
Neues Demokratiefördergesetz Wie wär’s stattdessen mit einem Staat, der funktioniert?


Warteschlange vor einem Wahllokal in Berlin-Friedrichshain
Foto: Bernd von Jutrczenka / picture alliance/dpaHätte Franziska Giffey, Ex-Bundesministerin und damals Expertin für politisches Schönsprech, dieses Gesetz benannt, es würde womöglich Gute-Demokraten-Gesetz heißen. Aber Giffey scheitert gerade andernorts in Berlin, und so lautet der Name bloß: Demokratiefördergesetz. Am aufgeblasenen Anspruch ändert das nichts. »Damit stärken wir die zivilgesellschaftliche Beratungs-, Präventions- und Ausstiegsarbeit sowie das Empowerment von Betroffenengruppen und werden sie vor Angriffen schützen«, heißt es im Koalitionsvertrag. Doch dieses Gesetz wird eher zu einer Geldwaschanlage für Gutmenschen werden, als die Dinge zum Guten zu wenden.
Unstrittig ist: Das Ansehen der Demokratie und der sie tragenden Parteien in Deutschland ist ziemlich auf den Hund gekommen. Laut Forsa-Umfrage für RTL sind fast 50 Prozent der Befragten mit der Demokratie insgesamt weniger oder gar nicht zufrieden, fast 60 Prozent trauen keiner Partei zu, mit den Problemen in Deutschland fertigzuwerden. Aber ob es da hilft, mehr Geld in die Werbung zu stecken oder in die weitere Erläuterung der Zusammenhänge? Mag sein, dass ich ein altmodisches, dampfbetriebenes Politikverständnis habe, doch ich meine: Das Produkt muss am Ende besser werden, nicht die Verpackung schöner oder die Reklame lauter.
»Durch das Gesetz können Maßnahmen im Bereich der Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen Bildung längerfristig, altersunabhängig und bedarfsorientierter gefördert werden als bisher«, heißt es beim federführenden Familienministerium . Nichts gegen langfristige Förderung, aber was ist »Vielfaltgestaltung«? Aus meiner Sicht lässt das vieles ahnen – vor allem viel zu wenig Bewusstsein für Probleme des Landes, die zu den aktuellen Demokratieproblemen führen.
Der Notruf 112 funktioniert nicht mehr überall zuverlässig, der Schulbus ist nicht pünktlich, vor der Bahn haben wir kapituliert, die Post kommt nicht mehr jeden Tag. Der Kern staatlicher Daseinsvorsorge, auf den man sich blind verlassen kann, schrumpft – und mit ihm das Vertrauen der Leute. Dagegen kommt kein Vielfalt-Seminar an. Das sind Ersatzhandlungen.
Im Jahr 2016 hatten die beiden größten Förderprogramme des Bundes einen Etat von zusammen gut 60 Millionen Euro. Nächstes Jahr soll es für »Demokratie leben« (etwa 600 Projekte) und »Zusammenhalt durch Teilhabe« schon 212 Millionen geben. Aber gerade in Ostdeutschland wollen die Wähler von AfD und Linkspartei keinen Frontalunterricht in Vielfalt. Sie wollen einen Bus, der pünktlich fährt, einen halbwegs bezahlbaren Dieselpreis, finanzierbare Mieten und stabiles Netz fürs Handy.
Ankündigungen in diese Richtung gibt es staatlicherseits genug, guten Willen unterstelle ich. Aber der Vollzug ist eine Katastrophe. Schon vor zehn Jahren warnte Allensbach-Chefin Renate Köcher davor, welche Zersetzung in Gang kommt, wenn der Staat nicht mehr so funktioniert, wie normale Leute es zu Recht erwarten. Und es wird immer krasser: Was früher am Mangel an Geld scheiterte, scheitert heute an der Unfähigkeit, Geld sinnvoll auszugeben, Beispiel Bundeswehr.
Vergangene Woche erklärte mir ein kluger Regierungsvertreter, warum das mit der Beschaffung von Gerät und großer Munition bei der Bundeswehr so langwierig ist: vor allem wegen der vielen Regeln, Verfahren und Vorschriften. Aber irgendwann dachte ich mir: Säße an meiner Stelle jetzt hier ein Marsmännchen, das nichts von der langen Vorgeschichte wüsste, dann würde das Männchen sagen: Wenn die vielen Regeln das Problem sind, dann ändert doch die Regeln! Macht es einfach: Ein Staat, der funktioniert und aus Fehlern lernt – das wäre gute Demokratieförderung.
Und es geht ja. Allein in der vergangenen Woche gab es zwei Beispiele, mit denen man, ohne rot zu werden, Werbung für den Staat machen kann. Da wurde ein Flüssigerdgas-Terminal in der Nordsee in einer Zeit fertig und angeschlossen, die unter »normalen« Umständen kaum für den ersten Antrag ausreichen würde. Man hat zu bauen begonnen, bevor der Antrag genehmigt war. Weil es wichtig war. Und dann zeigt der wehrhafte Staat mit drei Razzien gegen Rechtsaußen-Reichsbürger, Linksaußen-Klimaaktivisten und einen verdächtigen kriminellen Clan, dass er die Sicherheit schützt und ab und zu wissen lässt, wo der Bartel den Most holt.
Kurzum, es ist ganz einfach. In großer Mehrheit möchten die Deutschen sehen, dass ihr Staat funktioniert. Tut er es fortgesetzt nicht, wenden sie sich ab, die einen mit Getöse, die meisten leise. Die in zumeist saturierten Milieus erdachten Demokratieförderprogramme helfen da nicht viel. Das ist mehrere Nummern zu klein gedacht.