Debatte um PID Bundestag streitet über Gentests bei Embryos

Untersuchung für eine künstliche Befruchtung: Emotionale Debatte über PID im Bundestag
Foto: Waltraud Grubitzsch/ dpaBerlin - Es ist eine ethisch heikle Frage: Sollen Gentests an Embryonen aus dem Reagenzglas erlaubt werden oder nicht? Befürworter und Gegner haben am Donnerstag im Bundestag eindringlich für ihre Positionen geworben.
Die Gegner warnten vor einem Dammbruch - hin zu Embryonen-Selektion und Diskriminierung von Behinderten. Die Fürsprecher wollen dagegen erblich vorbelasteten Paaren die Entscheidung für ein Kind erleichtern. Im Juni soll die Frage ohne Fraktionszwang entschieden werden.
Die Präimplantationsdiagnostik (PID) ermöglicht es, Embryonen im Reagenzglas vor dem Einpflanzen in den Mutterleib auf Genkrankheiten zu untersuchen. Der Streit entzündet sich vor allem daran, was geschieht, wenn bei Embryonen Behinderungen und Erbkrankheiten festgestellt werden. Die PID macht es möglich, solche Embryonen zu "verwerfen" - also nicht einzupflanzen.
Diese drei Gesetzentwürfe lagen dem Bundestag zur ersten Lesung vor:
- Position Pro I: Die begrenzte Zulassung von Gentests an künstlich erzeugten Embryonen soll Paaren, die eine Veranlagung für eine schwere Erbkrankheit haben, die Chance auf ein gesundes Kind ermöglichen. PID soll deshalb im Grundsatz verboten, aber in Ausnahmefällen zulässig sein - etwa wenn die Eltern die Veranlagung für ein schweres vererbbares Leiden haben oder eine Tot- oder Fehlgeburt droht. Eine vorherige Beratung ist Pflicht, eine Ethikkommission muss zustimmen. PID darf nur an Zentren mit Lizenz vorgenommen werden. Für diese Position stehen FDP-Fraktionsvize Ulrike Flach, Wirtschaftsstaatssekretär Peter Hintze (CDU), die SPD-Expertin Carola Reimann, Linke-Fraktionsvize Petra Sitte und der Grünen-Rechtspolitiker Jerzy Montag.
- Position Pro II: Auch nach diesem Gesetzentwurf soll PID grundsätzlich verboten werden, Ausnahmen sind erlaubt, die Kriterien werden jedoch noch strenger gefasst: Die PID soll nur für Paare zugelassen werden, die eine genetische Veranlagung dafür haben, "dass Schwangerschaften in der Regel mit einer Fehl- oder Totgeburt oder dem sehr frühen Tod des Kindes innerhalb des ersten Lebensjahres enden". Auch hier wird Beratung sowie die Zustimmung einer Ethikkommission vorgeschrieben. Unterstützt wird der Antrag von den Abgeordneten René Röspel (SPD), Priska Hinz (Grüne), Patrick Meinhardt (FDP) sowie Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU).
- Kontra-Position: Die Gegner warnen vor einer Zukunft mit "Designer-Kindern". Die künstliche Befruchtung bekäme nach ihrer Meinung durch PID eine neue Dimension. Nicht nur über Krankheiten, sondern auch andere Merkmale wie das Geschlecht könne durch die Tests zuvor aufgeklärt werden. Die Forschung würde versuchen, Nutzen aus Embryonen zu ziehen, die zu "Abfallprodukten" würden. Dabei hätten Embryonen von Anfang an Menschenwürde, auch wenn sie im Reagenzglas erzeugt würden. Zu den Gegnern zählen Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), sein Vize Johannes Singhammer (CSU), Grünen-Gesundheitsexpertin Birgitt Bender, SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, Pascal Kober (FDP), Kathrin Vogler (Linke) - und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Die Debatte ging über drei Stunden, 30 Redner kamen zu Wort - Gelächter oder hämische Zwischenrufe gab es bei dieser Diskussion nicht. Es sei ein gutes Signal, dass fraktionsungebunden diskutiert werde und Gewissensentscheidungen getroffen würden, sagte der SPD-Abgeordnete Hubertus Heil und bescheinigte der Debatte ein hohes Niveau.
Knapp 180 der 620 Abgeordneten haben noch nicht entschieden
FDP-Fraktionsvize Ulrike Flach, Befürworterin der Präimplantationsdiagnostik (PID), sagte: "Es ist ein rechtlich sicherer, verlässlicher Weg für Familien in Not." Einer Frau Wissen über den Embryo vorzuenthalten, führe zur Schwangerschaft auf Probe. Frank-Walter Steinmeier bekannte, mit sich selbst "gerungen" zu haben. Ein Verbot sei keine höherwertige ethische Haltung. "Das strikte Verbot löst keine der Fragen, die in der Realität ja für die Familien bestehen", sagte der SPD-Fraktionschef.
Befürworter wiesen zudem die Einschätzung zurück, behinderte Menschen würden durch die Zulassung der PID ausgegrenzt oder abgewertet. In Ländern, in denen die PID bereits zugelassen sei, habe es den "befürchteten Werteverfall" nicht gegeben, sagte die Grünen-Politikerin Krista Sager. "Die Teilhabechancen behinderter Menschen sind in Deutschland nicht besser als in Dänemark." Für einen deutschen "Sonderweg" gebe es keinen Grund.
Für die Verbotsanhänger entgegnete Unionsfraktionsvize Günter Krings (CDU), der Wunsch nach gesunden Kindern könne nicht das Lebensrecht eines Embryos überspielen. "Lassen Sie uns gemeinsam verhindern, dass Menschen zu Richtern werden über lebenswertes und unlebenswertes Leben." Ein Dammbruch drohe, würde die Methode zugelassen. Die Begehrlichkeit der Forschung nach befruchteten Eizellen sei groß. Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Birgitt Bender warnte vor der Auswahl "passender" Embryonen: "Worum es uns geht, ist diese Option auf Selektion."
Nach der ersten Lesung ist völlig offen, welcher der drei Entwürfe eine Mehrheit finden wird. Knapp 180 der 620 Abgeordneten haben noch nicht unterschrieben. Die meisten Unterstützer, insgesamt 215, zählt bisher die Initiative zur Zulassung unter strengen Auflagen. Das Verbot wird bislang von 192 Parlamentariern unterstützt.
Nötig wurde die Neuregelung durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom vergangenen Jahr, das PID in manchen Fällen zuließ. Zuvor war es allgemeine Auffassung, solche Gentests seien nicht erlaubt, auch wenn sie nicht im strengen deutschen Embryonenschutzgesetz von 1991 erwähnt werden.