DDR-Vergangenheit Hunderte Stasi-Mitarbeiter in Brandenburger Polizei

Geradlinige Karrieren trotz dunkler Vergangenheit: Zahlreiche ehemalige Stasi-Mitarbeiter sind noch heute für die Brandenburger Polizei tätig - auch in hohen Funktionen. Im Fall Kurras schloss die Chefin der Stasi-Unterlagenbehörde personelle Konsequenzen nicht aus.

Berlin - 20 Jahre nach dem Mauerfall ermitteln sie noch immer bei der Polizei: Hunderte ehemalige inoffizielle und hauptamtliche Mitarbeiter der Stasi sind nach einem Bericht des RBB-Magazins "Klartext" heute im Polizeidienst des Landes Brandenburg beschäftigt. Darunter ist sogar ein Abteilungsleiter des Landeskriminalamtes. Dies bestätigte das Landesinnenministerium dem Sender. Das Ministerium betonte aber, dass Polizisten mehrfach überprüft und 600 Polizeiangehörige wegen Stasi-Belastung aus dem Dienst entfernt wurden.

Laut "Klartext" waren einige der ehemaligen Stasi-Mitarbeiter direkt für die Verfolgung und Inhaftierung politisch Andersdenkender in der DDR verantwortlich. Das Fernsehmagazin beruft sich dabei auf Akten aus der Birthler-Behörde.

Nach der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) im Februar 1990 - noch vor der Wiedervereinigung - wurden 220 hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter von den "Runden Tischen" überprüft und anschließend in die Volkspolizei übernommen. Wie viele ehemalige Stasi-Mitarbeiter genau heute noch für die Brandenburger Polizei tätig sind, wurde nicht bekannt. Das Landesinnenministerium verwies darauf, dass die Mitarbeiter des eigenen Hauses und der Polizei "mehrfach nach einheitlichen, von der damaligen Landesregierung festgelegten Verfahren und Kriterien überprüft" worden seien.

Der ehemalige Bürgerrechtler und Teilnehmer des Runden Tisches, Harry Ewert, kritisierte die Aufarbeitungspraxis der Landesregierung Brandenburg. Im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Bundesländern habe das Land am schlechtesten abgeschnitten. Der Überprüfungskommission hätte jeden Fall im Schnitt nur elf Sekunden bearbeiten können.

Zugleich wandte sich Wendt aber "gegen einen Generalverdacht gegen alle Polizisten", die schon zu DDR-Zeiten aktiv gewesen seien. "Es geht um eine Einzelfallprüfung in allen begründeten Verdachtsfällen. " Wenn allerdings in der Vergangenheit Überprüfungen, auch durch gerichtliche Urteile, erfolgt seien, müssten diese Entscheidungen weiter Bestand haben.

Bundesanwaltschaft sperrt Kurras-Akte

Im Fall Kurras reagierte die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, auf Kritik an der Arbeit des Archivs. Sie schloss personelle Konsequenzen nicht aus. Dass die Behördenleitung nicht sofort nach dem Fund informiert worden wurde, sei "nicht in Ordnung" gewesen, sagte sie dem RBB. Nur durch Zufall hatten Behördenmitarbeiter die Akte des früheren inoffiziellen Stasi-Mitarbeiters und West-Berliner Polizisten Karl-Heinz Kurras gefunden. Dieser hatte 1967 den Studenten Benno Ohnesorg erschossen.

Die Bundesanwaltschaft sperrte am Dienstag einen Teil der Kurras-Akte bei der Birthler-Behörde - um den Anfangsverdacht eines möglicherweise durch "das Ministerium für Staatssicherheit angeordneten Auftragsmordes an Benno Ohnesorg" zu prüfen, wie die Birthler-Behörde mitteilte.

Auch Kopien der Unterlagen aus diesem Band stünden deshalb der Öffentlichkeit bis auf weiteres nicht zur Verfügung. Laut "Focus Online" ist in dem Band unter anderem der Funkverkehr zwischen Kurras und der Stasi protokolliert. Die laufenden Ermittlungen dürften nicht durch eine Veröffentlichung gefährdet werden, habe die Behörde zur Begründung erklärt.

kgp/dpa/ddp/AP
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