Debatte um Steuersünderdaten Selbstgerechte Rechtsbeuger

Eine große Koalition von Kanzlerin Merkel bis SPD-Chef Gabriel will geklaute Steuerdaten kaufen, um damit Schwarzgeld aufzutreiben. Dieser Plan ist gefährlich: Der Rechtsstaat darf sich nicht das Recht nehmen, das Recht zu brechen.
Debatte um Steuersünderdaten: Selbstgerechte Rechtsbeuger

Debatte um Steuersünderdaten: Selbstgerechte Rechtsbeuger

Foto: Michael Sohn/ AP

Es soll Leute geben, die zahlen ihre Steuern, weil sie das für richtig halten. Nicht, weil sie glauben, der Staat sei ausgerechnet auf die paar tausend Euro angewiesen, die sie im Jahr überweisen. Auch nicht, weil sie noch immer kein Konto in der Schweiz haben. Sondern einfach, weil sie es für richtig halten.

Das sind meist dieselben Leute, die auch keine Filme illegal aus dem Netz herunterladen, weil das unmoralisch ist, ungerecht den Urhebern gegenüber. Weil sie dem kategorischen Imperativ des Philosophen Immanuel Kant glauben, der vereinfacht lautet: Überlege, was geschähe, wenn das alle täten!

Was sollen diese Leute - und es gibt sie wirklich - von einer Regierung halten, die ernsthaft überlegt, ob sie gestohlene Bankunterlagen kauft, um damit Steuersünder zu entlarven und Geld von ihnen zu erlangen?

Bedenke, was geschähe: Der Staat nimmt sich das Recht, das Recht zu brechen, weil seine Politiker so eigene Vorstellungen von Gerechtigkeit haben wie SPD-Chef Sigmar Gabriel, der haarscharf am Problem vorbei das heikle Geschäft rechtfertigen will: "Wir können Gauner nicht laufen lassen, nur weil sie von Ganoven entlarvt werden."

Der Ankauf gestohlener Ware um des eigenen Vorteils willen ist Hehlerei

Ist das die SPD-Gerechtigkeit - selbst zum Gauner zu werden, um Steuersünder zu fangen? Wer meint, der Zweck, den Steuersack zu füllen, heilige die Mittel, zeigt, dass er ein taktisches Verhältnis zum Rechtsstaat hat. Er maßt sich an, über dem Strafrecht zu stehen: Der Ankauf gestohlener Ware um des eigenen Vorteils willen ist Hehlerei, Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, der Versuch ist strafbar.

Der Zweck heiligt die Mittel: Wenn der Staat nur mit allen Mitteln Steuerhinterzieher aufspürt, erreicht er - so meinen vor allem SPD-Politiker - den heiligen Zweck der Steuerehrlichkeit bei den Leuten, die sowieso nicht SPD wählen.

Vielleicht verhält es sich aber genau andersherum: Wenn der Staat sich seine eigene Moral in Bezug auf das Recht machen kann, warum soll es dann nicht erst recht auch der Bürger tun? Ist nicht der Staat als Rechtsstaat viel strenger als seine Bürger ans Recht gebunden? Ist das Recht nicht gerade dazu da, den ohnehin zu mächtigen Staat in seine Schranken zu weisen, auf dass er nicht alles tun kann, was er für zweckmäßig hält?

Wenn sich der Staat sein Recht sucht, warum dann nicht auch der Bürger?

Die wohlfeile Selbstgerechtigkeit des guten Zwecks steht jedem Bürger schnell zur Verfügung, der mit dem Gedanken spielt, sein Geld lieber in die Schweiz zu schaffen. Ist es nicht besser, dem Sohn mit dem Geld eine gute Ausbildung zu sichern, als es dem Staat in den Rachen zu werfen? Ist es nicht edel, der Putzfrau ein paar Euro mehr zu zahlen, als das schöne Geld an den Fiskus abzuführen? Wenn der Staat sich sein Recht selbst sucht, warum nicht erst recht der Bürger?

So könnte es sein, dass die Leute, die bislang Steuern zahlen - weil sie es für unmoralisch halten, einfach das Recht brechen, nur weil es einem guten Zweck dient -, plötzlich an Immanuel Kant zweifeln.

Bedenkt, was geschähe!

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