der Staat würde sich auf juristisch außerordentlich vermintes Gelände begeben. Davon kann ich nur dringend abraten." Mit einem Kauf der CD gebe man den Datendieben ein Signal: "Wenn Du klaust, kaufen wir es Dir ab", so Kauder weiter. Das sollte der Staat nicht tun.

Heftige Kritik auch aus der FDP

Ähnlich argumentierte Unions-Fraktionsvize Günter Krings: "Es wäre gut, wenn wir die Daten erhalten und an die Steuersünder herankommen könnten." Der Staat dürfe aber nicht "ohne jede weitere Prüfung jede beliebige Geldforderung erfüllen", sagte er der Online-Ausgabe des "Kölner Stadt- Anzeigers". Mit Straftätern zusammenzuarbeiten müsse eine absolute Ausnahme bleiben. "Wenn das Beispiel Schule macht, dann ist die Gefahr groß, dass die Täter doppelt abkassieren" - einerseits durch Erpressung der Steuerhinterzieher, andererseits durch Mittel vom Staat.

Auch die FDP-Haushaltsexpertin Claudia Winterstein stellte sich deutlich gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich für den Kauf ausgesprochen hatte. "Sollte ein rechtlich einwandfreier Erwerb nicht möglich sein, muss der Staat darauf verzichten. In einem Rechtsstaat heiligt der Zweck nicht die Mittel, sonst öffnet man Erpressern und Hehlern Tür und Tor", sagte sie der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse".

Schäuble verteidigt Kaufüberlegungen

Unterstützung fanden Merkel und Schäuble bei Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring. In einem Gespräch mit der "Nordwest- Zeitung" sagte der CDU-Politiker, man sollte zugreifen. Es sei zwar eine komplizierte Abwägung. Das Interesse der Bürger sei aber höher zu bewerten als der Schutz der Daten.

Unterdessen hat Finanzminister Schäuble die Erwägungen zum Kauf der gestohlenen Bankdaten aus der Schweiz verteidigt - aber gleichzeitig eingeräumt, dass die Entscheidung über den Umgang mit den Steuerdaten keine einfache sei. Man unternehme "keinen Schnellschuss", sagte Schäuble am Montagabend im ZDF "heute journal". Er habe den Schritt eingehend mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Unionsfraktionschef Volker Kauder besprochen. Die Entscheidung sei in den vergangenen Tagen juristisch noch einmal genau geprüft worden, sagte Schäuble. Mit dem Kauf der CD werde auch die Linie seines Amtsvorgängers Peer Steinbrück (SPD) und der vorherigen Bundesregierung fortgesetzt, der er ja auch selbst als Innenminister angehört habe. "Wir können jetzt nicht das Gegenteil machen von dem, was wir vor zwei Jahren gemacht haben." Mit seinem Schweizer Kollegen habe er über das Vorgehen der Bundesregierung gesprochen, sagte Schäuble.

Die Verfahren aus dem ersten Schwarzgeld-Skandal mit Liechtenstein seien noch nicht alle abgeschlossen, sagte Schäuble. Das Vorgehen von damals sei bisher aber auch noch von keinem Gericht in Zweifel gezogen worden.

Rechtliche Konsequenzen forderte der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Die Bundesregierung müsse die Vorschriften des Straf- und Steuerrechts präzisieren. BDK-Vorsitzender Klaus Jansen sagte: "Steuerfahnder und Polizei müssen nach wie vor in einer rechtlichen Grauzone arbeiten, während kriminelle Prämienjäger immer öfter auf den Plan treten", so Jansen in der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Leider habe die Politik aus dem Fall Zumwinkel nichts gelernt und bis heute keine rechtlichen Konsequenzen gezogen. Jansen forderte "dringend eine Klarstellung im Straf- und Steuerrecht zur Frage des Ankaufs von Bankdaten". Zudem müsse der Gesetzgeber klären, ob und inwieweit es Datenschutz für Steuersünder überhaupt geben könne. "Es darf nicht länger sein, dass deutsche Ermittler sich bei ihrer Arbeit dem Vorwurf der Hehlerei ausgesetzt sehen", betonte Jansen.

Konrad Freiberg, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), hält den Ankauf der Steuersünder-Datei durch die Bundesregierung unterdessen für richtig. "Der Begriff Hehler passt hier absolut nicht auf den Staat", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Der Staat wolle die Strafverfolgung aufnehmen, um schwerste Steuerstraftaten aufzudecken. Der Staat dürfe nicht nur die Kleinen jagen und die Großen laufen lassen. Man müsse Zeichen gegen Wirtschaftskriminalität und Steuerhinterziehung setzen. Das werde abschreckende Wirkung entfalten, so der GdP-Chef. In der Diskussion um die moralische Bewertung verwies Freiberg auf die gängige Praxis. "Der Staat handelt oft mit Ganoven", sagte er im Hinblick auf die Kronzeugenregelung oder Zeugenschutzprogramme.

anr/dpa/ddp/AFP
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