Debattenbeitrag Zölibat? Aber sicher!

Priesterweihe bei Piusbruderschaft: keine Lammert-Klone an die Altare
Foto: Armin Weigel/ picture-alliance/ dpaMan hätte die Uhr danach stellen können: Kaum hatte der Vatikan die Aufnahme von verheirateten anglikanischen Priestern in die katholischen Reihen abgesegnet, melden sich nun prominente deutsche Katholiken und fordern das Priesteramt für Verheiratete.
In einem offenen Brief setzen sich Bundestagspräsident Lammert, Bildungsministerin Schavan und andere für die "viri probati" ein, die Zulassung von vorbildlichen "erprobten Männern" zum Priesteramt. Angesichts des Priestermangels, schreiben sie, könne sonst in vielen Gemeinden keine Messe mehr gelesen, keine pastorale Grundversorgung garantiert werden.
Wenigstens für Deutschland solle diese Ausnahme gemacht werden. Und da sich an dem grundlegenden Notstand nichts ändern werde, bleibt das Fernziel, selbstverständlich, die Aufhebung des Zölibats, das ja kein Gebot Christi sei, sondern lediglich Tradition.
Für diese deutsche Extrawurst soll wieder einmal die Weltkirche umgekrempelt werden. Wieder einmal steigen die "kritischen" Laien auf die Barrikaden. Die Bischöfe sollten "Tapferkeit" zeigen, sonst müssten sie, die katholischen Laien, die Sache selbst in die Hand nehmen.
Kurz gesagt: Die gewissen "katholischen Kreise und Schichten", von denen der Papst in seinem Buch "Licht der Welt" gesprochen hatte, "die nur darauf warten, auf ihn einzuschlagen", machen schon jetzt, ein paar Monate vor dem offiziellen Deutschlandbesuch, mobil.
Es ist immer wieder verblüffend, wie kapitulationsbereit diese "gewissen Kreise" in der Kirche auf die Herausforderungen der Moderne antworten. Durch Kniefall. Gerade in Zeiten nivellierter Wellness-Religiosität und allenfalls protestantischem Besinnungspausentum wäre der katholischen Kirche jeder Traditionsstolz zu wünschen, jede Form von Gegenwelt und Sperrigkeit, und dazu gehört zweifelsohne der Zölibat.
Lammert-Klone am Altar
Der zölibatäre Priester verkörpert das monastische Leben mitten unter uns. Er ist die auratische Figur, die uns, wenn der Zölibat gelingt, die vollständige Hingabe an Gott und an die Gemeinde vorlebt. Er kennt die Welt und ist so lebensklug wie jener Kartäusermönch in dem Film "Von Menschen und Göttern", der dem Mädchen, das ihm im Garten hilft, von der Liebe erzählt. Aber er weiß auch noch von einer anderen Liebe zu erzählen.
Dass dieser Film die Kinogänger in Frankreich und Deutschland derartig in seinen Bann zog, hing mit der Sehnsucht nach diesem ganz Anderen zusammen. Und dem Respekt davor. Wollen wir diese Aura, die auch jeden katholischen Priester umgibt, opfern für den Reformgewinn, Lammert-Klone am Altar stehen zu sehen?
Ausgerechnet im antipapistischen und komplett säkularen England war Papst Benedikt im Frühjahr gefeiert worden. All die Schwulengruppen und Atheisten-Agitatoren, die ihn eigentlich schon am Flughafen verhaften lassen wollten, sahen sich plötzlich als versprengte bizarre Demonstrationsfähnlein abgedrängt, während der Papst ehrerbietig und herzlich von der großen Menge - inklusive der Boulevard-Ganoven - gefeiert wurde.
Wie er das gemacht hat? Er hat eine Seeligsprechung gefeiert. Er hat kompromisslos gegen den Zeitgeist geredet. Und er ist selbstverständlich nicht auf all die albernen Reformvorschläge eingegangen, die von diesen Laiengruppen im Stundentakt ausgegeben werden.
Er hat sich als Hüter des Glaubens und der Tradition gezeigt. Und wenn es eine Haltung gibt, die uns heute interessiert, dann ist es diese. Jeder zweite modische Brillenbügel, der Baudrillard nicht verstanden hat, hält sich heutzutage für ein ganz großes Licht, wenn er "Gestrigkeit" anklagt.
Aber natürlich, Freunde, gibt es nichts Spannenderes heutzutage als Gestrigkeit, nichts avantgardehafteres als das Bestehen auf Form und Ritus, nichts Aufregenderes als Haltung in einer Zeit, in der Modebekenntnisse im Dreisekundentakt ausgetauscht werden.
Das Zölibat als Markenkern
Aber nun zum rein Praktischen: Es stimmt, dass die Kirchen sich leeren. Aber das tun sie bei den Protestanten in noch größerem Ausmaß, und die haben nun wirklich alles, was jeder katholische "Kirche-von-unten"-Aktivist auf dem Zettel hat: Da gibt es Priesterinnen, da gibt es verheiratete und geschiedene Bischöfe, da gibt es schwule Pfarrer-Eheleute, da gibt es vor allem flache Hierarchien, keine Zentrale, keinen Papst im Gepränge von Tiara, Messgewand und Hirtenstab, also absolute Demokratie.
Wollen wir das? Wollen wir die totale theologische Abrüstung? Priesteramt für jeden, Diakonie im Instantverfahren wie die Neu-Lehrer-Rekrutierung in der DDR nach dem Krieg?
Ich glaube nicht. Und als Medienmensch kann ich nur sagen: Wir Katholiken wären vom Hahn gehackt, es Protestanten gleichzutun, schon aus markentechnischen Gründen. Statt eine schlechte lutheranische Kopie sollten wir das katholische Original bleiben, und wo wir es verloren haben, uns bemühen, es wieder zu werden.
Daher kann es nichts klügeres geben, als jene wohlmeinend-besorgten Kommentatoren wie Heribert Prantl in der "Süddeutschen Zeitung" zu ignorieren, die den deutschen Bischöfen "servilen Byzantinismus" vorwerfen, weil sie nicht genügend gegen Rom opponierten. Prantl, der pontifex maximus der Kirchenkritiker, weiß beispielsweise schon, dass es "Blasphemie" sei, am Zölibat festzuhalten. Soso.
Das allein sollte einen leichten Vorgeschmack liefern auf den babylonischen Zustand, der eintritt, wenn Redakteure die Lehrmeinung der katholischen Kirche bestimmen. Denn selbstverständlich wird darauf eine andere antworten, zum Beispiel diese hier. Was für ein Gewimmel.
Und das ist noch gar nichts gegen das, was los ist, wenn "viri probati" die Altarräume bevölkern. Das Problem wird dann nur sein: Da vorne ist jede Menge Gedränge, nur die Bänke der Gemeinde sind leer.