Wohnungsnot Städte- und Gemeindebund warnt vor Folgen der Enteignungsdebatte

In der Diskussion über die Enteignung großer Wohnungsunternehmen wirft die Linke der SPD Mutlosigkeit vor. Der CSU-Generalsekretär kritisiert den Grünenchef. Der Städte- und Gemeindebund spricht von "Irrglauben".
Im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg werden Mitte 2018 Eigentumswohnungen gebaut

Im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg werden Mitte 2018 Eigentumswohnungen gebaut

Foto: Lothar Ferstl/ picture alliance/dpa

Könnten Enteignungen großer Wohnungskonzerne die Wohnungsnot in Deutschland lindern? Nach Ansicht des Städte- und Gemeindebunds ist dies ein "Irrglaube". Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg warnte in der "Passauer Neuen Presse" zudem vor den negativen Folgen dieser Debatte: "Durch derartige publikumswirksame Diskussionen, die sogar von einigen Politikern unterstützt werden, wird die Bereitschaft von privaten Investoren, neuen und zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, im Zweifel deutlich reduziert."

Enteignungsverfahren seien überaus langwierig, kompliziert und oftmals erfolglos, sagte Landsberg. Auch entstehe dadurch keine einzige neue Wohnung. Stattdessen forderte Landsberg, dass schneller neue Wohnungen gebaut und überflüssige, das Bauen verteuernde Standards und Regeln eingeschränkt werden.

Am Samstag hatten bundesweit Zehntausende Menschen gegen steigende Mieten demonstriert. In Berlin begann mit der Sammlung von Unterschriften zugleich ein bislang einmaliges Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungskonzerne.

Video von dem Protest gegen "Mietenwahnsinn" in Berlin

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SPD-Chefin Andrea Nahles hatte sich gegen Enteignungen ausgesprochen. Stattdessen wolle die SPD einen Mietenstopp. Kritik an Nahles kam nun von Linken-Chefin Katja Kipping. "Ich wünsche mir mehr Mut von Andrea Nahles und der SPD", sagte sie der "Welt". "Enteignungen von vornherein auszuschließen, obwohl sie das Grundgesetz erlaubt, ist das falsche Zeichen." Die Mitte werde jeden Monat durch explodierende Mieten enteignet.

SPD-Bundesvize Ralf Stegner widersprach Nahles: Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, Enteignungen seien ein letztes "Notwehrrecht" des Staates. "Es gibt teilweise halbkriminelles Verhalten, bei dem die Not der Mieter ausgenutzt wird. In diesen Fällen muss der Staat Handlungsfähigkeit beweisen."

Der Grünen-Bundesvorsitzende Robert Habeck hatte am Wochenende gesagt, er halte Enteignungen für prinzipiell denkbar: "Das Grundgesetz sieht solche Enteignungen zum Allgemeinwohl ausdrücklich vor."

CSU-Generalsekretär Markus Blume sagte dazu nun in der "Rheinischen Post", wenn Habeck es ernst meine, dann könne er "mit seiner Enteignungsidee ja mal bei den Luxus-Penthouse-Wohnungen seiner Grünen-Anhänger am Prenzlauer Berg anfangen". Das einzige Rezept, das mehr Wohnraum schaffe, "heißt Bauen, Bauen, Bauen". Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt griff Habeck an: "Wer wie Herr Habeck nach dem Motto 'Enteignen statt Bauen' handelt, schafft nur neue soziale Ungerechtigkeiten und stellt den gesellschaftlichen Frieden infrage", sagte Dobrindt den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte dem "Münchner Merkur", Enteignungen seien "nun wirklich sozialistische Ideen und haben mit bürgerlicher Politik nichts zu tun". Und Söders Bauminister Hans Reichhart (CSU) erklärte: "Schwachsinnige Debatte von vorgestern."

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aar/dpa
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