Debatte um Sicherheitsgesetze De Maizière bremst die Scharfmacher aus

Innenminister de Maizière, Körting, Herrmann: "Das ist jetzt nicht die Stunde"
Foto: Angelika Warmuth/ dpaBerlin - Die Aufregung über mögliche Terrorplanungen in Deutschland führt in der Politik zu mancherlei Gerede. Mitunter wirkt das ziemlich überdreht. Da ist zum Beispiel der Berliner Innensenator (SPD): Wenn man bemerke, dass in der Nachbarschaft "plötzlich drei etwas seltsam aussehende Menschen" eingezogen seien, die "nur Arabisch oder eine Fremdsprache sprechen, die wir nicht verstehen", dann solle man mal die Behörden unterrichten.
In einer Stadt wie Berlin dürfte allerdings die Entdeckung einer solchen Dreier-Combo kein allzu großes Problem darstellen.
Oder der rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch (SPD), der davon zu berichten weiß, dass mehrere deutsche Großstädte besonders anschlagsgefährdet seien: Es gebe konkrete Hinweise auf Berlin, München, Hamburg und das Ruhrgebiet. Dass er wiederum Frankfurt nicht nannte, wurde von anderen Experten kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen. Und Bayerns Innenminister (CSU) hat schonmal den möglichen Anschlagszeitraum konkretisiert: "Vom letzten Novemberdrittel bis Weihnachten."
Dann ist ja wohl alles klar.
Seitdem Bundesinnenminister (CDU) am Mittwoch von Hinweisen auf mutmaßliche Anschlagsvorhaben Ende November berichtet hat, bricht eine alte Debatte neu aus: Wie mit der Gefahr umgehen? Reichen unsere Sicherheitsgesetze aus? Zufällig sitzen gerade an diesem Donnerstag die deutschen Polizeiminister bei der Hamburger Innenministerkonferenz (IMK) beisammen.
Mehr Polizeistreifen in muslimisch geprägten Wohnquartieren?
Im Vorfeld hatte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) mit einem Fünf-Punkte-Plan zur Terrorbekämpfung für Aufsehen gesorgt. Darin fordert er unter anderem stärkere Polizeikontrollen in muslimisch geprägten Wohnquartieren oder Kommunikationsbeschränkungen für sogenannte islamistische Gefährder.
Besonders im Fokus der Sicherheitsdebatten steht die umstrittene Vorratsdatenspeicherung. Seit Monaten schon drängen Politiker aus Union und SPD auf eine Neuregelung der Speicherung von Telefon- und Internetdaten, während FDP-Justizministerin Sabine diese Versuche bisher abblockt. Hintergrund: Im März hatte das Bundesverfassungsgericht die bis dahin geltende Regelung gekippt, wonach die Daten ohne Anlass für sechs Monate gespeichert wurden, damit die Polizei im Verdachtsfall zugreifen konnte. Unter den Klägern auch: Leutheusser-Schnarrenberger.
Nun gewinnt die Weigerung der FDP für Schwarze und Rote an Brisanz: "Wer sich jetzt noch gegen die Vorratsdatenspeicherung wehrt, hat die Bedrohungslage nicht verstanden", poltert Hans-Peter Uhl (CSU), der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion. Auch Innensenator Körting betont, er halte die Vorratsdatenspeicherung für ein "sinnvolles Instrument". SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz hat die FDP schon vor Wochen in dieser Beziehung als "Sicherheitsrisiko" bezeichnet.
Doch weil die deutsche Vorratsdatenspeicherung auf einer EU-Richtlinie beruhen muss, die derzeit noch überprüft wird, will Leutheusser-Schnarrenberger weiter abwarten. Die Haltung der Ministerin habe sich durch die aktuelle Entwicklung nicht geändert, teilt am Donnerstag ihr Sprecher mit: "Die Bundesrepublik hat furchtbare Stunden des Terrors gemeistert, ohne dass der Rechtsstaat aus den Fugen geraten ist." Grünen-Fraktionschefin Renate Künast lehnt die Vorratsdatenspeicherung ebenfalls ab und sagt: "Wir sollen und wollen uns von Terroristen nicht unseren Rechtsstaat und die Freiheit nehmen lassen."
Alles andere als ein Scharfmacher
Unterstützung bekommt Leutheusser-Schnarrenberger ausgerechnet von Innenminister de Maizière, der in der Vergangenheit bei der Vorratsdatenspeicherung immer wieder Druck auf die FDP-Frau ausgeübt und sogar von einer "Schutzlücke" gesprochen hatte. Zudem hatte er der "lieben Kollegin" im Sommer einen langen Forderungskatalog für schärfere Sicherheitsgesetze übermittelt - aus denen dann aufgrund des Widerstands der FDP nichts geworden ist.
Nun aber, am Rande der Hamburger IMK, sagt de Maizière zur Vorratsdatenspeicherung: "Das ist jetzt nicht die Stunde, auf dem Rücken dieses Themas rechtspolitische Auseinandersetzungen zu verschärfen oder abzumildern."
Dahinter steckt das Ziel des Ministers, Hysterie und parteipolitisches Gezänk in dieser angespannten Situation zu vermeiden. De Maizière ist alles andere als ein Scharfmacher, die konkrete Terrorwarnung vom Mittwoch war seine erste überhaupt. Die Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) und Otto Schily (SPD) hatten da ein etwas anderes Amtsverständnis. Sie dachten öffentlich über eine Grauzone bei der Folter nach, über Internierungslager für Flüchtlinge, Anschläge mit einer schmutzigen Bombe oder den Abschuss entführter Passagierflugzeuge. Am Ende wurde Schäuble von Teilen der Internet-Community gar als "Stasi 2.0" verspottet.
Thomas de Maizìere dagegen will Ruhe bewahren. Gerade weil sich die Ereignisse überschlagen. Als in Hamburg die Innenminister zusammenkommen, macht die Nachricht vom Fund eines verdächtigen Koffers im namibischen Windhoek die Runde. Das Gepäckstück mit einem möglichen Sprengsatz war offenbar beim Beladen eines Air-Berlin-Flugs nach München entdeckt worden.
De Maizière und seine Ministerkollegen geben kurz darauf ein gemeinsames Statement ab: Man bitte die Bürger "ihr Leben unverändert und ohne Angst weiterzuführen - im friedlichen Miteinander mit hoher Aufmerksamkeit füreinander".